«Söhne der Liebe»: Brutale Verfolgung von LGBTIQ im Iran
Lesung in der Wiener Buchhandlung Löwenherz
Am 1. März 2024 findet im Iran die Parlamentswahl statt. Im Vorfeld der Wahl hat der Ausschluss mehrerer regierungskritischer Kandidaten für Kritik und Empörung gesorgt. Über die brutale Verfolgung und Unterdrückung von queeren Menschen im Iran wird derzeit kaum gesprochen.
Eine Lesung in der queeren Buchhandlung Löwenherz thematisiert am Freitag (24. November) um 19.30 Uhr die brutale Verfolgung und Unterdrückung von queeren Menschen im Iran. Dazu kommt der bekannte britisch-iranische Schriftsteller Ghazi Rabihavi nach Wien. Dieser hat im britischen Exil mehrere Werke über die Gewalt an queeren Personen geschrieben wie das Theaterstück „my beautiful son“. Dabei geht es um einen schwulen Mann, der im Iran zu einer Geschlechtsumwandlung gezwungen wurde.
In Wien wird der Autor unter anderem aus seinem Buch «Söhne der Liebe» vorlesen. Es handelt von einer Liebesgeschichte von zwei jungen Menschen im Iran, die als Männer gelesen werden. Davon ist eine Person aber kein Mann. Die beiden Menschen heissen Djamil und Nadji. Sie dürfen ihre Zuneigung zueinander nicht offen zeigen, weil gleichgeschlechtliche Liebe im Iran bis heute mit dem Tod bestraft wird. Liebe und Schmerz liegen in dieser Erzählung nahe beinander. Djamil und Nadji geraten in die Wirren der Iranischen Revolution. Sie fliehen und erleben Schreckliches.
Gleich die ersten Sätze des Romans lassen aufhorchen. Sie machen deutlich, warum es heilsam sein kann, etwas Unsagbares zum Ausdruck zu bringen. «Ich bin verflucht», so Djamil. «Das ist auch der Grund, warum ich begonnen habe, diese Geschichte zu schreiben. Damit will ich diesen Fluch ein für alle Mal aufheben.» Mit dem Erzählen der Geschichte reist Djamil in die Vergangenheit und kehrt „in diesen finsteren Käfig» zurück. Die Leser*innen begleiten Djamil dabei und werden Zeug*innen einer intensiven Liebes- und Leidensgeschichte.
Das Besondere an dem Roman ist, dass der aus dem Iran stammende Autor Ghazi Rabihavi viele wichtige Themen in die Rahmenhandlung einfliessen lässt. So wird gleich zu Beginn die binäre Geschlechterordnung in Frage gestellt. Denn Djamil bekommt vom Vater bei der Geburt die Rolle als Mann zugewiesen, obwohl Djamil inter ist. Djamil hat keine körperlichen Merkmale, um bei der Geburt als männlich oder weiblich eingestuft zu werden. «Was ist es denn jetzt?», fragt der Vater, der von verschiedenen Frauen bislang nur Töchter bekommen hat. Er möchte daher unbedingt einen Sohn haben. In der Erziehung achtet der Vater konsequent darauf, dass sich Djamil männlich verhält. Bei Abweichungen gibt es Prügel mit dem Rohrstock. Solche Grausamkeiten gegenüber inter Personen geschehen nicht nur im Iran, sondern in vielen Teilen der Welt.
Dieses Buch ist ein Plädoyer dafür, dass Menschen so leben und lieben können, wie sie möchten. Gleichzeitig klagt das Buch an. Es klagt die Grausamkeiten an, die Menschen einander zufügen. Es waren bärtige Männer, die im Zuge der Iranischen Revolution Kinos mit Menschen angezündet und die sich im Namen des Glaubens an das Morden gewöhnt haben.
Ein wichtiges Thema in dem Roman ist auch die Unterdrückung der Sexualität im Iran. Je mehr in einer Gesellschaft Sexualität unterdrückt wird, umso heftiger können die Gewaltausbrüche sein. «Mit zunehmendem Alter lernte ich, dass Männer, deren sexuelle Bedürfnisse nicht befriedigt werden, Hass entwickeln können», schreibt Djamil. «Mir war auch bewusst, dass ich mich in dieser Wüste unter vielen Männern befand, die unter dem vernichtenden Druck ihres sexuellen Verlangens standen.» Diese hassenden Männer vergewaltigen nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Hier geht es nicht um Homosexualität, sondern einzig um das Ausleben von Gewalt. Es ist unendlich grausam was Djamil und Hadji auf der Flucht erleben – und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Über die Vergewaltigung von Männern in repressiven Ländern, in Kriegen und auf der Flucht wird heute wenig gesprochen. Es ist wichtig, dass sich der Autor auch mit diesem Thema beschäftigt.
Das im Sujet Verlag erschienene Buch zeichnet sich auch dadurch aus, dass Leser*innen einen fundierten Einblick in eine Flucht bekommen. Zu Beginn werden geflüchtete Personen von Schleppern ausgebeutet. Nur wer viel Geld hat, kann sich auf den Weg machen. Die Armen, Kranken und Schwachen bleiben zurück. Geflüchtete Menschen werden auf dem Weg ausgeraubt und missbraucht. Viele bleiben irgendwo hängen. Sie sind dann rechtlos und müssen wie Sklav*innen arbeiten. Dieses Buch macht deutlich, wie sich Spiralen der Gewalt immer weiter fortsetzen. Personen, die unterdrückt werden, sind oft voller Hass und Verbitterung. Sie quälen dann Personen, die schwächer sind und denen es noch schlechter geht.
Der Roman prangert zugleich die Kluft von Armut und Reichtum an, die in der islamischen Welt besonders gross ist. So gibt es superreiche Länder und Emirate, in denen Arbeiter*innen aus den armen Ländern ausgebeutet werden. «Wenn wir nicht dagewesen wären, wer hätte diese gigantische Gebäude errichtet?», fragt Djamil. «Eine Aufenthaltsgenehmigung wollten sie uns aber auch nicht geben, denn nur so konnten sie uns auch wieder loswerden, wenn kein Bedarf mehr bestand.» Razzien gegen illegale Arbeiter*innen werden so durchgeführt, dass nichts herauskommt.
«Ich scheiss auf diese Welt, wo nichts ausser Geld zählt», sagt Djamil. Denn reiche Menschen können sich alles kaufen, sie «regieren die Welt mit ihren Reichtümern und kaufen alles, was sie wollen». Sie können sich mit Geld auch Menschen gefügig machen.
«Söhne der Liebe», Ghazi Rabihavi (Sujet Verlag, 500 S.)
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