«Ich bin eine schwarze queere Frau. Ich kann nicht einfach schweigen»
Skin (Skunk Anansie) im Interview
Die britische Sängerin Skin ist eine Ikone der LGBTIQ-Bewegung. Mit ihrer Band Skunk Anansie ist sie angetreten, Rassen- und Geschlechterschranken in der Welt der Rockmusik zu überwinden.
Ihr Einfluss geht aber weit über die Musik hinaus und trägt seit nunmehr 30 Jahren zu Diskussionen über Identität, Gleichberechtigung, Religion und Rassismus bei. Auch in punkto Mode war sie ihrer Zeit oft voraus. Die bisexuelle Frontfrau Skin sprach mit MANNSCHAFT über das neue Album, Papst Leo XIV., und den Kampf für queere Rechte.
Geboren 1967 als Tochter jamaikanischer Eltern, wuchs Deborah Anne Dyer in Brixton im Süden Londons auf, wo ihr Grossvater einen Nachtclub betrieb. Sie gründete 1994 die Alternative-Band Skunk Anansie und nannte sich fortan Skin. Die Gruppe trat 1999 beim Glastonbury-Festival auf, trennte sich 2001 und formierte sich 2009 neu. Bis heute sind von ihr sieben Alben erschienen. Von 2013 bis 2015 war Skin mit der Umweltschützerin Christiana Wyly liiert, Tochter des amerikanischen Milliardärs und Philantrophen Sam Wyly. Wyly ist heute mit Elon Musks Bruder Kimbal verheiratet. Skin hat ein dreijähriges Kind mit dem Event-Produzenten Rayne Baron, bekannt als Ladyfag.
Skin, vor 30 Jahren warnten Sie in dem Song «Selling Jesus» vor der sich abzeichnenden Symbiose zwischen evangelikalem Christentum und rechter Politik in den Vereinigten Staaten. Diese Symbiose ist heute vollkommen
Es gibt eine grosse Lücke zwischen der Religion und den Menschen. Ein Beispiel: Ich war gestern bei meiner Mutter. Sie hat einige körperliche Probleme. Ich sage ihr immer wieder: «Warum gehst du nicht schwimmen?» Und sie antwortet: «Das muss ich nicht tun. Gott wird mich heilen». Also sage ich: «Gott wird dich heilen? Nun, jeden Tag sehe ich, wie es dir körperlich ein bisschen schlechter geht. Also leistet Gott keine sehr gute Arbeit». Und sie: «Oh, das liegt daran, dass ich ihm schon lange kein Geld mehr geschickt habe.»
Ich wiederum: «Dein Gott braucht also Geld, um dich zu heilen? Weisst du, was du da sagst?» Ich bin selbst nicht sehr religiös, aber nicht anti-religiös, weil ich weiss, dass die Grundlage der religiösen Ideologie eine gute Sache ist, die Zehn Gebote und so. Aber ich habe das Gefühl, dass wir uns immer weiter von den wahren Idealen vieler Religionen entfernen.
Was denken Sie über den neuen Papst Leo XIV, den ersten amerikanischen Pontifex? Ich habe eine Menge über ihn gelesen. Er scheint ein ziemlich liberaler Papst zu sein. Das freut mich sehr, denn das ist ein sehr, sehr wichtiges Amt. Ich bin wirklich froh, dass man sich nicht für einen dieser schrecklichen Konservativen entschieden hat. Vor allem nicht für einen von denen, die homosexuell sind und alles tun, um das zu verschleiern. Denn im Vatikan gibt es die grösste Konzentration schwuler Männer auf der Welt. Und auch eine Menge Heuchelei.
Es ist kein Problem, dass jemand schwul ist. Nur sollte man das nicht leugnen. Man sollte auch andere Schwule nicht verurteilen, wenn man selbst schwul ist. Denn offensichtlich werden Pädophile in der katholischen Kirche seit jeher geschützt. Deshalb gibt es dort auch so viele von ihnen. Dieser Papst wird sie hoffentlich alle loswerden.
Inwieweit gehört die intensive Beschäftigung mit sich selbst zum Künstlerdasein?
Skin: Ich spreche in den Texten über Dinge, die mir passiert sind. Und ich spreche vor allem über politische Themen. Letztendlich bin ich eine schwarze queere Frau. Ich bin also diejenige, an die sich eine Menge Rassismus, Homophobie und Sexismus richtet. Ich kann nicht einfach nur dastehen und schweigen, nichts tun und nichts sagen, denn eigentlich bin ich diejenige, die leiden muss.
Wie erklären Sie sich den Hass der extremen Rechten gegen die gesamte LGBTIQ-Welt? Es ist ganz einfach: Dem christlichen Nationalismus geht es um Macht. Diese Leute haben schon vor langer Zeit erkannt, dass sie Wahlen gewinnen können, wenn sie religiöse Menschen dazu bringen, für sie zu stimmen. Sie stürzen sich gerade auf das Thema trans Personen im Sport. Wenn die Republikaner diese wenigen Leute zu Dämonen aufblasen, die angeblich Kinder angreifen, kann man damit die Unterstützung religiöser Gruppierungen bekommen. Es geht eigentlich nur darum, religiöse Menschen mit Hilfe von Angst dazu zu bringen, rechtsextrem zu wählen.
Ihre allererste Single, «Little Baby Swastikkka», war eine Abhandlung über den verderblichen Einfluss faschistischer, rassistischer Ideologien. Diese Idiologien sind heute wieder auf dem Vormarsch. Wie erklären Sie sich diese Renaissance? Nun, der Angriff auf trans Menschen ist nur der erste Schritt. Als nächstes haben sie es auf Schwarze und andere Dunkelhäutige abgesehen, auf Einwanderer. Und dann nehmen sie sich die Frauen vor. Es betrifft uns alle. Man sollte meinen, dass eine Regierung sich eher auf die Seite der Schwachen in einem Land stellen würde. Jetzt trifft es aber auch Frauen, die nicht typisch sind. So wie ich, ich sehe nicht gerade wie eine konservative Frau aus. Ich bin eine cis-Frau, aber jemand könnte mich aus einer Toilette werfen, weil er denkt, ich sehe aus wie ein Junge. Wie soll man das denn kontrollieren?
Im Vergleich zu Ihrem Debüt «Paranoid & Sunburnt» von 1995 gibt es auf der neuen Platte keine «N-Wörter». Nehmen Sie Rücksicht auf die sensiblen Seelen von heute? Nein, ich brauche dieses Wort einfach nicht mehr. Ich bin erwachsen geworden. Ich war noch ein halbes Kind, als ich das in meinen Songs benutzte. Und jetzt haben wir es in Rente geschickt, weil ich bessere Wege gefunden habe, mich auszudrücken. Ich bin jetzt viel eloquenter. Die Art, wie ich Texte schreibe, ist prägnanter. Ich muss das N-Wort nicht mehr verwenden.
Skunk Anansie: «The Painful Truth» (CD/LP/Digital/Streaming. Flg/Membran) – VÖ: 23.5.2025
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