Was haben Organisationen für Regenbogenfamilien gegen Väter?

Zankapfel Abstammungsrecht: Daddies sollen nicht mitdiskutieren

Father and child
Tochter (r.) mit Samenspender oder Vater? (Bild: Josh Willink / Pexels)

Eine Bundesinitiative für Regenbogenfamilien duldet in ihren Reihen keine Vertretung für Regenbogen-Väter.

Auf Anfrage reagiert die «Bundesinteressengemeinschaft Regenbogenfamilien-Fachkräfte» (BIG) ausweichend. Hat es mit dem laufenden Streit um die Reform des Abstammungsrecht zu tun? Werden Väter dort wirklich mitgedacht? Dazu ein Kommentar*

Als ich zum ersten Mal die Idee hatte, meinen Kinderwunsch umzusetzen, wurde ich beraten von einer Frau in einem Raum, dessen Logo zwei Frauen und zwei Kinder zeigte. Als ich mit den zukünftigen Müttern meiner Tochter eine Beratung aufsuchen wollte, war es wieder eine Frau, die uns sagte, dass ich als Regenbogen-Vater am besten all meine Rechte an die Mütter übertrage. Dass ich später etwas besser über meine rechtliche Situation als Vater Bescheid wusste, habe ich anderen Vätern zu verdanken. 

Im Jahr 2015 wurde meine Tochter geboren und in dem Jahr gründete sich auch eine Gruppe, die mir und vielen anderen Regenbogen-Vätern in den vergangenen Jahren sehr geholfen hat: Die «Rainbow-Daddies» sind eine Gruppe von Berliner Vätern, die in verschiedenen LGBTIQ-Konstellationen Väter geworden sind. Die Mitglieder beraten einander rechtlich, tauschen Kinderwagen und Auto-Sitzschalen – und wenn jemand Streit mit den Müttern hat, bekommt er Hilfe und auch mal eine Umarmung. Außerdem haben wir vor mittlerweile fünf Jahren ein Buch mit unserem gesammelten Wissen herausgebracht: Das Regenbogenväterbuch.

Doch gerade musste diese Gruppe erfahren, dass das für die etablierten Regenbogenfamilien-Organisationen in Deutschland nicht reicht, um mitzudiskutieren. Kurz vor Ostern stimmte die «Bundesinteressengemeinschaft Regenbogenfamilien-Fachkräfte» (kurz: BIG) darüber ab, ob sie die Rainbow-Daddies als Mitglied aufnehmen – und entschieden sich dagegen. Damit geben weiterhin vor allem Organisationen und Gruppen in Diskussionen den Ton an, die von Frauen geführt werden, wie die Berliner «Lesben Leben Familie» oder die Münchner «LesMamas». Väter werden stummgeschaltet.

Nicht alle BIG-Mitglieder finden es gut, dass eine queere Väter BIG nicht angehören darf. Doch eine Anfrage von MANNSCHAFT an die beiden Sprecherinnen von BIG wurde mit Allgemeinplätzen beantwortet, nach denen nicht gefragt worden war: «Wir decken in unseren Einrichtungen das gesamte Spektrum von LGBTIQA* Menschen mit Kindern und/oder Kinderwunsch ab.» Oder: «Bei unseren Veranstaltungen sind Regenbogenfamilien aller Art und damit natürlich auch schwule Väter von jeher stets willkommen.» Die konkrete Frage, warum Väter-Vertretungen im BIG keine Stimme bekommen, beantworten sie nicht.

Die Stiefkindadoption muss sich gerade für Co-Mütter wie eine Ohrfeige anfühlen.

Es bleibt also Spekulation – und die findet einen möglichen Grund für die BIG-Entscheidung in deren Satzung. So hat sich BIG auf neun Forderungen verständigt, die unter Vätern, die Väter sein wollen, nicht nur Anschluss findet. Gleich unter Punkt 1 fordert BIG eine Änderung des Abstammungsrechts und Anpassung der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung. So soll neben der «gebärenden Person» die Person ebenfalls «Elternteil» sein, «die zum Zeitpunkt der Geburt mit der gebärenden Person verheiratet ist oder in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt» – oder die «Elternschaft» anerkennt, als als gebe es keine biologische Vaterschaft.

Dass das nur lesbische Lebenswelten vertritt und eben nicht alle Konstellationen mitdenkt, versteht nur, wer zwischen den Zeilen liest. Was ist mit Familien, die durch Leihmutterschaft entstanden sind? Zwar ist das hierzulande verboten, aber immer mehr Familien auch in den DACH-Ländern entstehen auf diese Art, Kinder wachsen dann ganz ohne gebärende Person auf. Sind diese nicht mehr willkommen unterm Regenbogen? Und wie anschlussfähig sind Forderungen, Vater und Mutter aus der Geburtsurkunde zu streichen, auch unter LGBTIQ-Personen?

Dabei hat BIG tatsächlich einen Punkt: Das Abstammungsrecht muss dringend reformiert werden, es spiegelt schon lange nicht mehr die Lebensrealitäten vieler Familien wider. Die Idee der Stiefkindadoption, die noch immer für viele Regenbogenfamilien der einzige Weg der Familiengründung ist, ist tatsächlich veraltet. Die übergriffigen Untersuchungen, der sich viele Familien unterziehen müssen, sind schlicht diskriminierend. Sie müssen sich gerade für Co-Mütter wie eine Ohrfeige anfühlen, weil sie zwar alle Lasten tragen, aber zunächst kaum Rechte haben.

Aber genauso fühlt es sich als Ohrfeige an, immer wieder darauf hinweisen zu müssen, dass nicht alle Väter Samenspender sind. Und wenn solche Dinge diskutiert werden, müssen nicht dann Väter auch gehört werden? Das BIG verweist gern auf den Professionalisierungsgrad ihrer Fachkräfte, doch wer genau hinschaut, sieht, dass auch unter den jetzigen Mitglieder viele ehrenamtliche Mitglieder sind und so sieht es nun einfach so aus, als ob BIG Vätern in Sachen Regenbogenfamilie nicht viel zutraut. Zerstreuen konnten die Sprecherinnen diesen Eindruck nicht.

BIG hat die Rainboy-Daddies zwar eingeladen, aber mal ehrlich: So richtig willkommen sind sie eigentlich nicht, oder?

Das Problem für viele Väter unter den Rainbow Daddies ist schlicht das Wort «automatisch», das in vielen Gesetzesvorschlägen auftaucht. Viele fordern, dass der Ehepartner «automatisch» das zweite Elternteil wird. Was ist, wenn es neben der Ehefrau auch einen biologischen Vater gibt, dem Rechte zustehen. Ausserdem: Gibt es nicht auch verheiratete Frauen, die nicht automatisch Elternteil sein wollen? Mit dem Automatismus wird eine Frau Mutter eines biologisch fremden Kindes werden, ohne sich dagegen wehren zu können. Bei Hetero-Ehen kann das auch passieren, richtig, aber da sind zumindest meist auch die Ehepartner gleichzeitig die biologischen Eltern.

Am kommenden Sonntag (4. Mai) organisiert die BIG auf der hinteren Bundestagswiese ein «Politisches Picknick». Sie wollen auch die neue schwarz-rote Regierung daran erinnern, dass die Situation für viele Regenbogen-«Elternteile» nach wie vor diskriminierend ist. In den kommenden vier Jahren werden sie wenig erreichen: Im aktuellen schwarz-roten Koalitionsvertrag steht nichts zu LGBTIQ-Rechten und Väter tauchen nur auf, wenn es um Unterhalt oder Gewalt geht. Es gibt genug Gründe, dass Väter sich bei einem solchen Picknick angesprochen fühlen sollten. BIG hat die Rainbow-Daddies zwar zum Picknick eingeladen, aber mal ehrlich: So richtig willkommen sind sie nicht, oder? 

Offenlegung: Der Autor des Textes ist selbst seit neun Jahren Vater in einer Regenbogenkonstellation und Mitglied der Rainbow-Daddies.

*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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