ESC 2025: «Die Musik muss wieder in den Mittelpunkt»
Der Countdown bis zum weltgrössten Musikwettbewerb läuft – ein Augenschein in Basel
Nemo hat den Eurovision Song Contest nach Basel geholt. Die Organisator*innen wünschen sich eine bunte Feier mit Festivalstimmung. Doch können sie die Fragen zu hohen Kosten und die Kontroversen von Malmö überwinden?
Genau drei Minuten – so wenig Zeit kann es brauchen, um 36 Jahre hoffnungsvollen Wartens zu beenden. Und genau diese drei Minuten hat das 24-jährige Talent Nemo aus Biel genutzt, um ganz Europa mit dem Song «The Code», seinen operatischen Höhen und einer schwindelerregenden Choreografie zu überzeugen – und damit der Schweiz den ersten Platz beim Eurovision Song Contest 2024 zu sichern (MANNSCHAFT berichtete). So etwas hatte es seit 1988 nicht mehr gegeben.
Es war ein Moment, auf den Fans wie Lili Fröschl aus St. Gallen jahrelang gewartet hatten. «Ich habe geweint und bin herumgesprungen», erzählt Lili von jener Nacht. «Das war sehr emotional für mich.» Sie verfolgt den ESC seit ihrer Kindheit und hat den Musikwettbewerb mit seiner kitschigen Theatralik und den Balladen über Liebe und Frieden immer mit ihrer Familie geschaut. Nun wird der 69. Eurovision Song Contest in Basel ausgerichtet – und auf die Chance, bei einem ESC in der Schweiz live dabei zu sein, haben Fans wie Lili seit Jahren gewartet.
Die Mammutaufgabe Bis zum Finale des ESC in Basel am 17. Mai 2025 bleiben weniger als vier Monate, und der drittgrössten Stadt der Schweiz steht eine Mammutaufgabe bevor. Sie muss Platz für Tausende Medienvertreter*innen und bis zu 500'000 Fans schaffen, gemeinsam mit der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR eine Show für mindestens 160 Millionen Zuschauende veranstalten und dabei die immer komplexeren und sensiblen Anforderungen der allmächtigen European Broadcasting Union (EBU) stets im Auge haben. Im Dezember wurden erste Details wie Bühnen- und Sounddesign sowie Informationen zum Ticketkauf präsentiert (MANNSCHAFT berichtete).
Es ist kein kleiner Auftrag – selbst ohne die geopolitischen Spannungen, die stets ihren Weg auf die Bühne dieses Wettbewerbs finden, der sich gerne unpolitisch gibt. Fans und Feinde des ESC blicken gleichermassen auf Basel und die Vorbereitungen auf den ESC 2025. Wir sprachen mit Organisator*innen und Insidern darüber, was von der dritten Austragung des ESC in der Schweiz zu erwarten ist.
Lys Assia, Céline Dion, Nemo Die Geschichte der Schweiz am ESC ist lang, glanzvoll und kompliziert. 1956 erblickte das «Gran Premio Eurovisione della Canzone Europea» in Lugano das Licht der Welt und wurde direkt von der Schweizerin Lys Assia mit dem Lied «Refrain» gewonnen. 32 Jahre vergingen bis zum nächsten Sieg: 1988 triumphierte eine damals relativ unbekannte Sängerin namens Céline Dion.
Seitdem verlief es für die Schweiz beim ESC nicht immer reibungslos: Zwischen 2004 und 2024 schaffte es der Schweizer Song nur neun Mal aus dem Halbfinale. Am 11. Mai 2024 änderte sich jedoch alles: Nemo gewann als dritter Act für die Schweiz – und zwar als erste offen nicht-binäre Person.
Melisa Kaymaz muss sich immer noch daran gewöhnen. Sie ist Präsidentin des Eurovision Club Switzerland, eines offiziellen Fanclubs mit über 300 Mitglieder aus der Schweiz. «Es fühlt sich immer noch komisch an, nicht mehr sagen zu müssen, dass unser letzter Sieg mit Céline war», sagt sie.
Die riesige Unterstützung für Nemo hat sie vor Ort beim ESC 2024 im schwedischen Malmö miterlebt: «Es war unglaublich, wie alle die Botschaft unseres Songs unterstützt und gefeiert haben.» Genau das macht den ESC für sie aus: die Momente der Zusammenkunft durch die Musik. In Basel wird sie nun selbst solche Momente schaffen müssen: Fanorganisationen wie der Eurovision Club Switzerland sind eingeladen, das Begleitprogramm des Wettbewerbs mitzugestalten.
Die wichtigsten Fragen zum ESC in Basel
Was kosten Tickets? Die Pre-Registrierung für Tickets endete am 10. Januar 2025. Nach der Auslosung der Halbfinal-Teilnehmenden am 28. Januar – dem sogenannten Semi Final Draw – beginnt der eigentliche Ticketverkauf am 29. Januar. Die Preise für die verschiedenen Shows und Kategorien liegen zwischen CHF 40.– und CHF 350.–. Interessierte ohne Registrierung haben somit ebenfalls die Chance, regulär Tickets zu erwerben, solange der Vorrat reicht.
Wie finde ich noch ein Hotelzimmer? Derzeit kosten die einzigen verfügbaren Hotelzimmer für die ESC-Woche in Basel mehrere Zehntausende von Franken, aber die Hoffnung ist noch nicht verloren. Auf Anfrage schreibt Basel Tourismus, das nötige Kontingent an Unterkünften für ESC-Offizielle (etwa 40'000 Übernachtungen verteilt über zweieinhalb Wochen) sei während der Kandidatur Basels provisorisch reserviert worden. Es kommen also noch weitere Zimmer auf den Markt, sobald mehr über die genaue Planung der ESC-Woche bekannt ist. Dazu soll es auch ein Angebot an temporären Übernachtungsmöglichkeiten geben, etwa mit einem Hotelschiff.
Wer wird die Schweiz nach Nemo vertreten? Als Gastgeberin hat sich die Schweiz bereits einen Platz im Finale neben den sogenannten «Big 5» – Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Italien und Spanien – als grösster Geldgeberin für den ESC gesichert. Das SRF sucht schon nach dem Act, der sein Land auf heimischem Boden vertreten darf. Bis zum 22. August 2024 konnten Künstler*innen, Produzierende und Songwriter ihre Lieder für den ESC einreichen, die Ergebnisse werden nun in einem mehrstufigen Selektionsprozess durch Publikum- und Fachjurys ausgewertet. Anfang 2025 soll der Schweizer Song für Basel bekannt werden.
Was kann man in der ESC-Woche ausserhalb der St.-Jakobshalle erleben? Basel sieht eine «Eurovision Street» mit Musik und Essensständen in der Steinenvorstadt und entlang des Kleinbasler Rheinbords vor wie auch einen «Eurovision Boulevard» vom Messeplatz über den Barfüsserplatz bis zur Heuwaage. In der Messehalle werden das «Eurovision Village» beheimatet sein mit Public Viewings und einem musikalischen Begleitprogramm mit kostenlosem Eintritt und Platz für 10'000 Besuchende sowie der «EuroClub», in dem während der ESC-Woche jeden Abend bis 5 Uhr morgens gefeiert wird. Er wird im Austausch mit den ESC-Fanclubs, dem Dachverband OGAE International und dem Schweizer und dem schwedischen OGAE organisiert. Eventmanager Beat Läuchli ist von der Zusammenarbeit schon beeindruckt: «Ich bin begeistert, wie gross und gut organisiert die ESC-Fanorganisationen sind!»
Wird Céline Dion auftreten? Den zweiten ESC-Sieg der Schweiz sicherte sich die 20-jährige Céline Dion 1988 mit dem Lied «Ne partez pas sans moi». Seit einigen Jahren bleibt der Weltstar dem Rampenlicht fern aufgrund von gesundheitlichen Schwierigkeiten, doch ihr Auftritt bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris gibt nun vielen ESC-Fans Hoffnung. Könnte Céline Dion im Rahmen des ESC in der St. Jakobshalle auftreten?
Die SRG will erstmal nichts zum Inhalt der drei ESC-Shows verraten. «Lassen Sie sich überraschen», schreibt ein Sprecher auf Anfrage. Auch Bakel Walden verspricht «viel Überraschendes» und gibt zu: «Ich war von Céline Dions Auftritt und der gesamten Eröffnungsshow in Paris begeistert.» Wichtig ist Fans wie Zvi Josef nur, dass es die «echte» Céline wäre. «Bloss nicht wieder diese lächerlichen Avatars wie von ABBA in Malmö!»
Eine halbe Million Menschen in Basel Das Finalrennen zwischen Basel und Genf um die Gastgeberschaft des ESC 2025 war knapp. Am Ende konnte jedoch das Basler Konzept überzeugen, das unter dem Motto «Grenzen überwinden» die gesamte Stadt einbeziehen soll. In der St. Jakobshalle werden bis zu 11 000 Zuschauende bei insgesamt neun Shows, drei davon live im Fernsehen, den ESC hautnah miterleben. Am Tag des Finales gibt es ausserdem die «Arena Plus» im St. Jakob-Park mit Auftritten von ESC-Stars und Public Viewing für 34 000 Besuchende. Im Stadtzentrum ist einiges los auf offenen Bühnen, mit Essensständen und dem «Eurovision Village» in der Messehalle mit Public Viewings für bis zu 10 000 Zuschauende. Um die erwarteten 500 000 ESC-Besuchenden zwischen den beiden Standorten zu befördern, wird das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln deutlich ausgeweitet.
Verantwortlich für die Umsetzung des Begleitprogramms ist der Eventmanager Beat Läuchli. Er hat bereits Veranstaltungen in Basel, wie die Kunstturn-EM 2021 und das «Drummeli» im Rahmen der Basler Fasnacht, verantwortet und ist nun Gesamtprojektleiter für das ESC-Programm. «Herausfordernd ist die kurze Zeit bis zum Anlass im nächsten Mai», sagt Beat. Die Vorbereitungen im Koordinationsdreieck der SRG, EBU und dem «Host-City»-Team des Kantons Basel-Stadt laufen «auf Hochtouren» und machen «unglaublich Spass», sagt er.
«Queere Gäste sollen sich willkommen und sicher fühlen.»
Beat Läuchli, Eventmanager
Beats Motto für das Rahmenprogramm ist «vielfältig, kreativ und inklusiv»: Dabei legt er einen Schwerpunkt darauf, dass sich queere Gäste als «wichtiger Teil der ESC-Community» willkommen und sicher fühlen. Geplant sind Sensibilisierungsschulungen für die 700 ESC-Volunteers und die Tourismusbranche sowie Awareness-Massnahmen auf der Strasse und an den Veranstaltungsorten. Auch Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt und Feindlichkeit wird es in Basel geben.
Auf offenen Bühnen, in Schulen und Altersheimen Darüber hinaus laden die Organisator*innen die gesamte Stadt und Region ein, den Basler ESC mitzugestalten. Musiker*innen aus Basel und dem Dreiland, also der grenznahen Region zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz, können sich für Auftritte auf den vielen offenen Bühnen während der ESC-Woche bewerben. Auch die Gastronomie kann die Stimmung etwa mit Karaoke-Partys befeuern – und womöglich dafür finanzielle Unterstützung bekommen. Wie beim ESC in Liverpool 2023 sollen die Feierlichkeiten auch in Schulen, Altersheimen und Pflegeeinrichtungen stattfinden. «Es soll ein buntes, fröhliches und grosses Fest werden für alle, die daran teilnehmen möchten», so Beat.
Die Geldfrage Die Party in Basel sollte also keine kleine sein – zumal die Kassen, die sie finanzieren, es auch nicht sind. 38,5 Millionen Franken hat der Kanton Basel-Stadt für das Budget zugelassen, das unter anderem folgende Kosten umfasst: 450'000 Franken für eine temporäre Deckenverstärkung an der St.-Jakobshalle, 8 Millionen für Sicherheit, Rettung und Cyberabwehr, 14,6 Millionen für Technik und Strom bei den Shows – und vieles mehr.
Dabei erzählt die Finanzlage bei der SRG und ihren Tochterunternehmen eine andere Geschichte. In vielen Bereichen muss gespart werden; allein das SRF kündigte im September an, 75 Vollzeitstellen abzubauen und die Redaktionen von Radio und Fernsehen zusammenzulegen. Der Anteil der SRG an den ESC-Kosten ist noch nicht bekannt – aber wie lassen sich solche Sparpläne mit einem Grossevent wie dem ESC vereinbaren?
Ein Sprecher der SRG räumt ein, dass der ESC für jedes Austragungsland eine Herausforderung darstellt – sowohl organisatorisch als auch finanziell. Aber: «Die SRG konnte seit dem letzten Schweizer ESC 1989 in Lausanne 35 Mal von einem Grossereignis profitieren und ihre Talente schicken, ohne selbst viel Geld auszugeben.» Es sei daher «solidarisch und gerecht», dass die SRG erneut Gastgeberin sei, was auch «eine Ehre und eine grosse Freude» für den Sender sei.
Die Organisator*innen sehen eine grosse Chance. «Die Steuergelder, die der Kanton Basel-Stadt für den ESC ausgibt, kommen massgeblich dem lokalen Gewerbe und der Bevölkerung zugute», sagt eine Sprecherin der Host-City Basel. Eine Studie der Universität Liverpool gibt dazu Hoffnung: Der ESC 2023 soll eine Wertschöpfung von etwa 62 Millionen Franken für die Stadt generiert haben. Weitere Beiträge zur Finanzierung des ESC werden aus Ticketverkäufen und Sponsoring-Partnerschaften kommen – etwa mit dem Pharmakonzern Novartis.
Laute Gegner*innen in der Politik Für den Grossteil der Basler Politik ist die Ausrichtung des ESC den grossen Aufwand wert: Am 11. September bewilligte der Grosse Rat den Nachtragskredit für den ESC mit 87 zu 4 Stimmen und 4 Enthaltungen. Doch es gab auch laute Gegner*innen, vor allem in der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU), die eine Volksabstimmung gegen die Bereitstellung von 38,5 Millionen Franken öffentlicher Gelder für den «woken» ESC forderten (MANNSCHAFT berichtete).
Die konservative christliche Kleinpartei behauptet, ihre Ablehnung des ESC basiere allein auf dieser Geldfrage und weist den Vorwurf zurück, ihre Kampagne sei queerfeindlich. Auf der Webseite der Referendumskampagne wird der ESC als reine «Propaganda-Veranstaltung» bezeichnet, bei der Nemo «Gender-Ideologie» verbreite und der ebenfalls nicht-binäre irische Akt Bambie Thug «Okkultismus und Satanismus» zelebriere.
Nachdem die EDU 4203 Unterschriften für ein Referendum gesammelt hatte, fand am 24. November die Abstimmung über den ESC-Kredit statt. (Das Ergebnis war zum Redaktionsschluss noch nicht bekannt, ist aber auf mannschaft.com nachzulesen.)
Ausgebuchte Hotels, überteuerte Hostels Auch viele ESC-Fans sehen sich mit der Geldfrage konfrontiert. Denn die meisten Basler Hotelzimmer sind bereits ausgebucht, und die wenigen verfügbaren sind erschreckend teuer. Ein Hotelzimmer für die gesamte Woche kostet selten weniger als zehntausende Franken; selbst ein Hostelbett in einem Schlafsaal für 16 Personen kostet in der ESC-Woche 230 Franken die Nacht. Könnten die hohen Unterkunftskosten selbst leidenschaftliche ESC-Fans davon abhalten, nach Basel zu kommen?
Lili Fröschl stört sich daran nicht. «Die Schweiz ist kein grosses Land – wer dort wohnt, muss in Basel kein Hotel buchen», sagt sie. «Ich brauche von St. Gallen nach Basel nur zwei Stunden – dann fahre ich lieber mit dem Auto nach Hause.» Einige internationale Fans, die normalerweise beim ESC dabei sind, sind allerdings noch nicht überzeugt. «Es ist buchstäblich unmöglich, für den 13. bis 18. Mai 2025 ein Hotel in der Stadt zu finden», beklagt Zvi Josef, ein Fan aus Israel. «Deshalb habe ich meine Pläne abgesagt.» Von der Möglichkeit, in einer anderen Stadt zu übernachten und nach Basel zu pendeln, hält er wenig, das habe er schon einmal bei einer Familienangelegenheit in Basel gemacht: «Das war zu kompliziert.»
Kontroversen und die gespaltene Community Zvi spricht ein weiteres Thema an, über das viele ESC-Fans Aufklärung wünschen: die dramatischen Geschehnisse beim ESC 2024 in Malmö. «Die EBU darf Hass und Mobbing nicht mehr tolerieren, wie sie es in Malmö so unverblümt getan hat», sagt er. Vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts kam es in Malmö zu Demonstrationen gegen die Teilnahme Israels, die israelische Sängerin Eden Golan erhielt Morddrohungen. Hinter den Kulissen gab es wiederholt Spannungen zwischen den Delegationen Israels und anderen Ländern; dreizehn Delegationen beschwerten sich bei der EBU über eine «unsichere Arbeitsumgebung».
Diese Spannungen waren auch in der Arena spürbar, wie Alan Tubery berichtet. Alan ist lebenslanger ESC-Fan und in der Fan-Community bekannt für seine DJ-Auftritte bei ESC-Partys und offiziellen Veranstaltungen – auch in Malmö, trotz Terrorbedrohungen und hoher Polizeipräsenz. «Ich habe mich nie in Gefahr gefühlt, aber die Situation hatte Auswirkungen auf die Publikumsgrösse, und viele Künstler*innen sagten ihre Auftritte aus Angst ab», sagt er.
Was er aber in der Arena erlebte, schockierte ihn. «Einige Leute neben uns protestierten gegen das israelische Lied, indem sie Eden während ihres Auftritts den Rücken kehrten», sagt er. Diese Protestform konnte er akzeptieren, doch dann eskalierte die Situation. «Andere in der Reihe über und neben uns buhten lautstark, und da wir nicht mitmachten, wurden wir geschubst und angeschrien. Das war erschütternd.»
Mittendrin kam es zu einem weiteren Drama: Der niederländische Vertreter Joost Klein, ein Favorit für den Sieg, wurde nur Stunden vor dem Finale disqualifiziert, weil er eine Kamerafrau gewalttätig bedroht haben soll. Die schwedische Polizei ermittelte, stellte den Fall aber schliesslich ein. In den sozialen Medien und auf Fanseiten überschlugen sich die Gerüchte zu den zwei Skandalen. Die mediale Aufmerksamkeit für den ESC wuchs, und der Umgang der EBU mit dem Chaos spaltet die Fan-Community bis heute.
Das schwierige Erbe Basel erhält nun dieses schwierige Erbe. Der Druck von den Fans ist gross, wieder etwas Ruhe herzustellen. «Nächstes Jahr muss die Musik wieder in den Mittelpunkt», so Melisa Kaymaz. «Malmö war eine Erfahrung, aus der man lernen muss, damit sich solche Vorfälle nicht wiederholen.» Nach dem ESC in Malmö beauftragte die EBU einen unabhängigen Bericht über die Geschehnisse. Darin wurden drei Bereiche für Verbesserungen ermittelt: Klarheit aus den EBU-Aufsichtsorganen, Sicherheits- und Risikomanagement und das öffentliche Engagement für die ESC-Marke.
Die EBU teilt mit, dass Arbeitsgruppen aktuell damit beschäftigt seien, Änderungen gemäss den Empfehlungen vorzunehmen. So sollen in Zukunft alle, «unabhängig von der Rolle, eine positive und sichere Erfahrung beim ESC machen können». Einige Änderungen sind bereits bekannt: In Basel wird es Rückzugsräume für die teilnehmenden Künstler*innen geben, in denen sie nicht gefilmt werden dürfen. Der britische Fernsehproduzent Martin Green wird als neuer «ESC Director» das Image des Wettbewerbs verantworten und Aufgaben des Executive Supervisors, Martin Österdahl, übernehmen. Während des Finales in Malmö wurde Österdahl mehrfach ausgebuht.
Werden solche Schritte ausreichen, um die Kontroversen aus Malmö hinter sich zu lassen? Der SRG-Sprecher zeigt sich optimistisch. «Die EBU hat die Ereignisse analysiert, Lehren daraus gezogen, Massnahmen vorgesehen. Diese werden wir gemeinsam im Dreieck Host City, SRG und EBU in Basel umsetzen.» Im Interview mit dem Sonntagsblick appellierte auch Bakel Walden, ehemaliges Mitglied der SRG-Geschäftsleitung und Chef des ESC-Aufsichtsrats, an die Teilnehmenden und Fans: «Wir können während des ESC die vielen Kriege und Konflikte auf der Welt nicht lösen. Aber es ist ein starkes Statement, wenn wir fair, friedlich und respektvoll miteinander umgehen.» Der Beweis, ob dies tatsächlich gelingt, wird erst in der ESC-Woche selbst zu sehen sein.
Melisa Kaymaz setzt ihre Hoffnung für die Zukunft des ESC nicht in die EBU, sondern in die neue Generation von Fans: «Die Fans sind und werden immer hier sein – trotz Erfahrungen wie in Malmö.» Sie spürt einen Wertewandel bei den überwiegend jungen Menschen, die jetzt an der Spitze der Fanclubs stehen. «Diese Leute sind sehr offen und fordern mehr Diversität und Inklusivität.» Ihre grösste Hoffnung für diesen Heimat-ESC ist, dass die Werte, die Nemo in «The Code» besungen hat, die Menschen durch die Musik in Basel zusammenbringen.
Text: Elizabeth Rushton
Der Countdown läuft:
Die Timeline bis zum ESC in Basel
1
Samstag, 25. Januar
Luxembourg wählt beim Luxembourg Song Contest seinen zweiten ESC-Akt seit der Rückkehr zum ESC nach 31 Jahren im Jahr 2024.
2
Ende Januar 2025
Stabsübergabe und Auslosung der Halbfinals. Als symbolische Übergabe entwirft jede Host-City einen Schlüsselanhänger für den ESC-Schlüsselbund, der der nächsten gastgebenden Stadt übergeben wird. Danach folgt die Verteilung der teilnehmenden Länder über die zwei Halbfinals, die zuletzt immer live übertragen wurde.
3
Samstag, 1. Februar
Mit dem Finale des spanischen Benidorm Fest könnte der erste Akt der «Big 5»-Länder feststehen. Auch Slowenien wählt an diesem Abend seinen Song mit dem Vorentscheid EMA.
4
Samstag, 8. Februar
Noch ein Wochenende mit zwei Vorentscheiden: An diesem Tag findet das finnische Uuden Musiikin Kilpailu sowie das Finale des Malta Eurovision Song Contest statt.
5
Samstag, 15. Februar
Heute haben ESC-Fans die Wahl zwischen drei Vorentscheiden mit dem estnischen Eesti Laul, dem litauischen Eurovizija.LT und dem Finale des italienischen Sanremo-Festivals.
6
Samstag, 22. Februar
Das kleinste teilnehmende Land wählt seinen ESC-Akt im Finale des Vorentscheids Una Voce per San Marino.
7
März 2025
Head of Delegations Meeting. Die Leiter*innen der Delegationen aus allen teilnehmenden Ländern werden zu Besuch in Basel sein und schauen sich die St. Jakobshalle an. Ein wichtiger Moment, denn damit fällt die Frist, bis zu der die Länder der EBU Angaben zu ihrem ausgewählten Lied machen müssen.
8
Samstag, 1. März
Mit Stefan Raab wieder an der Spitze sucht Deutschland seinen ESC-Act und ein Ende seines miserablen ESC-Glücks mit dem neuen Format «Chefsache ESC 2025 – Wer singt für Deutschland?». Zwei weitere teilnehmende Künstler*innen werden auch bekannt beim dänischen Melodi Grand Prix und dem serbischen Pesma za Evroviziju.
9
Samstag, 8. März
Nach fünf Halbfinals findet das Finale des wohl grössten ESC-Vorentscheids statt – des schwedischen Melodifestivalen.
10
Sonntag, 11. Mai
Am Sonntagabend vor der Show-Woche findet auf dem Messeplatz in Basel die Eröffnungsfeier des ESC statt. Die Artists stellen sich Fans und Medien auf dem «Turquoise Carpet» vor und werden bei einem Empfang durch den Kanton Basel-Stadt, die SRG und geladene Gäste begrüsst.
11
Dienstag, 13. Mai
Um 21 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit beginnt das erste Halbfinale.
12
Donnerstag, 15. Mai
Nach dem zweiten Halbfinale wird die Aufstellung für das grosse Finale feststehen.
13
Samstag, 17. Mai
Das Finale des Eurovision Song Contest wird live aus Basel zu einem Fernsehpublikum von Hunderten Millionen Zuschauenden ausgestrahlt. Nemos Nachfolger*in wird ausgewählt – und dann geht alles wieder von vorne los . . .
Entdecke weitere Beiträge in unserem Online-Magazin:
Nr. 119
Winter 2024/25
+ Comedian Nico Stank über Zweifel ++ Heiraten ohne Klischeefalle ++ Gayming ++ Detransition ++ und vieles mehr ++
Übersicht
Alle MANNSCHAFT-Ausgaben auf einen Blick!
Das ist die digitale Ausgabe von MANNSCHAFT Magazin: Lies jetzt online alle Inhalte der aktuellsten Ausgabe oder stöbere in vergangenen Ausgaben nach Storys, Hintergrundreportagen, Interviews und noch vielem mehr!
Unterstütze LGBTIQ-Journalismus
Unsere Inhalte sind für dich gemacht, aber wir sind auf deinen Support angewiesen. Mit einem Abo erhältst du Zugang zu allen Artikeln – und hilfst uns dabei, weiterhin unabhängige Berichterstattung zu liefern. Werde jetzt Teil der MANNSCHAFT!
Das könnte dich auch interessieren
Unterhaltung
Wie queer ist ... Hugh Grant?
Lange galt er als Frauenheld. Dabei machte ihn eine schwule Rolle erst berühmt. Bei der einen blieb es nicht und auch sonst hat der Brite so manches queerfreundliche Zeichen gesetzt.
Von Michael Freckmann
Serie
Kultur
Liebe
Film
Schweiz
Gear-Szene: «Leute in der Schweiz sind bei Neuem vorsichtig»
Warum es bei der Alpha Gear Society um weit mehr als nur Fetische geht und weshalb die Location ausgerechnet in Biberist ist, erklären die Gründer Dennis alias MXgearbiker und Fabio alias Exo der MANNSCHAFT.
Von Greg Zwygart
Schwul
Politik
Zürich soll inklusivere Verkehrsschilder erhalten
Die Stadt soll die Vielfalt der Bevölkerung im Strassenverkehr besser abbilden und die LGBTIQ-Helpline finanziell unterstützen. Am 15. Januar stimmte der Gemeinderat beiden Forderungen zu und überwies sie zur Prüfung an den Stadtrat.
Von Newsdesk Staff
Schweiz