«Shwule Grüsse vom Balkan» (13) – Konversion auf Kroatisch

Was tun gegen Aleksandars «sexuelle Verirrung»?

Bild: iStockphoto
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Neues von Aleksandar aus unserer Kolumne «Shwule Grüsse vom Balkan»: Seine Eltern haben etwas Geld gewonnen. Aleks Mutter lädt ihn damit auf einen «Wohlfühlurlaub» in Kroatien ein. Doch er wittert etwas ganz anderes.

Was bisher geschah …

«Hallo Sine (serbisch für Sohn), wie geht’s? Hast du deine Mutter komplett vergessen?», schilpt es aus Aleks’ Smartphone. Mutter Bogdana hat die Freisprechanlage angeworfen, während sie im neuen SUV die Funklöcher des Zürcher Oberlands umschifft. «Wo zum Teufel bist du, Mutter? Ich höre dich ganz schlecht?», mault Aleks genervt in sein Handy.

Funkstille.

«Was hast du gefragt? Fahre gerade zu einer Freundin», knarzt es weiter aus dem Hörer. «Nicht so wichtig. Was willst du?», antwortet Aleks barsch. «Ich wollte dich fragen, wann wir unseren Kurzurlaub in Kroatien angehen», ziept Bogdana weiter. Dieses Mal wegen der Vorfreude, nicht wegen des Funklochs.

Denkstille.

Aleks ahnt, was sie vorhat: Sie will ihn bestimmt einer Konversionstherapie in Kroatien unterziehen. Sie hat ihm in einer Illustrierten schon einmal eine Anzeige eines kroatischen Psychiaters vorgelegt, der sich darauf spezialisiert hat, die «verirrte männliche Identität» zu stärken, damit sie ihr volles Potenzial irgendwann mal im «weiblichen Schoss» entfalten kann.

«Willst du mich therapieren?«, schiesst es aus ihm zornig heraus. «Aber nein, Sine. Ich will doch nur wissen, ob die Ärzte einen Rat haben, wie wir deine «Phase» wieder auf Kurs bringen können.»

Totenstille.

In Aleks dampft es: Seit er sechs Jahre alt ist, fühlt er sich von seinen Geschlechtsgenossen angezogen. Seit er zehn ist, träumt er davon, den hübschen Jungen in seiner Klasse mal küssen zu dürfen. Und seit seinem zwölften Lebensjahr belagern ihn wilde Träume, die sich allesamt in der Dusche nach dem Sportunterricht abspielen. Nun soll er als Mittzwanziger seine «Phase» der letzten zwei Jahrzehnte überwinden, weil seine Mutter angeblich übermächtig und sein Vater zu zurückhaltend in der Vergangenheit waren? Weil er zu wenige Umarmungen vom Vater bekommen hatte und diese nachträglich von anderen Männern ersehnt? Oder weil er sich noch nicht vollends entwickelt hat, wie der heilbringende Psychiater aus einer kroatischen Klinik behauptet.

«Du willst mich also wirklich in Kroatien umpolen lassen?», fährt Aleks seine Mutter an. «Ich will nur, dass du dir keine unnötigen Qualen auferlegst, die ein solcher Lebensstil mit sich bringt», knackt es trocken zwischen zwei Luftlöchern durch die Smartphone-Muschel. «Und die wären?», will Aleks aufgebracht wissen. «Na, die Einsamkeit im Alter: Ohne Nachkommen wirst du alleine und einsam sterben. Oder all die Geschlechtskrankheiten und das Aids, das du dir einfangen kannst.»

Aleks ist geschockt. Sein Herz durchbricht vor lauter Schlagen beinahe seinen Kehlkopf. Er zweifelt: ‹Ist es wirklich nur eine Phase? Hat mich mein Vater zu wenig beachtet, geliebt und umarmt? Will ich wirklich alleine und einsam sterben – ganz ohne Nachkommen, die sich um mich sorgen?›

Studierte Professoren und Psychiater, die über einen riesigen Erfahrungsschatz in der Behandlung der sexuellen Verirrung verfügen

«Was ist nun? Ist ja nur, weil ich das Beste für dich will», versucht ihn seine Mutter zu beeinflussen. «Ok, ich mache es – dir zuliebe. Aber nur, wenn ich alles abbrechen kann, wenn es mir völlig widerstrebt.» «Ja, klar – ich will dich zu nichts zwingen», beruhigt ihn Bogdana, «zudem sind da Spezialisten am Werk – alles studierte Professoren und Psychiater, die über einen riesigen Erfahrungsschatz in der Behandlung der sexuellen Verirrung verfügen und genau wissen, was du brauchst und was dir guttut. Vor Ort sind auch ehemalige Shwule anwesend, die darüber berichten, wie sie es geschafft haben, den richtigen Pfad einzuschlagen.»

Obwohl ihn der letzte Satz zutiefst aufregt, lässt sich Aleks auf das Abenteuer der kroatischen Konversionstherapie ein und reist dafür mit seiner Mutter ans Mittelmeer – zum einen, um seiner Mutter einen Gefallen zu tun und ihr ihren Kummer wegen seines Shwulseins zu verringern. Zum anderen auch, um sich sicher darüber zu sein, wer er wirklich ist und was er fühlt: Ist ihm vielleicht die Traumfrau wirklich noch nicht über den Weg gelaufen? Fehlt ihm das letzte Quäntchen Männlichkeit, das er wegen eines Kindheitstraumas vermisst?

*Wir schreiben in dieser Kolumne «shwul» statt «schwul», um den Balkan-­Slang wiederzugeben. Weitere Hintergründe zur Kolumne «Shwule Grüsse aus dem Balkan» erfährst du im Interview mit dem Autor Predag Jurisic

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