Shitstorm: Reaktionen auf Rapper DaBabys homophoben AIDS-Kommentar
Über die toxische Männlichkeit und Schwulenfeindlichkeit im Hiphop wurde schon viel geschrieben. Jetzt hat der Musiker DaBaby die Diskussion neu entfacht
Die Musikbranche ist gerade in heller Aufregung wegen Rapper DaBaby, bekannt aus dem Chart-Stürmer «Levitating». Bei einem Konzert stempelte er HIV/AIDS als «schwule Krankheit» ab, an der man «nach zwei oder drei Wochen» sterben könne.
Der 29-Jährige aus Charlotte, North Carolina, war bei den Grammys letztes Jahr in den Kategorien «Best Rap Performance» und «Best Rap Song» nominiert und schwimmt gerade auf einer Erfolgswelle. U. a., weil er beim Remix des Liedes «Levitating» der britischen Sängerin Dua Lipa dabei ist, das in den Charts 2021 ganz nach oben geklettert ist.
Natürlich wird DaBaby als neuer Star zu grossen Konzertveranstaltungen eingeladen, so auch letzten Sonntag, als er beim Rolling Loud Festival in Miami auftrat. Dort forderte er die Fans auf – während er mit nacktem Oberkörper und roter Baseball-Kappe auf der Bühne rumlief und von vielen Festivalteilnehmer*innen gefilmt wurde –, dass sie ihr Licht am Smartphone in die Luft halten sollten. Aber nur «Mädels», deren «Vagina nach Wasser duftet», sollten ihm ihre Handylichter zeigen, und Männer, die «keine Schwänze auf dem Parkplatz» gelutscht haben.
Davor sagte er: «Wenn ihr heute nicht mit HIV, AIDS oder einer anderen dieser tödlichen, sexuell übertragbaren Krankheiten, an denen ihr in zwei oder drei Wochen sterben könnt, hergekommen seid, dann hebt euer Licht am Smartphone in die Luft!»
Stigma und Ignoranz Nachdem jemand am folgenden Tag ein Video dieser Äusserungen ins Netz gestellt hatte, brach nach und nach eine Online-Diskussion los, die dazu führte, dass immer mehr Stars sich von DaBaby distanzierten. Allen voran Dua Lipa, die mit ihm den Nummer-1-Hit «Levitating» released hatte. Sie erklärte auf Instagram: «Die Kommentare von DaBaby überraschen und entsetzen mich. Ich erkenne in diesen nicht die Person, mit der ich zusammengearbeitet habe. Ich weiss, dass meine Fans wissen, wie sehr mein Herz an ihnen hängt und dass ich zu 100 Prozent hinter der LGBTQ-Community stehe. Wir müssen zusammen daran [arbeiten], damit das Stigma und die Ignoranz rund um HIV/AIDS bekämpft wird.»
Nach diesem Post entfolgte sie dem Rapper, was Schlagzeilen in verschiedenen Musikmedien machte, so berichtete etwa bigFM in Deutschland darüber. Auch Demi Lovato gehört zu den Musikerinnen, die ein Statement veröffentlichten und klarmachten, dass HIV/AIDS keine «schwule Krankheit» sei. Sie fügte US-Statistiken hinzu und hofft, das «Stigma rund um HIV/AIDS zerstören» zu können.
In einem Kommentar für die Zeitschrift Teen Vogue überlegt Danielle Kwateng, was diesen «giftigen» Ausfall ausgelöst haben könnte, der genau eine Woche nach Lil Nas Xs Video «Industry Baby» kommt, in dem es um schwule Männer im fiktionalen Montero State Prison geht und in dem man die Männer nackt unter der Dusche sieht (MANNSCHAFT berichtete über Lil Nas X als Geschenk des Himmels an die LGBTIQ-Community). Ist DaBabys Äusserung eine homophobe Antwort auf ein Homosexualität offen darstellendes und zelebrierendes Rap-Video?
Hashtag #equality Während DaBaby seinen Konkurrenten Lil Nas X nicht namentlich erwähnt, tut das der Rapper T.I. in seiner Verteidigung von DaBaby sehr wohl. Er meint, wenn Lil Nas X «in Frieden seinen Shit herumkicken» könne, dann sollte DaBaby das auch tun dürfen und genauso «unmissverständlich» in seinen Auftritten sein. T.I. garnierte seinen Post mit dem Hashtag #equality, was offene Homosexualität und offene Homophobie gleichberechtigt nebeneinander zu stellen versucht.
Bei Kwateng heisst es dazu im Kommentar: «Jedes Mal, wenn Lil Nas X ein neues Video oder Visuals veröffentlicht, muss er sich die nächste Woche gegen Homophobe verteidigen. Queer Music ist kein neues Phänomen, aber sie ist immer noch weitgehend tabu und missverstanden im Hiphop. In einem Genre, das oft genug von Männern dominiert wird, die eine ‹streetwise hypermasculinity› zur Schau stellen und die Schwule als unwillkommene Anomalität betrachten.» (MANNSCHAFT berichtete über die Homophobie der Hiphop-Szene.)
Laut Teen Vogue werde das Homophobieproblem in der Hiphop-Welt immer «stumpfer», wodurch immer mehr Künstler sich an ihre Schwulenfeindlichkeit festklammerten, um die Pose ihrer eigenen Maskulinität aufrechterhalten zu können. Lil Nas X versuche, laut Kwateng, das zu durchbrechen und Queerness als Identität zu normalisieren, sich nicht dafür zu entschuldigen, wer man ist, und Hörer*innen aufzufordern, ihm nachzufolgen.
Welche Schule hat DaBaby eigentlich besucht? DaBaby folgt ihm offenbar nicht nach. Sondern demonstriert auch noch eine unglaubliche Bildungslücke was sexuell übertragbare Krankheiten angeht. Teen Vogue fragt, welches Schulsystem DaBaby eigentlich besucht habe, um solchen Unfug über HIV und AIDS zu verbreiten. «Es ist peinlich», so Kwateng.
Neben vielen anderen Musiker*innen reagierte auch Elton John, der mit seiner Stiftung seit Jahrzehnten gegen AIDS kämpft. Er schrieb auf Twitter: «Man kann mit HIV ein langes und gesundes Leben führen. Leute, die homophob sind und HIV nicht trauen, haben keinen Platz in unserer Gesellschaft und in der Musikindustrie; als Musiker*innen müssen wir Mitgefühl verbreiten und Liebe für diejenigen, die am stärksten in unserer Community marginalisiert sind. Es ist der Job von Musiker*innen, Menschen zusammenzubringen.»
Seither hat DaBaby sich – irgendwie – entschuldigt. Sein Statement auf Twitter lässt sich kaum adäquat übersetzen. Im Original heisst es: «Anybody who done ever been effected [sic] by AIDS/HIV y’all got the right to be upset, what I said was insensitive even though I have no intentions on offending anybody. So my apologies. But the LGBT community… I ain’t trippin on y’all, do you. Y’all business is y’all business.» Demnach habe jeder, der je mit AIDS und HIV in Kontakt gekommen sei, das Recht sich zu erregen über DaBabys wenig einfühlsame Worte. Er habe niemanden vor den Kopf stossen wollen. Aber mit der LGBT-Community wolle er nichts zu tun habe; was diese tue, sei ihre Sache, nicht seine.
Kultur schwarzer Rapper verstehen? DaBaby ergänzte, dass «alle Marken, Networks und Künstler[*innen]», die «Profit auf dem Rücken eines schwarzen Rappers» machen wollten, um eine Kultur zu beeinflussen, die sie «nicht verstehen» oder mit der sie sich nicht wirklich auseinanderzusetzen wollten, ihr Geld künftig behalten sollten. DaBaby schliesst mit den Worten: «Us ‹NIGGAS› human too.»
Am Ende des Tweets weist DaBaby auf anstehende Konzerte in Texas hin. Ob diese stattfinden werden, nachdem der Rapper von so vielen prominenten Kolleg*innen gecancelt wurde, bleibt abzuwarten. Ebenso darf man gespannt sein, wie eingeschworene Fans reagieren werden. Kwateng schreibt: «Cancellation bedeutet fast nie eine vollständige Ausradierung aus der Popkultur.» (MANNSCHAFT berichtete über das Phänomen Cancel Culture.) Aber DaBaby habe für Kwateng eine Sache klargemacht: «Alles, wofür er steht, erinnert uns daran, dass wir als Gesellschaft noch nicht sehr weit gekommen sind und weitergehen müssen.»
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