Wenn Eltern auf das Pronomen für ihr Baby verzichten

Namen wie Luca und Vic sind beliebt

Bild: iStockphoto
Lesbisches Paar mit Kindern (Foto: Istockphoto) (Bild: Istockphoto)

In der Schweiz verzichten immer mehr Eltern auf Pronomen und die geschlechtliche Festlegung für ihre Babys. Ein neuer Trend? Wir haben in Deutschland und Österreich nachgefragt.

Schweizer Hebammen beobachten zunehmend, dass Eltern von Neugeborenen kein Pronomen oder eine Geschlechtsnennung für ihr Kind verkünden. Und hierbei geht es nicht nur um Fälle, bei denen die Babys keine eindeutig identifizierbaren Geschlechtsmerkmale haben. Sondern diesen Trend sehen Geburtshelferinnen in der Schweiz nun auch gehäuft bei Eltern, deren Kinder biologisch trotzdem zu einem Geschlecht zuordbar sind. So etwa beschrieb es kürzlich die Chefin des Gebursthauses in Winterthur, Lisa Bammatter, gegenüber Nau.ch.

Es ginge den Eltern bei denen sie es erlebt habe darum, ihren Kindern später selbst die Entscheidung zu überlassen, welches Geschlecht sie wählen wollten. Ein anderes Elternpaar wollte ihr Kind bewusst geschlechtsneutral erziehen, so Barmatter. Zu Pronomen und Geschlechtsbezeichnung kommt auch noch ein anderer Aspekt. Immer mehr Eltern geben ihren Kindern Namen, die geschlechtsneutral sind. Dazu zählen etwa Luca, Andrea oder Kim.

Zwar muss in der Schweiz trotzdem in die Geburtsurkunde direkt nach der Geburt ein Geschlecht eingetragen werden, wobei Eltern von Kindern mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen dafür drei Monate Zeit. Doch immer mehr Eltern schaffen offenbar für sich jenseits dieser rechtlichen Lage eine eigene Lebensrealität. Wenngleich diese Entwicklung bisher in der Schweiz allerdings noch nicht sehr weit verbreitet ist, wie Nau.ch berichtet. So hätten etwa mehrere angefragte Geburtskliniken erklärt, dass dies bei ihnen bisher kaum, oder noch gar nicht vorgekommen sei.

Symbolfoto: Alexander Grey / Unsplash
Mehrere Frauen mit Kind (Foto: Alexander Grey / Unsplash)

Doch wie sieht die Situation in den deutschsprachigen Nachbarländern aus? Während in der Schweiz Eltern nach wie vor in offizielle Dokumente entweder männlich oder weiblich eintragen müssen - eine Situation, die auch Nemo schon häufiger kritisierte (MANNSCHAFT berichtete) - ist die Lage in Deutschland anders. Dort gibt es im Personenstandsrecht immerhin die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag «divers» zu wählen - zusätzlich zu den bestehenden Kategorien «männlich» und «weiblich» (MANNSCHAFT berichtete).

Viel Aufschluss über diese Entwicklung gibt die Statistik jedoch nicht unbedingt. Denn laut Statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2023 in Deutschland zwar 692'989 Geburten, wovon 7 Personen den Geschlechtseintrag «divers», oder keinen Eintrag gewählt haben. Dies jedoch sagt nichts darüber aus, wie viele Eltern in Deutschland in ihrer Erziehung gegenüber ihren Kindern darauf achten, sehr geschlechtssensibel zu sein, oder gar vorerst, oder dauerhaft, auf ein Pronomen verzichten.

In Österreich gibt es sogar noch mehr Optionen. Dort können Eltern neben «männlich», «weiblich», und «diver» auch noch «inter», «offen» oder gar keinen Eintrag wählen. Doch auch hier gilt: Der Eintrag in der Geburtsurkunde beschreibt nicht den Lebensalltag der Familien. Wie viele Eltern sich dafür entscheiden, ihre Kinder geschlechtsneutral zu erziehen, beziehungsweise die Entscheidung den Kindern später selbst zu überlassen, geht daraus nicht hervor.

Regenbogenfamilie
Regenbogenfamilie (Bild: MDR / Anna Wulffert)

Eine Entwicklung, wie sie in der Schweiz zu beobachten ist, dass Eltern ihre Kinder auch unabhängig von biologischen Merkmalen geschlechtsneutral erziehen, scheint in Deutschland und Österreich bisher bei den dafür zuständigen Stellen und Verbänden nicht besonders auf dem Schirm zu sein. Der Deutsche Hebammenverband konnte aus Überlastungsgründen keine Antwort darauf geben. Der Deutsche Frauenrat hat ebenfalls keine Informationen dazu.

Die Gesellschaft für Deutsche Sprache, die regelmässig die beliebtesten Vornamen bei Neugeborenen in Deutschland auflistet, konnte uns auf Anfrage zu der Beliebtheit geschlechtsneutraler Namen nichts sagen.

Wer Anregung für das eigene Kind sucht, findet dafür eine Liste mit genderneutralen Vornamen wie Lou und Vic, die kürzlich von Pampers vorgelegt wurde – dem Windelhersteller.

Auch in Österreich scheint man nicht weiter zu sein. Der dortige Hebammenverband hat trotz mehrfacher Rückfragen von MANNSCHAFT ebenfalls keine Reaktion gezeigt.

Dass diese Stellen darüber keine Auskunft geben können, heisst jedoch längst nicht, dass es diesen Trend in Deutschland oder Österreich nicht gibt. Es scheint sich hier um ein Phänomen zu handeln, dass entweder bisher nicht als besonders relevant angesehen wird, oder um eines, zu dem einfach keinerlei aufbereitete Zahlen vorliegen.

Eine genauere Analyse der Situation durch die zuständigen Verbände würde sich aber sicherlich lohnen und noch mehr Eltern dazu ermutigen, diesen Schritt zu gehen.

Wie es scheint, ist die besonders bei Queers beliebte Bernice Frankel – besser bekannt als Bea Arthur aus den «Golden Girls» – das neueste Opfer des Kampfes der Trump-Administration gegen «Diversity, Equity and Inclusion» (MANNSCHAFT berichtete).

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare