«Schauen ohne Angst»: MoMA ehrt Künstler Wolfgang Tillmans
Auch Fotos aus dem queeren Berliner Nachtleben werden in New York gezeigt
Wolfgang Tillmans gehört zu den bedeutendsten deutschen Künstler*innen, gewann 2000 den Turner-Preis. Jetzt ehrt das New Yorker MoMA den Fotografen mit einer grossen Ausstellung – voller «Bilder, die beschreiben, wie es sich anfühlt, heute zu leben».
Von Christina Horsten, dpa
Über dem Feuerlöscher, neben dem Notausgang, ein Unkraut in Übergrösse, ein Regenbogen in Postkartenformat: Auf den ersten Blick mag die Installation der Werke von Wolfgang Tillmans im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) willkürlich wirken, aber dahinter steckt jahrelange Arbeit und eine ganz eigene minuziöse Ordnung.
Am Montag eröffnet «Wolfgang Tillmans: To look without fear», Tillmans‘ erste Museumsschau in New York und eine der grössten Ausstellungen eines deutschen Künstlers der vergangenen Jahre in der Millionenmetropole. (MANNSCHAFT berichtete über den anderen bekannten LGBTIQ-Fotografen Florian Hetz und seinen Bilder queerer Körper.)
«Das Ganze hat nach sieben Jahren der Vorbereitung 16 Tage und Nächte hier vor Ort gebraucht, in denen wirklich jeder Quadratmeter Wandfläche mehrfach Aufmerksamkeit wollte», sagt Tillmans.
16 Tage und Nächte, die Tillmans mit nur wenigen Assistent*innen fast durchgehend auf der sechsten Etage des MoMA verbrachte, die ihm das weltberühmte Museum mitten in Manhattan komplett zur Verfügung stellte, um jedes der rund 350 Ausstellungsstücke an seinen Platz zu bringen.
«Das ist einerseits natürlich sehr anstrengend, aber andererseits war es auch ganz toll, nachts alleine hier sein zu können», sagt der 1968 in Remscheid geborene Fotograf. «Das ist wie eine Performance ohne Publikum – und die Aufmerksamkeit, die jedes Stück bekommen hat, die spürt man hoffentlich hinterher.»
Tillmans habe schon seit Beginn seiner Karriere «die vorherrschenden Konventionen der fotografischen Präsentation revolutioniert», heisst es vom MoMA.
Faszination für Astronomie und Mineralien Die Werke sind trotz aller Konventionsrevolution chronologisch gehängt: Von den Anfängen, als Tillmans unter anderem das Nachtleben in Berlin und London porträtierte, über Aufnahmen von Prominenten wie dem Model Kate Moss und seine Beschäftigung mit der Darstellung von Kriegen bis hin zu seiner Faszination für Astronomie und Mineralien und seine abstrakten und manchmal fast schon skulpturalen Arbeiten mit Fotopapier.
«Was mich bewegt hat, ist Bilder zu machen, die beschreiben, wie es sich anfühlt, heute zu leben», sagt Tillmans, der zu den bedeutendsten deutschen Künstler*innen gehört und unter anderem schon mit dem Turner-Preis, dem Bundesverdienstkreuz und dem Goslarer Kaiserring ausgezeichnet worden ist. «Und ich habe Ende der 80er-Jahre bemerkt, dass ich diese Bilder nicht malen brauche.»
Dazu läuft im MoMA Musik: Tillmans 2021 veröffentlichtes erstes Album «Moon in Earthlight». «Die Musik war mit der Astronomie meine erste Leidenschaft und sie ist es mein Leben lang geblieben.»
«Wert und Wichtigkeit» Mit der Ausstellung wolle er die Besucher*innen ermutigen, ihre «Augen frei zu benutzen», sagt Tillmans. «Die Perspektive zu wechseln, Dinge von verschiedenen Wertungsskalen zu betrachten.» Das grösste Bild müsse nicht immer das Wichtigste sein, der bzw. die Besucher*in solle «Wert und Wichtigkeit» selbst zuordnen.
Technik und Papier haben Tillmans schon immer fasziniert, gleichzeitig hatten manche seiner Aufnahmen eine Art Smartphone-Ästhetik, noch bevor diese entwickelt wurde. Auch er benutze inzwischen hin und wieder ein Smartphone, sagt der Fotograf.
Mobiltelefon-Fotos «Es gibt auch ein, zwei Mobiltelefon-Fotos in der Ausstellung. Für mich gibt es keine schlechte Kamera. Man muss nur wissen, was die tun kann für einen. Aber ich hätte es mir natürlich vor 35 Jahren nicht denken können, dass dieses Medium mal so im Zentrum von allem täglichen Leben steht. Und dass dieses Werk, das am Ende hier steht, das alles so überstanden hat, freut mich.»
Die Ausstellung im MoMA sei für ihn eine grosse Ehre, sagt Tillmans, der in den 90er-Jahren zeitweise in New York gelebt habt. «Das ist etwas, was man vielleicht als Künstler hoffen kann, aber niemals erwarten kann oder fordern kann. Insofern bin ich bescheiden dankbar.»
Bis zum 1. Januar 2023 soll die Schau in New York zu sehen sein, danach in Toronto und San Francisco.
Tillmans will im Oktober noch das 75. Jubiläum des Institute of Contemporary Arts in London feiern, wo er im Vorstand sitzt – und sich dann erstmal eine einjährige Auszeit nehmen. «Das habe ich zuletzt 2014 gemacht und das ist auch nicht als Leerstelle im Lebenslauf zu sehen. Ich werde sicherlich auch einige Dinge tun, aber ich will einfach das Gefühl haben, richtungslos zu forschen.»
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