Regisseur von «Squid Game»: «Es gibt kaum geoutete Schauspielende»
Am 26. Dezember startet die zweite Staffel von «Squid Game». Die Entscheidung des Regisseurs, einen heterosexuellen cis Mann eine trans Frau spielen zu lassen, sorgte im Vorfeld für Diskussionen.
Eigentlich sind es harmlose Kinderspiele – doch am Ende wartet für die meisten Teilnehmenden der Tod. «Squid Game» ist ein weltweiter Serienhit. Die neuen Folgen sind jetzt noch dramatischer. Über drei Jahre nachdem die südkoreanische Thriller-Serie zu einem weltweiten Phänomen und zur erfolgreichsten Netflix-Produktion geworden ist, geht es nun endlich weiter. Die sieben Folgen der zweiten Staffel sind jetzt abrufbar – und sie sind wenig besinnlich.
«Jede Serie hat ihren eigenen lokalen und kulturellen Code. Aber obwohl ‹Squid Game› eine nicht-englischsprachige Serie ist, ist es eine Geschichte, mit der man sich identifizieren kann – unabhängig von der Sprache, Kultur, Religion oder Ethnie», sagt Serienschöpfer und Regisseur Hwang Dong-hyuk (53) der Deutschen Presse-Agentur. «Auch die visuelle Darstellung ist international ansprechend. Ich glaube, das sind die Hauptgründe für den weltweiten Erfolg.»
Im Vorfeld für Diskussionen sorgte jedoch Hwangs Entscheidung, die Rolle der trans Frau Hyun-ju mit Park Sung-hoon zu besetzen, einem heterosexuellen cis Mann. «Im Jahr 2024 sollte es doch kein Problem mehr sein, trans Personen als Schauspieler*innen zu engagieren», schreibt ein User auf dem Onlineforum Reddit.
«Ich habe von Anfang an damit gerechnet, dass solche Diskussionen entstehen würden, sobald ich begann, die Figur zu entwickeln. Ich habe über eine authentische Besetzung mit einer trans Schauspielerin nachgedacht», sagte Hwang gegenüber TV Guide. «Als wir in Korea recherchierten, stellten wir fest, dass es dort so gut wie keine Schauspielende gibt, die offen trans sind, geschweige denn offen schwul.» Leider sei die LGBTIQ-Community in der koreanischen Gesellschaft immer noch marginalisiert. Das sei «herzzerreissend».
Zur Besetzung von Park sagte Hwang: «Ich verfolge seine Arbeit seit seinem Debüt und hatte vollstes Vertrauen, dass er in Bezug auf sein Talent die richtige Person sein würde, um diese Figur darzustellen.»
Deutlich diverser war die Besetzung in «Squid Game: The Challenge», ein Reality-Spin-off, der 2023 veröffentlicht wurde (MANNSCHAFT berichtete).
In Südkorea werden gleichgeschlechtliche Ehen nicht anerkannt. Die Behörden haben im Jahr 2024 zum zweiten Mal in Folge eine Pride-Veranstaltung verboten, obwohl gleichgeschlechtliche Beziehungen ausserhalb des Militärs legal sind. Es gibt aber auch Fortschritte: 2023 urteilte das Oberste Gericht in Seoul im Sinne eines schwulen Paares, das auf die gleichen Versicherungsleistungen wie heterosexuelle Paaren bestand (MANNSCHAFT berichtete).
Die Serie als blutige Gesellschaftskritik Optisch geht es in der zweiten Staffel von«Squid Game» ähnlich weiter wie in der ersten: Quietschbunte und computerspielähnliche Locations, Masken und Anzüge, die an Halloween und zum Karneval bestens zu vermarkten sind und kultige Sequenzen, die in sozialen Medien wie Tiktok geteilt werden können.
Doch worum geht es? 456 Menschen mit zum Teil astronomisch hohen Schulden werden alljährlich von einer mysteriösen Organisation auf eine unbekannte Insel vor Seoul verschleppt. Dort müssen sie an mehreren koreanischen Kinderspielen teilnehmen. Wer sie alle besteht, gewinnt den Jackpot von 45,6 Milliarden Won (umgerechnet aktuell rund 30 Millionen Euro oder 28 Millionen Franken).
Doch wer verliert, wird «disqualifiziert» – so nennen es zumindest die Macher der Spiele. Die Teilnehmenden werden vor den Augen der Anderen erschossen. Durch jede tote Person erhöht sich die Gewinnsumme.
«Die Gewalt, die wir in ‹Squid Game› zeigen, wenn Mitspielende ausscheiden, ist nicht bloss dafür da, um Gewalt zu zeigen», erklärt Hwang, der 2022 für eine Episode der ersten Staffel mit einem Emmy ausgezeichnet wurde. Es sei eine Allegorie dafür, wie ein kapitalistisches System mit seinen Verlierern umgehe. «Das Sozialsystem schaut einfach untätig zu und wartet auf den langsamen und schmerzhaften Tod derjenigen, die bei diesem grenzenlosen Wettkampf auf der Strecke bleiben.»
Die blutige Gesellschaftskritik, wie sie auch 2019 die südkoreanische Oscar-Sensation «Parasite» formulierte, geht in ihrer zweiten Runde einen Schritt weiter. Die Mitspielenden dürfen diesmal nach jeder Runde abstimmen, ob sie weitermachen oder sich den bisherigen Gewinn teilen und die Insel lebend verlassen wollen. Doch wie frei ist so eine Entscheidung für Menschen, die finanziell und sozial am Abgrund stehen?
Seong Gi-hun, der als Spieler 456 das «Squid Game» der ersten Staffel gewann, lässt jedenfalls nichts unversucht, seine Mitstreiter*innen zum Aufhören zu überreden. Er hat sich drei Jahre nach seinem Sieg erneut auf die Insel verschleppen lassen, um dem Treiben ein Ende zu setzen.
Unter den Teilnehmenden ist auch eine schwangere Frau Im riesigen und kargen Schlafsaal trifft er diesmal auf einen alten Freund, einen rücksichtslosen Rapper, eine fanatische Schamanin, eine schwangere Frau und eben die trans Frau Hyun-ju . Die zwischenmenschlichen Beziehungen und Dynamiken sind auch zentraler Bestandteil der neuen Folgen. Ausserdem gibt es neben einem Klassiker der ersten Staffel («Rotes Licht, grünes Licht») neue, perfide Kinderspiele um Leben und Tod – die diesmal allerdings nicht so sehr im Fokus stehen.
Lange mussten Fans auf eine Fortsetzung warten, eine dritte und letzte Staffel wurde bereits für 2025 angekündigt. Diesmal dauert es nach einer recht zähen Einführung ziemlich lange, bis die eigentlichen Spiele beginnen.
Doch die ziehen das Publikum direkt wieder in ihren Bann. Auch dank der schaurigen und (grösstenteils) anonymen «Soldaten» mit ihren Masken und rosafarbenen Overalls, die die Spiele überwachen und die Ausgeschiedenen in ihren grünen Trainingsanzügen gnadenlos erschiessen.
Bei der Ausstrahlung der ersten Staffel hatte es in mehreren Ländern, auch in Europa, Berichte über «Squid Game»-Spiele auf Schulhöfen gegeben. Die Verlierer wurden dabei geohrfeigt. Der «Squid Game»-Macher weist deshalb darauf hin, dass seine Serie – trotz der Kinderspiele – nicht für junge Menschen gedacht ist. «Sie ist für Erwachsene gemacht, die die Fähigkeit besitzen, den Kontext und die Botschaft der Serie zu verstehen.» Netflix empfiehlt das Format ab 16 Jahren.
Text: Greg Zwygart, Thomas Bremser (dpa)
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