«Pinkfacing» – Die wollen doch nur spielen
Die Debatte darüber, ob heterosexuelle Schauspieler homosexuelle Rollen annehmen oder sie lieber homosexuellen Darstellern überlassen sollten, kommt regelmässig wieder auf.
Ob «Brokeback Mountain» oder «Philadelphia» – Die gängige Praxis, homosexuelle Figuren mit heterosexuellen Schauspielern zu besetzen, wird als «Pinkfacing» bezeichnet.
Tom Hanks, Robin Williams, Michael Douglas, Patrick Swayze, Jake Gyllenhaal, Heath Ledger, Sean Penn, Philip Seymour Hoffman, Armie Hammer und Timothée Chalamet,– sie alle sind oder waren bekannte Schauspieler und heterosexuell, überzeugten auf der Kinoleinwand jedoch bereits in homosexuellen Rollen.
«Pinkfacing» versus «Straightwashing» Die gängige Praxis, homosexuelle Figuren mit heterosexuellen Schauspielern zu besetzen, wird als «Pinkfacing» bezeichnet und ist nicht zu verwechseln mit dem so genannten «Straightwashing», bei dem homosexuelle Figuren bereits im Vorfeld aus Produktionen getilgt werden oder deren sexuelle Orientierung schlicht geändert wird. Der Begriff «Pinkfacing» leitet sich wiederum vom «Blackfacing» ab, einem zu Recht umstrittenen Vorgehen, bei dem noch bis in die Sechzigerjahre weisse Schauspieler dunkel angemalt wurden, um in die Rolle von Schwarzen zu schlüpfen.
Die Debatte darüber, ob heterosexuelle Schauspieler nun homosexuelle Rollen annehmen oder diese lieber homosexuellen Schauspielern überlassen sollten, kommt regelmässig wieder auf. Zuletzt erneut im Zuge von Roland Emmerichs Verfilmung der Stonewall-Unruhen oder Disneys neuem Film «Jungle Cruise», in dem ein heterosexueller Schauspieler die erste offen schwule Kinorolle des Studios übernehmen soll.
Im Serienbereich scheint es auf den ersten Blick etwas häufiger vorzukommen, dass sich die sexuelle Orientierung der Schauspieler mit derjenigen ihrer Rollen deckt. Serien wie «Looking» oder «Pose», in der trans Rollen tatsächlich von trans Schauspielern übernommen wurden, zeugen von einer vergleichsweise grösseren Diversität im Fernsehen. Doch darf nicht vergessen werden, dass die Rollenvielfalt abseits der Kinoleinwand ungleich höher ist und es auch dort viele Fälle von «Pinkfacing» gibt. Man denke etwa an Eric McCormack als Will Truman in «Will & Grace» oder Willie Garson als Stanford Blatch in «Sex and the City», um zwei bekanntere Beispiele zu nennen.
Dennoch scheint man vor allem im Kino die vergleichsweise hohen Produktionskosten durch bekannte Namen absichern zu wollen statt auf mitunter unbekannte aber homosexuelle Darsteller in entsprechenden Rollen zu vertrauen. Für heterosexuelle Schauspieler können diese Rollen durchaus karrierefördernd sein und werden nicht selten mit grossen Filmpreisen ausgezeichnet – allein der Oscar war schon neun Mal darunter. Mit Ian McKellen wurde bislang nur ein einziger homosexueller Schauspieler für eine homosexuelle Rolle mit einer Oscar-Nominierung bedacht. Geouteten homosexuellen Schauspielern wird zumeist nicht die gleiche Freiheit bei der Rollenwahl zugestanden wie ihren heterosexuellen Kollegen. Obwohl es dafür durchaus einige Beispiele gibt, lässt man sie weitaus seltener heterosexuelle Rollen übernehmen.
Nicht die gleiche Rollenfreiheit wie bei Heteros
Doch sollte die sexuelle Orientierung in Berufsfragen überhaupt eine Rolle spielen, auch ungeachtet dessen, ob es sich nun um eine Schauspielerin oder einen Büroangestellten handelt? Sollte nicht jeder einzig für die geleistete Arbeit bewertet werden und liegt es nicht sogar in der Natur des Schauspielers in Rollen zu schlüpfen, die sich von seiner eigenen Person unterscheiden? Tatsächlich sprechen sich viele Stimmen dafür aus, dass einzig das Talent ausschlaggebend für die Rollenvergabe sein sollte. Dieser Meinung waren unter anderem auch 65 % der Mannschaft-Leser. Allerdings sollte sich unser Augenmerk dann noch stärker auf die erwähnte Chancenungleichheit bei der Rollenauswahl richten, die zwischen hetero- und homosexuellen Schauspieler*innen herrscht. Hier bedürfte es genauerer Beobachtungen und Erhebungen darüber, wie dieses ungleiche Verhältnis aussieht, das vielleicht den eigentlichen und wesentlich interessanteren Kern der Debatte um «Pinkfacing» darstellt.
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