Queeros-Gewinner 2023 der Schweiz: Schwul60plusminus
Eine Gruppe gegen die Angst vor Einsamkeit
In der Schweiz hat die Gruppe Schwul60plusminus das Queeros-Voting 2023 gewonnen. Für schwule Männer sei das Bedürfnis nach Geselligkeit im Alter besonders wichtig, findet Daniel Frey.
Jeden zweiten Freitag kommt die Gruppe Schwul60plusminus für einen Nachmittagstreff im Berner Restaurant Marcel’s Marcili zusammen. Wie es der Name schon sagt, richtet sich das Angebot an schwule Männer um die 60 Jahre. Das Beisammensein in lockerer Atmosphäre soll aber «mehr als ein Kaffeekränzchen sein», sagt Mitinitiator Daniel Frey.
«Denn gerade ältere Männer suchen häufig einen Ort, wo sie Zugehörigkeit erfahren, Gleichgesinnte kennen lernen, gemeinsam etwas unternehmen und Impulse zur Gestaltung ihrer Freizeit finden», sagt er. «So versteht sich der Nachmittagstreff als ein Safe Space, um dem Alleinsein etwas entgegenzusetzen.»
Im Queeros-Voting 2023, das LGBTIQ-Engagement im ganzen DACH-Raum auszeichnet, verbuchte Schwul60plusminus 7,3% der Gesamtstimmen und erreichte den ersten Platz aller Schweizer Nominierten (MANNSCHAFT berichtete), gefolgt von den Eurogames Bern und der Bern Pride. «Wir freuen uns natürlich riesig über diese Auszeichnung», sagt Daniel Frey, der die Gruppe auch nominiert hat. «Sie beweist, dass unsere Gruppe und unsere Angebote nicht nur wahrgenommen werden, sondern auch wichtig sind. Und vielleicht stossen ja dank diesem Artikel hier weitere ältere Schwule dazu.»
Es ist nicht das erste Mal, dass Schwul60plusminus gewürdigt wird. 2022 erhielt die Gruppe den mit 2500 Franken dotierte Sozialpreis der Stadt Bern.
Daniel Frey engagiert sich schon lange ehrenamtlich in der Berner LGBTIQ-Community. Über 15 Jahre moderierte er Gayradio auf Radio Rabe, im Herbst 2021 gründete er zusammen mit Gleichgesinnten den Verein «queer Altern Bern» (MANNSCHAFT berichtete). Von Trägheit im Alter kann und soll gemäss dem 63-Jährigen nicht die Rede sein. Er ist überzeugt: «Gerade meine Generation und meine Vorgänger-Generation sollte sich mit ihren gemachten Erfahrungen weiterhin stark für die Community einsetzen – etwa gegen den Gegenwind, der im Moment trans Personen vermehrt spüren müssen.»
Schwul60plusminus ist ein Angebot von HAB Queer Bern. Weitere Gesprächsgruppen gibt es unter anderem für schwule Väter, trans und inter Personen sowie das queer Eat and Meet. Der Verein gehört zu den Pionieren der LGBTIQ-Vereinen in Bern und feierte 2022 das 50-jährige Jubiläum (MANNSCHAFT berichtete). Mit dem Verein sind auch die Mitglieder älter geworden. Die Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern (HAB), wie sie früher hiess, habe für sie an Bedeutung verloren, aus Solidarität sei man Mitglied geblieben, sagt Daniel. «Die Gründungsväter haben sich in der Zwischenzeit ihren Platz in der Gesellschaft hart erkämpft, Karriere gemacht und leben ‹ungestört› mit Mann mitten unter Heteros.»
Im Alter wird die Angst vor Einsamkeit ein Thema. Für eine Generation von schwulen Männern, die Ausgrenzung und Benachteiligung am eigenen Leibe erfahren hat, stellen sich grundlegende Fragen: Was, wenn der langjährige Partner stirbt? Wenn man altersbedingt die gewohnte Umgebung verlassen und sich in eine Pflegeeinrichtung begeben muss? «Da setzt die Gruppe Schwul60plusminus an, die sich als Supportgruppe versteht», sagt Daniel. «Dabei liegen die Schwerpunkte bei Vernetzung, Anteilnahme, Unterstützung und Geselligkeit.»
Nach 20 Jahren aktiver Mitarbeit hat sich Daniel Frey aus dem Vorstand von HAB Queer Bern und somit auch von der Leitung von Schwul60plusminus zurückgezogen, um sich voll seinem neuen Amt als Co-Präsident von «queer Altern Bern» zu widmen. In seine Fussstapfen bei Schwul60plusminus treten drei Personen, die auf der Website von HAB Queer Bern aufgeführt und als Ansprechperson kontaktierbar sind.
Als Ehrenmitglied bleibt Daniel Frey «der alten Tante HAB» erhalten. Sein Engagement für Queers im Alter sei nur die logische Fortsetzung seiner bisherigen Arbeit für die LGBTIQ-Community. «Gerade mit Schwul60plusminus habe ich festgestellt, dass auch ältere Menschen Unterstützung beispielsweise bei einem späten Coming-out brauche», sagt er. «Es bewegt mich sehr, wenn ein 70-jähriger Mann mir erzählt, er habe während des Besuchs des Nachmittagstreffs endlich seine Familie gefunden.»
Mehr: Die zweite Folge von «Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert» ging bei 3+ auf Sendung. Im Mittelpunkt stand diesmal die nicht-binäre ESC-Hoffnung Nemo (MANNSCHAFT berichtete).
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