Queere Solidarität: Grosse Prides helfen kleineren Prides
In Barcelona tagten die Mitglieder der europäischen Pride Organisationen (EPOA)
Am Wochenende fand in Barcelona die jährliche Konferenz der Europäischen Pride Organisationen statt. Ein Vertreter aus Magdeburg berichtet von solidarischen Vorhaben: Die Pride-Vereine der grossen Städte wollen anderen künftig helfen.
Ausserdem steht fest: Die Euro Pride wird 2028 in der Region West of Ireland stattfinden.
Schon zum dritten Mal war Falko Jentsch aus Magdeburg dabei, doch dies Mal sei es die bisher grösste Pride-Konferenz gewesen, sagt er gegenüber MANNSCHAFT. «Im Prinzip ist aus jedem europäischen Land jemand dabei gewesen», sagt Falko. Mittlerweile bestehe die Vereinigung der europäischen Pride Organisationen (EPOA) aus mehr als 130 Mitgliedern. Noch vor wenigen Jahren seien es gerade einmal etwas mehr als 30 gewesen.
Man komme zusammen, tausche sich aus, nehme an Workshops teil. Der zur Situation für queere Menschen in der Ukraine hat Falko dabei besonders beeindruckt. Auch die Reise zum Pride Center in Barcelona war für ihn aufregend. Doch am schönsten fand er den Austausch mit anderen Vertreter*innen von Prides aus ganz Europa. Früher seien eher die grossen Städte dabei gewesen, sagt Falko. Das habe sich nun geändert. Und das liege auch an einer stärkeren Solidarisierung untereinander.
Denn für viele aus strukturschwächeren Regionen, oder weiter vom Veranstaltungsort entfernt gelegenen Orten sei es immer schwierig, dorthin zu reisen. «Es wurde sehr viel Geld bereitgestellt, damit diese Menschen sich im Vorfeld anmelden konnten und dann Reisekosten bzw. Unterkunft bezuschusst kriegen», sagt Falko. Das habe vielen geholfen, überhaupt erst anzureisen. Falko selbst und seine Kolleg*innen aus anderen Prides, mit denen er gemeinsam nach Spanien gefahren ist, haben die Kosten selber getragen.
Auch das Klima auf diesen Konferenzen habe sich verändert, sagt der Vertreter der Magdeburg Pride. Das «Wir achten aufeinander», habe erheblich an Gewicht gewonnen. Wenn irgendwo ein Mitglied besonders bedroht ist, oder gar Prides verboten werden, wolle man künftig dort noch genauer drauf schauen. Die Prides der grossen Städte wollten künftig mit ihrer Finanzmacht, aber oft auch ihrem medialen Gewicht auf so etwas hinweisen, oder kleineren Prides bei der Organisation helfen.
«Also dass nicht nur alle die eigene Bubble sehen, sondern mehr dieses Gemeinschaftsgefühl betonen», sagt Falko. Der Slogan der Konferenz in Barcelona sei dem entsprechend auch «You are the resistance» gewesen. («Du bist der Widerstand!»)
Denn «diesen Druck merken wir überall», erklärt Falko. «Hinter der bunten regenbogenschillernden Welt durch die Fotos und durch das, was wir alle gerne sehen, brodelt es an ganz vielen Ecken.» Es seien manchmal kleine Sachen, die eben nicht in der Presse landen würden, aber zunehmend die Organisatoren binden und für ganz andere Schwierigkeiten sorgen. «Mit diesem Input und den Erfahrungen aus dem Austausch aus der Konferenz kann ich viel lernen und das nehme ich mit zu mir nach Hause.»
Dort in ihren Herkunftsregionen hätten Falko und andere Vertreter Ostdeutschlands in letzter Zeit eine erhebliche Veränderung ihrer Situation vor Ort und auch ihrer Rolle gegenüber anderen Pride-Verantwortlichen erfahren, erklärt Falko. So komme es regelmässig vor, und so war es auch auf der Konferenz in Barcelona, dass Falko um Rat gefragt wurde, seine Erfahrungen zu teilen.
Prides im Westen Deutschlands oder in westeuropäischen Ländern hätten lange geglaubt, dass die Bedrohung von rechts sie nicht betreffen könne. Nun suchten sich Vertreter dieser Städte vermehrt Hilfe. «Wie macht denn ihr das? Wie könnt ihr überhaupt noch eine Veranstaltung da durchführen?», seien oft solche Nachfragen. Dann etwa, wenn es plötzlich um sehr hohe Security-Gelder oder ähnliches gehe. Es ist ein solcher Austausch untereinander, der Falko ganz besonders am Herzen liegt.
Grosse Freude hingegen gab es auf der Konferenz bei irischen Vertreter*innen. Denn die Euro Pride wird 2028 in der Region West of Ireland stattfinden, organisiert vom Limerick LGBTQ Pride und dem dortigen Outing Festival. Damit setzte sich Irland gegen Manchester durch, das ebenfalls die Euro Pride ausrichten wollte. Die Verantwortlichen aus Irland mussten sich eine Reihe kritscher Fragen gefallen lassen. Etwa, ob man überhaupt genügend Hotelbetten und Infrastruktur habe, um eine solch grosse Veranstaltung auszurichten. Falko fühlte sich an eine Situation erinnert, als er mit seinen Kolleg*innen ebenfalls auf der Bühne der EPOA stand. Damals, vor ein paar Jahren, als sich Magdeburg für die Euro Pride beworben hatte.
Das Ergebnis in diesem Jahr in Barcelona war dann aber mehr als deutlich. Etwa 70 Prozent der Stimmen entfielen auf die irische Bewerbung, sagt Falko Jentsch. Woran das gelegen habe? Wahrscheinlich, weil man dort grössere Wirkung erzielen könne, glaubt er. Weil in dieser Region die Pride-Strukturen weniger stark ausentwickelt seien, als in Manchester. In Irland sei «der Impact für die Region oder die Resonanz einfach grösser».
In diesem Zusammenhang erinnert sich Falko auch an die Euro Pride in Belgrad im Jahr 2022. Das sei «das Pride-Erlebnis in meinem Leben gewesen, von dem ich am meisten mitgenommen habe». Es habe ihm gezeigt, «wie gut es mir hier geht, trotz unserer Schwierigkeiten bei uns im Osten». Und so stimmten auch Falko und seine Kolleg*innen für Irland als Ausrichter der Euro Pride 2028.
Ganz praktisch nimmt Falko von der Konferenz in Bacelona aber noch etwas anderes mit. Er und seine Freund*innen aus Magdeburg und Sachsen Anhalt wollen künftig noch etwas mehr auf ihre jeweiligen Partnerstädte blicken. Gerade auch, weil es darunter einige osteuropäische Städte gebe. «Wir können sie zu unseren Prides einladen und wir können uns dann auch gegenseitig unterstützen.»
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