Welcome Home: Warum queere Orte sich überall gleich anfühlen
Ob in New York, Berlin oder Zürich – queere Bars und Clubs schaffen ein Gefühl von Heimat.
Reisen ist für Mademoiselle Gamie Alltag – und doch gibt es etwas, das sie überall wiedererkennt: queere Orte. Es ist nicht nur die Ästhetik, die uns verbindet. Es ist die queere Gemeinschaft, die überall ein Stück Heimat schenkt. Ein Kommentar* von Mona Gamie.
Geschätzte Leser*innen, so eine Diva wie ich ist natürlich ständig auf Reisen. Schliesslich gilt es ja, nicht nur meine Verehrer*innen zuhause mit meiner Gegenwart zu beglücken, sondern auch jene in den vielen anderen Ländern und Erdteilen.
Und da gibt es eine Sache, die mir auf meinen bisherigen Reisen immer wieder aufgefallen ist – und die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: Ergoogeln Sie sich jeweils auch die nächste lesbische Bar, den nächsten schwulen Club, eine queere Community-Veranstaltung, wenn Sie sich an einem anderen Ort befinden?
Ich jedenfalls brauche auch auf Reisen Anschluss an die Queerness vor Ort. Und mir fällt auf, egal wo ich mich befinde, sehen diese Orte irgendwie gleich aus. Sie werden nun vielleicht protestieren: Ein Berliner Club unterscheidet sich doch gewaltig von einer New Yorker Bar? Mag sein, dass die Ziegelsteine, Türknaufe, Lichtschalter anders sind. Aber glauben Sie mir – irgendetwas gibt es, was die Orte gleich aussehen lässt.
Manchmal sind es geschmacklose Lounge-Möbel, die man überall findet, manchmal ist es der gleiche billige Wodka, der im kitschig beleuchteten Regal hinter der Bar steht. Manchmal sind es die muskulösen Barkeeper in ihren viel zu engen Tanktops, die genauso gut in Zürich, Paris oder London ausschenken könnten, manchmal ist es auch einfach die (wundervoll!) trashige Popmusik, die aus Lautsprechern dröhnt. Und wenn es auf den ersten Blick wirklich gar keine Anknüpfpunkte zu geben scheint, dann ist es vielleicht einfach eine Regenbogenfahne, die in einem Eckchen hängt und einen an zuhause erinnert.
Und nicht nur das: Auch die Menschen sehen irgendwie gleich aus. Als ich letztens mit einem Freund in einer Gay-Bar in Brooklyn tanzen war, haben wir uns einen Spass daraus gemacht, unsere Freund*innen von zuhause in den Barbesuchenden «wiederzuerkennen»: «Ist das nicht Deborah? Mit dem Karabiner an der Jeans?» – «Diese Person dort könnte Lou sein! Wegen der ausgefallenen Hose und dem kecken Haarschnitt!»
Vielleicht denken Sie jetzt: Ja, will uns Mademoiselle Gamie nun sagen, es gebe keine Individualität mehr und alle queeren Menschen seien Teil eines fürchterlichen Einheitsbreis? Keineswegs! Wir alle sind wunderbare, einzigartige Wesen. Aber trotzdem wird uns durch unsere queere Identität etwas geschenkt, das uns alle verbindet: Die Zugehörigkeit zu einer Community.
Und weil es überall auf der Welt queere Menschen gibt, gibt es auch überall eine queere Community. Vielleicht sind es doch nicht die Äusserlichkeiten – also die Lounge-Möbel, der Wodka oder die Tanktops – die mir dieses Déjà-vu (oder besser: Déjà-éprouvé) bescheren.
«Vielleicht ist es dieses fabelhafte Gefühl, sich auch in der Fremde zuhause zu fühlen. Denn meine Heimat habe ich in meiner queeren Familie gefunden.»
Mona Gamie
Vielleicht ist es vielmehr dieses fabelhafte Gefühl, sich auch in der Fremde zuhause zu fühlen. Denn meine Heimat habe ich in meiner queeren Familie gefunden. Darum hat es mich auch gar nicht erstaunt, als uns der Barkeeper in dieser New Yorker Bar, in der wir wirklich zum allerersten Mal waren, mit den Worten begrüsste: «Welcome home!»
Mann, Frau Mona!
Mona Gamie: Dragqueen mit popkulturellem Schalk und nostalgischem Charme. Diven-Expertin, Chansonnière und queere Aktivistin.
[email protected] Illustration: Sascha Düvel
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*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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