Polyamorie fordert das Konzept bei «Princess Charming» heraus
Wie queer ist die Abwandlung des heterosexuellen Formats?
Bei «Princess Charming» ist in der aktuellen Staffel eine polyamoröse Kandidatin dabei. Das gefällt nicht allen – und verdeutlicht ein überholtes Show-Konzept. Ein Kommentar*
Von Saskia Balser
Seit Anfang Juli ist in der lesbischen Community wieder einiges los. Denn «Princess Charming», die erste und einzige lesbische Reality-Show in Deutschland, ging in die vierte Runde. In der Show geht es darum, wie sollte es anders sein, die grosse Liebe zu finden – zumindest für die Princess. Aber wie fair ist diese Prämisse eigentlich – und wie queer?
Zunächst zum Konzept der Sendung: Die Princess, in diesem Jahr ist das die 30-jährige Lea aus Berlin (MANNSCHAFT berichtete), steht im Mittelpunkt der Show und darf auf verschiedenen Dates in Thailand die 20 Kandidat*innen kennenlernen, die während der Dreharbeiten gemeinsam in einer Villa wohnen. Am Ende jeder Folge findet eine Entscheidung statt, bei der die Princess Kandidat*innen aussortiert. Im Finale darf sie schliesslich zwischen den zwei verbleibenden Personen wählen und darauf hoffen, mit ihr im Anschluss an die Show eine Beziehung aufzubauen.
Die diesjährige Staffel startet mit einem Moment, der lesbischer nicht sein könnte. Als sich Lea den Kandidat*innen als Princess vorstellt, gibt Kandidatin Maike zu: «Das ist meine Ex». Jede deutsche Grossstadt-Lesbe dürfte diesen Moment kennen und mit Maike mitfühlen. So weit, so dramatisch. Wie gross das Konfliktpotential des Casts allerdings wirklich ist, zeigt sich erst im weiteren Verlauf der Show. Besonders ab Folge Vier wird es brenzlig.
Sie beginnt damit, dass die Princess neben Lucia aufwacht – einer Kandidatin, die polyamor lebt. Für sie ist es möglich und in Ordnung, in mehrere Menschen gleichzeitig verliebt zu sein und vielleicht auch mehrere Beziehungen parallel zu führen. Dieses Beziehungsmodell schliesst Lea für sich aber kategorisch aus, das hatte sie bereits zu Beginn der Show klargestellt.
Trotzdem hat sie Lucia zum Übernachtungsdate eingeladen, wo es «kuschelig gewesen» ist und sich die beiden Frauen sowohl emotional als auch körperlich näher gekommen sind. Zurück in der Villa verrät Lucia den anderen Kandidat*innen, dass es für Lea ein Dealbreaker wäre, «wenn man was mit anderen anfängt. Sie erwartet, dass man sich auf sie konzentriert».
Diese Nachricht scheint auf die Kandidat*innen aber keinen grossen Eindruck zu machen. Denn just an diesem Abend fallen beim Flaschendrehen die Hemmungen, es wird wild geflirtet und geknutscht. Und zumindest für Lucia hört der Spass an dieser Stelle nicht auf – sie schläft mit der Kandidatin Seleya. Zum ersten Mal in der Geschichte des Formats wird der Sex sogar gezeigt, es bleiben also keine Fragen offen. Ausser natürlich: Was wird Lea sagen?
Nichtsahnend lädt Lea am nächsten Tag zum Gruppendate ein und wird bitter enttäuscht, als sie davon erfährt, was in der letzten Nacht zwischen den Kandidat*innen passiert ist. Nachdem Wut aus ihr herausgebrochen ist, wird sie verletzlich und fragt: «Gehe ich hier am Ende vielleicht einfach leer aus, weil ihr in der Villa schon alles habt, was ihr braucht?»
Bei der darauffolgenden Entscheidungsnacht wirft sie auf einen Schlag sechs Kandidatinnen raus – darunter auch Lucia und Seleya. Sie stellt klar: «In diesem Rahmen hier ist kein Platz für andere Lovestorys mehr. Wer kein Interesse an mir hat, darf gerne die Villa wieder verlassen.» Zu diesem Zeitpunkt weiss sie allerdings noch nicht, dass sich auch die Situation zwischen den Kandidatinnen Marlen und Inci immer weiter zuspitzt. Das Problem dürfte sich also durch den Rauswurf von Lucia und Seleya nicht in Luft aufgelöst haben. Was die Frage aufwirft, ob das Show-Konzept in seiner aktuellen Form überhaupt noch Sinn ergibt.
Das Konzept, das hinter «Princess Charming» steckt, ist eine Abwandlung des heterosexuellen Formats «Der Bachelor». Der lesbische Cast sorgt zwar dafür, dass eine Abweichung von der heterosexuellen Norm stattfindet, andere Norm-Vorstellungen vom «Bachelor» werden aber schlichtweg übernommen und reproduziert.
Die Idee, dass ein Mann auf 20 Frauen trifft, die zusammen in einer Villa leben und nacheinander aussortiert, bis er die Auserwählte erkoren hat, ist patriarchisch und überholt. Trotzdem ergibt es wenigstens insofern Sinn, als dass die heterosexuellen Frauen kein romantisches oder sexuelles Interesse aneinander entwickeln können und deswegen gezwungenermassen nur Augen für den Bachelor haben.
Das queere Pendant offenbart erst, wie unsinnig die konstruierte Überhöhung dieser einen Person ist, die die Entscheidungen treffen und – im Gegensatz zu den Kandidat*innen – verschiedene Menschen gleichzeitig daten darf. Schliesslich gibt es nur einen einzigen Grund dafür, warum Lea alle Frauen kennenlernen, daten und küssen darf, die Kandidat*innen untereinander aber nicht dasselbe tun dürfen: Das Show-Konzept will es so.
Die Tatsache, dass Lea, die ausdrücklich monogam leben will, als Princess gecastet wurde, unterstreicht das noch zusätzlich. Und die polyamore Lucia, die nach eigenen Aussagen kein Problem damit hätte, Lea und Seleya gleichzeitig kennenzulernen, fordert die Zuschauer*innen dazu heraus, die Sinnhaftigkeit des Show-Konzepts zu hinterfragen.
Das Ungleichgewicht, das zwischen der Princess und den Kandidat:innen herrscht, ist letztlich für niemanden fair – und erleichtert es sicher keiner der Teilnehmenden, die grosse Liebe zu finden. Lea leidet darunter, dass sie sich (zu Recht) ausgeschlossen fühlt, während die Kandidat*innen sich in der Villa näher kommen, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie sehr viel Zeit miteinander verbringen können. Gleichzeitig können die Kandidat*innen keine Intimität untereinander aufbauen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben – und verlassen oft vorzeitig die Show. Warum also hält man an diesem Konzept fest?
Vielleicht ist das, was «Princess Charming» zeigt, zum jetzigen Zeitpunkt das höchste Mass an Queerness ist, das auch für ein heteronormativ-geprägtes Publikum noch zugänglich ist. Dafür hält man an einem künstlichen Machtgefälle und Mononormativität fest. Selbst in der Show «Charming Boys», bei der ehemalige «Prince Charming»- Kandidaten gemeinsam mit Newcomern ohne Prince in eine Villa einziehen, konnte diese nicht überwunden werden. Denn auch in dieser Show mussten sich Paare finden – und es gab keinen Raum für Dreier- oder Viererkonstellationen.
Trotzdem hat dieses Konzept ein deutlich grösseres queeres Potential. Es gibt den Teilnehmenden mehr Freiheit, einander kennenzulernen und die Chance, sich wirklich auf Augenhöhe zu begegnen. An diesem Punkt sollte die Produktionsfirma ansetzen, bevor die nächste «Princess Charming»-Staffel gedreht wird. Vielleicht war die Polyamorie genau das, was der Show gefehlt hat und man kann sie als Anregung nehmen, um das Show-Konzept in eine fairere Richtung zu stossen.
In einer anderen Reality-Show kämpfen erstmals sowohl Männer als auch Frauen in derselben Staffel um die begehrten Rosen: Stella Stegmann aus München ist die erste offen bisexuelle «Bachelorette» in der gleichnamigen Fernsehshow (MANNSCHAFT berichtete).
*Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
Das könnte dich auch interessieren
Österreich
Nach Eurogames: Wien fördert auch 2025 verstärkt LGBTIQ-Projekte
Die Eurogames in Wien hatten eine internationale Ausstrahlung. Vizebürgermeister Wiederkehr will auch deshalb künftig LGBTIQ-Projekte weiter fördern.
Von Newsdesk Staff
Kultur
Coming-out
«Schäme micht nicht»: Sänger Khalid outet sich
Der Grammy-Gewinner war zuvor von einem Kollegen als schwul beschimpft worden
Von Newsdesk Staff
Musik
News
Community
Wieder Trump: Was queeren Menschen in den USA jetzt Hoffnung macht
Es war alles andere als knapp: Mit klarem Abstand setzte sich der Republikaner Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den USA gegen die Demokratin Kamala Harris durch.
Von Newsdesk Staff
Drag
LGBTIQ-Rechte
Ausstellung
Retrospektive Nan Goldin: Eine Pionierin der queeren Fotografie
Nan Goldin zählt zu den renommiertesten Künstlerinnen der zeitgenössischen Fotografie. Eine Berliner Ausstellung widmet ihr eine Retrospektive – mit intimen Einblicken in das Leben der US-Fotografin.
Von Newsdesk/©DPA
Kultur
Kunst
Fotografie