LGBTIQ-feindliche Angriffe beim CSD nehmen zu – was tut die Polizei?
Letztes Jahr gab es in Sachsen-Anhalt 25 Fälle von Beleidigung, 14-mal Körperverletzung
An diesem Samstag steht der erste von landesweit zehn Christopher Street Days an. In Schönebeck feiert die queere Community die Vielfalt und sich selbst. Die Polizei reagiert nach Übergriffen im vergangenen Jahr.
Angriffe bei Christopher Street Days sorgten im vergangenen Jahr für Schlagzeilen, aber auch im Alltag werden queere Menschen Opfer von Diskriminierung und Übergriffe: Die Polizei in Sachsen-Anhalt hat im vergangenen Jahr mehr Hasskriminalität gegenüber queeren Menschen registriert. 49 Fälle standen im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung von Personen, im Jahr zuvor waren es 23, wie das Innenministerium auf Anfrage mitteilte. Dabei ging es in 25 Fällen um Beleidigung, 14 Mal um Körperverletzung und 10 Mal um Volksverhetzung.
Als Hasskriminalität, die sich gegen die Geschlechtsidentität von Personen richtete, zählte die Polizei 2023 20 Delikte, im Vorjahr waren es 14. Das seien Beleidigungen, Volksverhetzungen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen gewesen. Die Fallzahlen könnten nicht aufsummiert werden, weil eine Straftat mehreren Themenfeldern zugeordnet werden könne, hieß es.
«Es wird allen Betroffenen geraten, bei der Polizei Strafanzeige zu stellen», so das Innenministerium. Seit mehreren Jahren gebe es eine Stelle, die sich als Verbindung zur LSBTIQ-Community verstehe.
Wir wissen, dass starker Verdruss herrscht in der Community.
Grit Merker, Ansprechperson LGBTIQ bei der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt, geht davon aus, dass die Statistik nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Taten abbildet. Betroffene erstatteten keine Anzeige, weil sie etwa Angst hätten, bei der Polizei erneut diskriminiert zu werden oder weil sie annehmen, dass ein Verfahren ohnehin eingestellt wird. Falko Jentsch, Vorstandsmitglied beim CSD Magdeburg, teilt die Einschätzung. «Wir wissen, dass starker Verdruss herrscht in der Community.» Viele Angegriffene schilderten Erfahrungen via Social Media oder WhatsApp, gingen aber nicht zur Polizei, sie wollten sich nicht rechtfertigen.
Polizeibeamt*innen würden die Taten aber auch noch nicht so gut als Hasskriminalität erkennen, so Merker, vor allem, wenn die Opfer die Aspekte nicht mitteilen. Dann werde eine Körperverletzung zwar erfasst, aber eben nicht der Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität des Opfers. Im Rahmen des Verfahrens könne dann nicht der besondere Aspekt der Menschenverachtung juristisch herausgearbeitet werden. Diese wögen besonders schwer, denn es gehe um Angriffe auf die eigene Identität.
Grit Merker und ihre nebenamtlichen Kolleg*innen sehen aber auch, dass Schulungen erste Früchte tragen. Polizeibeamte würden queersensibler. Schulungen gebe es aktuell auch im Zusammenhang mit der Einsatzplanung für die kommende CSD-Saison. So würden beispielsweise spezielle Kommunikationsteams für die Ausprägungen von Vielfalt sensibilisiert. Sie sollten besser mit den Personen kommunizieren können. «Das wird auch angenommen polizeiintern», sagte Merker.
Das grössere Engagement der Polizei bei der Vorbereitung der CSDs in diesem Jahr nimmt auch Falko Jentsch wahr. Man habe gelernt. «Ich denke, wir werden sehr sichere CSDs haben.» Es sollten Orte sein, wo die queere Community ihr Lebensgefühl zeigen könne und man unter Gleichen sei. Erstmals in diesem Jahr gibt es in Sachsen-Anhalt zehn CSDs. Los geht es an diesem Samstag in Schönebeck. Bis zum 17. Oktober folgen Veranstaltungen unter anderem in Dessau-Roßlau (18. Mai), Salzwedel (1. Juni), Wernigerode (8. Juni) und erstmals am 15. Juni in Köthen.
In Weißenfels hatten im August vergangenen Jahres mutmasslich Rechtsextreme den ersten Christopher Street Day gestört (MANNSCHAFT berichtete). In Halle ermittelte der polizeiliche Staatsschutz nach einem angezeigten Angriff auf vier CSD-Teilnehmende im September.
Eine neue Gruppe, die sich als «Nuller»-Schwule bezeichnet, hat Angst vor «unmännlichem Analsex» und distanziert sich öffentlich von vermeintlichen «schwulen Stereotypen» (MANNSCHAFT berichtete).
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