Als Drag noch kein Politikum war: Peter Alexander
Er wechselte mit Leichtigkeit zwischen Geschlechterrollen und begeisterte Millionen
Er war König und Königin zugleich: Peter Alexander brachte als eine der ersten Dragkünstler*innen Geschlechtervielfalt in die Wohnzimmer der deutschsprachigen Welt – ein Vorbild für queere und heteronormative Menschen gleichermassen. Ein Kommentar* von Peter Fässlacher.
Es war einmal ein König, den das ganze Land liebte und bewunderte. Er konnte singen, tanzen, schauspielern, parodieren und lustig sein, ohne jemanden zu verletzen. Die Herzen der Frauen flogen ihm zu, niemand verlor je ein schlechtes Wort über ihn.
Wenn er einmal im Jahr – kurz vor Weihnachten – seine Freund*innen einlud, sassen bis zu 35 Millionen Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz vor ihren Fernsehern. Dieser König war Peter Alexander – und seine Shows so etwas wie der fünfte Advent.
Aber er war nicht nur König, sondern immer wieder auch Königin. Nämlich dann, wenn er Zarah Leander, Prinzessin Diana, Queen Mum, die Golden Girls und unzählige andere Frauenfiguren verkörperte und parodierte. Sowohl in seinen grossen Abendshows als auch in seinen Filmen, die inzwischen über 60 Jahre zurückliegen. Peter Alexander hat zu einer Zeit zu Liedern gelipsynct, als es das Wort Lipsync noch lange nicht geben würde. Vom Kleinkind bis zum Opa schauten alle zu.
Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, wie gerne übersehen wird, dass Peter Alexander im Grunde so etwas wie die erste Dragqueen im deutschsprachigen Fernsehen war und mit seiner Darstellung von Frauen vor einem Millionenpublikum eher Begeisterung als Kontroversen ausgelöst hat. Alle konnten sich auf ihn einigen und lachten nicht über ihn, sondern mit ihm, wenn er «endlich» wieder als Frau auf die Bühne kam.
Natürlich, die Zeiten waren andere. Peter Alexander hatte keine queerfeministische Agenda. Identitätspolitik und Selbstbestimmungsgesetz waren noch lange kein Thema. Er hätte sich wohl auch nicht als Dragqueen gesehen oder so bezeichnet. Aber Drag war es allemal.
Für mich geht es aber auch um etwas Anderes: Man sah ihm den Spass und die Freude an, die er dabei hatte, ohne sich über die Rolle lustig zu machen oder Frauen damit abzuwerten. Als heterosexueller Mann, der von den 1960er- bis 1990er-Jahren in der Öffentlichkeit stand, hatte er keine Angst, seine weiblichen Wesenszüge zu zeigen.
Er schämte sich nicht, als Frauenfigur vor ein Millionenpublikum zu treten, sondern strahlte im Gegenteil eine grosse Leichtigkeit aus. Er hat gezeigt, wie man sich mit Freude und Selbstbewusstsein in beiden Geschlechterrollen bewegen kann.
Für ihn als Star gar nicht so einfach: Mit seiner Prominenz und Strahlkraft konnte er nie – wie ein Schauspieler – hinter der Figur verschwinden, sich sozusagen hinter der Maske verstecken. Er war immer Peter Alexander. Als Prinzessin Diana, als Zarah Leander, als Golden Girls. Ein Vorbild, das indirekt gesagt hat: «Wenn ich den Spass und den Mut habe, kannst du das auch.» Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist eine Dragqueen, die im Stil der grossen Samstagabendshows berühmte Gäste begrüsst. Dragname: Petra Alexandra.
Peter Fässlacher
Er ist Moderator und Sendungsverantwortlicher bei ORF III und Stimme des Podcasts «Reden ist Gold» über die Liebe und das Leben mit Menschen der LGBTIQ-Community. Er lebt in Wien.
[email protected] Illustration: Sascha Düvel
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