Trans, Nicht-Binäre und Migranten am Theater tendenziell begünstigt
Wissenschaftler*innen der Freien Universität Berlin haben Strukturen der Diskriminierung und Privilegierung am Theater untersucht
Männer mit Migrationshintergrund und trans Menschen werden am Theater tendenziell begünstigt, zeigt eine Untersuchung der Freien Universität Berlin. Dies gelte für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Am Theater erfahren Männer mit Migrationshintergrund und Personen mit einer nicht binären Geschlechteridentität im Vergleich zu männlichen Bewerbern eine Bevorteilung, wie eine Studie von Wissenschaftler*innen der Freien Universität zeigt. «Auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt werden diese Gruppen häufig diskriminiert, das belegen verschiedene Studien», erklärt Professor Jürgen Gerhards, Soziologe an der Freien Universität Berlin und gemeinsam mit Tim Sawert und Julia Tuppat Autor der Publikation.
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Die Wissenschaftler*innen haben überprüft, ob sich eine Diskriminierung auch im Bereich des Theaters nachweisen lässt. «Das hat sich nicht bestätigt, vielmehr erfahren diese Gruppen in diesem Bereich der Gesellschaft eine Bevorteilung», so Gerhards. Insgesamt zeige die Untersuchung, dass die gesellschaftliche symbolische Ordnung der Diskriminierung im Theater auf den Kopf gestellt werde.
Wie Gerhards gegenüber MANNSCHAFT erklärte, wurden den fingierten Bewerbungen Indikatoren hinzugefügt, die annehmen lassen, dass es sich um trans, inter oder nicht-binäre Bewerber handle. «Wir haben den Vornamen den Zweitnamen Gloria hinzugefügt und in den Lebensläufen auf Stationen bei trans Theaterprojekten hingewiesen.»
Diese Indikatoren seien oft auch wie gewünscht gedeutet worden, so Gerhards weiter. Diese Bewerber*innen seien in den Antwortschreiben nicht mit Sehr geehrter oder sehr geehrte angesprochen worden, sonder oft nur mit einem schlichten Hallo.
«Ob dies nur für die Einstellung von Praktikanten im Bereich der Dramaturgie gilt oder auch für höhere Hierarchiestufen wie diejenige der Theaterleitung, wurde nicht untersucht», erklärt der Soziologe. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Journal of Ethnic and Migration Studies publiziert.
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Die Befunde der Studie lasse sich den Autor*innen zufolge unterschiedlich bewerten: «Betrachtet man das Theater als kritische Instanz der Beobachtung und Kommentierung gesellschaftlicher Entwicklungen und als Möglichkeitsraum der Umkehrung realer Verhältnisse, kann man das Ergebnis begrüssen», erläutert Jürgen Gerhards. Anders falle die Beurteilung aus, wenn man sich an den Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union orientiere; denn die Studie zeige, dass im gesellschaftlichen Teilbereich des Theaters ebenfalls diskriminiert werde, nur eben mit umgekehrtem Vorzeichen.
Die Soziolog*innen verschickten für ihre Untersuchung fingierte Bewerbungen für eine Hospitanz an alle 462 deutschsprachigen Theater in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Anschreiben und der Lebenslauf waren bei allen Bewerbungen bis auf zwei Charakteristika identisch: Variiert wurde zum einen die Herkunft der Bewerber; sie kamen aus Deutschland, Frankreich, und der Türkei und hiessen Lukas Steltmeier, Matthieu Dubois und Hussein Özdemir.
Zum anderen wurde die Geschlechtsidentität der Bewerber zwischen männlich und transgender variiert. «Weibliche Personen wurden in der Untersuchung nicht berücksichtigt, weil dies die Merkmalskombinationen so weit ausgedehnt hätte, dass keine statistisch gehaltvollen Aussagen mehr möglich gewesen wären», erklärt Jürgen Gerhards.
Die Ergebnisse widersprächen allen anderen bis dato vorliegenden Untersuchungen zur Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, sagt der Soziologe. Die meisten Einladungen von den Bewerbern erhielt nicht der vorgebliche Kandidat ohne Migrationshintergrund (26,4 %), sondern der fingierte türkischstämmige Bewerber (40,9 %), gefolgt von dem angeblichen französischen Kandidaten (31,4 %).
Auch die häufig festgestellte Diskriminierung von Personen mit einer nicht-heterosexuellen Geschlechtsidentität finde man im Theater nicht. Die fingierte Person mit trans Identität wurde etwas häufiger zum Bewerbungsgespräch eingeladen als ihre männlichen Mitbewerber; der Unterschied sei jedoch mit knapp drei Prozentpunkten sehr gering und nicht signifikant, erläutert Gerhards.
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