«Maria»: Angelina Jolie als glamouröse Schwulenikone

Als tragische Persönlichkeit der Opernwelt fasziniert die Superdiva Maria Callas nach wie vor

Angelina Jolie in grosser Opernpose in «Maria»
Gefeiert und dennoch einsam: Angelina Jolie in «Maria» (Bild: Studiocanal)

Die griechisch-amerikanische Sängerin Maria Callas (1923-1977) ist besonders für queere Opernfans ein Idol, das sie abgöttisch verehren. Zuletzt hat ihr Rosa von Praunheim mit «Operndiven – Operntunten» ein LGBTIQ-Denkmal gesetzt. Diese Woche kommt ein neuer Film über die Callas ins Kino.

Früh in ihrem Leben hat Angelina Jolie ihr Talent bewiesen. Sie gewann 2000 einen Oscar, zählte zu den am besten verdienenden Schauspielerinnen in Hollywood. In den vergangenen Jahren wurde es, was Filme angeht, eher still um die 49-Jährige. Sie engagierte sich politisch, verbrachte Zeit mit ihren sechs Kindern, arbeitete als Regisseurin - und stand wegen juristischer Streitigkeiten mit ihrem Ex-Mann Brad Pitt im öffentlichen Fokus. 

Auch wenn sie nie ganz von der Kinoleinwand verschwand: Mit «Maria» feiert Jolie jetzt ein glamouröses Comeback. Dass sie für ihre Rolle als legendäre Opernsängerin Maria Callas nicht für einen weiteren Oscar nominiert wurde, sorgte unlängst für Verwunderung. 

Jolie trainierte sieben Monate Operngesang

Denn Jolie ist mit grossem Perfektionismus an die Rolle herangegangen und geht ganz im Image der so begnadeten wie fragilen Sängerin auf. Sie habe sieben Monate Operngesang trainiert, erzählte die US-Amerikanerin in Interviews. Im Film werden Jolies und Callas' Gesang ineinander gemischt.

Das Drama von Pablo Larraín erzählt von den letzten Lebenstagen Callas' in den 1970er Jahren in Paris. Und fokussiert sich in seiner fiktionalen Nacherzählung ganz auf Callas' Image als geniale, kapriziöse Diva. Entstanden ist ein visuell berauschendes Kammerspiel.

Opulente Morgenmäntel und Beruhigungstabletten

Callas, die 1977 mit nur 53 Jahren an einem Herzinfarkt starb, lebte am Schluss weitgehend isoliert. Der Film zeichnet sie als sensible, aber auch herrische Person, die ausser ihrer Haushälterin (Alba Rohrwacher) und ihrem Diener (Pierfrancesco Favino) kaum soziale Kontakte hat.

In opulenten Morgenmänteln schreitet sie durch ihr barockes Pariser Appartement, kommandiert ihr Personal, blickt in die Ferne, nimmt kaum Essen zu sich, dafür aber viele Beruhigungsmittel. Sie denkt über ein Comeback nach, doch ihre Stimme ist schwach. 

Regisseur Larraín: Callas war «in diesem Haus eingeschlossen»

«Etwas, das ich für die Rolle und das Leben von Callas für wichtig halte, ist, dass sie aufgrund des öffentlichen Drucks, des Zustands ihrer Stimme, des Konflikts mit ihrer biologischen Familie ... mit dem gesamten Planeten, so isoliert von der Welt war», sagte Regisseur Larraín bei den Filmfestspielen Venedig, wo das Werk Premiere feierte (MANNSCHAFT berichtete). «Sie war in diesem Haus eingeschlossen.»

Viel Zeit verbringt Callas im Film damit, in Erinnerungen zu schwelgen, unterstützt durch einen jungen Reporter, der sie zu Hause interviewt. Ob sie sich das Gespräch nur vorstellt oder es wirklich passiert, ist wie bei vielen Szenen im Film nicht klar. Callas schwelgt in Erinnerungen an ihre grosse Liebe Aristoteles Onassis, an gefeierte Auftritte, aber auch ihre teils problematische Kindheit.

Angelina Jolie als Callas neben Haluk Bilginer als Onassis in «Maria»
Angelina Jolie als Callas neben Haluk Bilginer als Onassis in «Maria» (Bild: Studiocanal)

Dramen über leidende Frauen der Weltgeschichte

Larraín, der zuvor mit «Jackie» und «Spencer» bereits zwei Dramen über leidende Frauen der Weltgeschichte gedreht hat (MANNSCHAFT berichtete), legt Wert auf die ästhetische Inszenierung. Jedes Bild ist bis ins Detail durchdacht und toll anzusehen. Doch wie schon seine Vorgängerfilme wirkt der Film etwas statisch. Man kommt der Hauptfigur nicht wirklich nah.

«Jedes Bild ist bis ins Detail durchdacht und toll anzusehen»

Lisa Forster, dpa

Das ist gewollt: Larraíns Filme sind keine klassischen Biopics, die den Zuschauern die wichtigsten Fakten aus dem Leben berühmter Persönlichkeiten präsentieren. Mehr geht es um gesellschaftliche Mechanismen, die Frauen in bestimmte Verhaltensweisen zwängen. Callas wird im Film von Journalisten bedrängt, einen spielt Kodi Smit-McPhee, der als schwuler junger Mann in «The Power of the Dog» von Jane Campion Furore macht. An einer Stelle sagt Callas zu ihm: «Es gibt kein Leben abseits der Bühne.»

Man konnte schon bei früheren Besetzungen – Natalie Portman als Jackie Kennedy und Kristen Stewart als Lady Diana – vorsichtige Parallelen zwischen den Images der Schauspielerinnen und ihren Rollen in diesen Filmen ziehen. So auch in «Maria».

Kodi Smit-McPhee als Reporter in «Maria»
Kodi Smit-McPhee als Reporter in «Maria» (Bild: Studiocanal)

Jolie über Gemeinsamkeiten mit Callas

Einem Reporter der New York Times erzählte Jolie, sie könne sich mit der Isolation der Callas identifizieren. «Einsamkeit ist keine schlechte Sache», sagte sie. «Wir werden beide als stark angesehen, aber in Wirklichkeit sind wir sehr verletzlich und menschlich», führte sie aus. «Ich glaube nicht, dass sich eine von uns beiden in der Öffentlichkeit wohlfühlt.»

Auch mit der Musik könne sie sich identifizieren. Zwar sei sie mit Punkmusik aufgewachsen und ihre Lieblingsband sei The Clash, sagte Jolie in Venedig. Aber inzwischen hege sie auch eine grosse Liebe für die Oper. «Wenn du ein erfülltes Leben hattest, wenn du an einem bestimmten Punkt ein gewisses Mass an Verzweiflung, an Schmerz, an Liebe gefühlt hast, dann gibt es nur bestimmte Klänge, die zu diesem Gefühl passen.»

Die Oper sei «der einzige Klang, der diesen bestimmten Schmerz erklären kann». Wayne Koestenbaum hat darüber ein ganzes Buch geschrieben («The Queen’s Throat: Opera, Homosexuality and the Mystery of Desire», auf Deutsch etwas unspannend unter dem Titel «Königin der Nacht» erschienen), darin untersucht er dieses Phänomen aus schwuler Perspektive und behandelt Callas und das Identifikationspotenzial in aller Ausführlichkeit.

Blick in die eigene Vergangenheit: Angelina Jolie als Callas in «Maria»
Blick in die eigene Vergangenheit: Angelina Jolie als Callas in «Maria» (Bild: Studiocanal)

Es ist vielleicht diese Identifikation, die viele spüren, die Jolie dazu brachte, mit einer grossen Hauptrolle auf die Kinoleinwand zurückzukehren. Zweifellos nehmen sowohl die Schauspielerin als auch der Regisseur Callas und ihr Vermächtnis jedenfalls sehr ernst. Und das ist vielleicht am Ende der grösste Reiz dieses Films.

Von Lisa Forster, dpa

Der preisgekrönte US-Komponist Tobias Picker hat mit seinem Lebenspartner Aryeh Lev Stollman eine zweiaktige Oper über die trans Pionierin Lili Elbe (1882-1931) geschrieben. In St. Gallen wurde das Werk uraufgeführt (MANNSCHAFT berichtete).

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