EVP-Mann kämpfte gegen Ehe für alle – obwohl Vater schwul ist

Die Versöhnung erfolgte am Abstimmungstag

Rund 200 Menschen machten die Reise nach Nesslau, einem kleinen Dorf am Ende der S-Bahn-Linie von St. Gallen. (Bild: Hannes Sturzenegger)
Nesslau: Auch hier wurde für die Ehe für alle gekämpft (Bild: Hannes Sturzenegger)

Marc Jost von der EVP setzte sich aktiv im Abstimmungskampf gegen die Ehe für alle ein. Sein eigener Vater ist allerdings schwul und hoffte auf den Sieg für die Liebe.

Er diskutierte in der «Arena» auf der Seite der Gegner*innen und argumentierte im «Club» (beide SRF) gegen die Erweiterung der zivilen Ehe, um sie gleichgeschlechtlichen Paaren zugänglich zu machen. Marc Jost ist Politiker bei der Evangelischen Volkspartei (EVP), die gemeinsam mit einigen SVP- und CVP-Anhänger*innen, der noch konservativeren EDU und weiteren Gruppen das Referendum gegen die Ehe für alle organisiert hatte. Dabei arbeitete die Nein-Seite mit umstrittenen Mitteln (MANNSCHAFT berichtete).

Am Sonntag verfolgte der 47-Jährige zusammen mit seinem Vater Samuel Jost die Abstimmungsergebnisse über ihre Handys. So weit, so gewöhnlich. Nur Samuel ist für die Eheerweiterung, schliesslich möchte er seine eingetragene Partnerschaft gerne in eine solche gleichberechtigte Ehe umwandeln lassen.

Ich hätte nicht gedacht, dass es für mich so schwer werden würde.

Als der heute 75-Jährige das Lehrer*innenseminar begann, bemerkte er, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt. Aus Angst vor dem Coming-out, vor allem in der Position als Lehrer, verheimlichte Samuel Jost seine Homosexualität. Er wünschte sich auch eine Familie, deshalb heiratete er eine Frau und bekam drei Kinder, denen er den Glauben an Gott weitergab.

«Meine Frau und ich begegneten uns auf Augenhöhe», sagt Samuel gegenüber dem Blick, der die beiden am Abstimmungstag begleitete. «Ich hätte nicht gedacht, dass es für mich so schwer werden würde.» Er leidet, versucht sich sogar das Leben zu nehmen. Damals war sein mittlerer Sohn Marc noch ein Kind. Die Eltern verheimlichten ihnen die Schwierigkeiten, doch die Kinder bemerkten es trotzdem.

Später trat Marc Jost der EVP bei; er wusste noch nichts davon, dass sein Vater schwul ist. Als er 20 wird, outet sich sein Vater. Er hatte sich in einen Mann verliebt und wollte es nicht mehr geheim halten. 27 weitere Jahre später, stimmt die Schweiz ab, ob Samuel und sein Partner heiraten dürfen. Marc ist dagegen: «Ich wehre mich dagegen, dass man Kindern den Vater wegnimmt, ohne dass sie etwas dazu sagen können».

Als die erste Hochrechnung eintraf war klar, dass Marc verloren hat und Samuel nun auch in der Schweiz heiraten kann. 64.1% stimmten schlussendlich Ja (MANNSCHAFT berichtete). Bereits mit dem Ergebnis versöhnen sich die beiden. «Ich bin stolz auf meinen Sohn. Er ist attraktiv, intelligent und argumentiert gut», sagt Samuel im Video bei Blick. Er hatte diese Positionen früher auch vertreten. «Marc orientiert sich stark am Ideal. Das kann ich verstehen. Aber meine Realität ist inzwischen eine andere geworden.»

Für die Ehe für alle ist Marc Jost immer noch nicht, aber inzwischen akzeptiert er die Beziehung seines Vaters. Der EVP-Mann, sein Vater und dessen Partner feiern zusammen Weihnachten und besuchen die Konzerte des Partners. Der arbeitet als Cellist in Freiburg im Breisgau, wo das Paar zusammen lebt.

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