«Ein Mann, der vom Feind vergewaltigt wird, gilt als feminisiert und schwul»
Rund 100'000 Menschen wurden im Bosnienkrieg getötet oder gelten noch immer als verschollen. Sexualisierte Gewalt war ein Mittel der Kampfführung, sie traf vor allem Frauen, aber auch Männer.
Rund 100'000 Menschen wurden während des Bosnienkrieges zwischen 1992 und 1995 getötet oder gelten bis heute als verschollen, die meisten davon muslimische Bosniaken. Über zwei Millionen Menschen flohen vor den Kriegsgräuel oder wurden im Rahmen «ethnischer Säuberungen» vertrieben. Massenvergewaltigungen wurden zu einem Teil der systematischen Kriegsführung. Die Gewaltexzesse und die ethnisch motivierte Vertreibung führten zur Auslöschung ganzer Gemeinden, so die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
Von sexualisierter Gewalt waren vor allem muslimische Frauen betroffen, auch auf serbischer und kroatischer Seite. Aber es traf auch Männer.
Wie viele genau, ist unklar. «Wie zählt man und welche Taten zählt man überhaupt?», sagt Heleen Touquet von der Universität Antwerpen gegenüber der Zeitschrift Annabelle. Die Wissenschafterin und Professorin arbeitet derzeit an einem Buch zum Thema. Gezielte Schläge auf die Genitalien beispielsweise seien als Foltermethode im Bosnienkrieg so verbreitet gewesen, dass sie oft gar nicht als sexualisierte Gewalt verstanden worden seien. Aber: «Natürlich ist es genau das.»
Gefangene wurden geschlagen, mit elektrischen Schocks an Genitalien und anderen Körperteilen gequält oder zum Sex gezwungen, auch von Frauen. Vier Männer berichten in Annabelle von ihren schlimmen Erfahrungen.
Laut Yuriy Nesterko von der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig ist sexualisierte Gewalt im Krieg, die gegen Männer ausgeübt wird, keine Ausnahme ist. Ob in Syrien, in der Ukraine oder im ehemaligen Jugoslawien: Immer wenn eine Ethnie über eine andere siegen wolle, wenn sie für sich und ihre jeweilige Religion das alleinige Daseinsrecht beanspruche, steige die Wahrscheinlichkeit, dass sexualisierte Gewalt ausgeübt wird.
Starre Männlichkeitskonzepte vergrössern diese Wahrscheinlichkeit noch. Denn in stark patriarchalen Gesellschaften, die den Mann über die Frau stellen und denen ein sehr binäres Geschlechterbild zugrunde liegt, bedeutet eine gesunde Männlichkeit Unversehrtheit, Widerstandskraft, die Fähigkeit, andere zu schützen. «Ein Mann aber», erklärt Nesterko, «der durch einen anderen des feindlichen Kollektivs vergewaltigt wird, hat in einem solchen Weltbild versagt; er gilt als feminisiert und schwach, als gedemütigt, oftmals auch als homosexuell.»
Seit Jahren tritt der EU-Beitrittsprozess von Montenegro, Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo auf der Stelle. Eine Aussenminister-Konferenz in der nordirischen Hauptstadt Belfast soll angesichts wachsender Sorge in der Europäischen Union, dass die Region sich immer stärker Russland und China öffnet, neuen Schwung in den sogenannten «Berliner Prozess» zur Annäherung der Länder an die EU bringen. Den Vorsitz in dem 2014 von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Leben gerufenen Format hat derzeit Grossbritannien. Für Deutschland nimmt Außenminister Johann Wadephul (CDU) teil..
Bosnien-Herzegowina hat den Status eines Beitrittskandidaten, ist aber bislang noch nicht in Verhandlungen. Das Kosovo ist potenzieller Beitrittskandidat
Gut 30 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica im Bosnien-Krieg und weiteren Kriegen in der Region des ehemaligen Jugoslawien in den 1990er und frühen 2000er Jahren schwelen auf dem Westbalkan weiterhin Konflikte.
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