Ein Segen gegen den Vatikan – «Raus aus den Hinterzimmern»
Überall in Deutschland und zum Teil auch in der Schweiz wollen katholische Priester in diesen Tagen alle liebenden Paare segnen
Nach dem kategorischen Nein des Vatikans zur Segnung homosexueller Partnerschaften geht ein Aufschrei durch die katholische Kirche. Eine Protestwelle schwappt inzwischen weit über Reformbewegungen hinaus. Und diese Welle erreicht nun ihren vorläufigen Höhepunkt. Von Britta Schultejans, dpa
Erst waren es nur Worte, nun folgen Taten: Überall in Deutschland und zum Teil auch in der Schweiz (MANNSCHAFT berichtete) wollen katholische Priester in diesen Tagen alle liebenden Paare segnen – ob schwul, lesbisch oder hetero. Und das, obwohl der Vatikan kürzlich erst bekanntgeben hat, was er davon hält, homosexuelle Partnerschaften zu segnen: nichts nämlich. Was nun auf diese Absage folgt, ist durchaus ein offener Affront, eine Demonstration des Ungehorsams, der doch als so ungehörig gilt bei Katholiken.
Der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose hat schon direkt nach dem kategorischen Nein der vatikanischen Glaubenskongregation (MANNSCHAFT berichtete) als Mitinitiator 2600 Unterschriften von Menschen aller pastoraler Berufsgruppen und aus allen Diözesen Deutschlands zusammengetragen, die damit zeigen wollen, dass sie das Segnungsverbot für falsch halten. Unter den Unterstützern waren Priester, Ordensleute, Theolog*innen, Seelsorger*innen sowie Gemeinde- und Pastoralreferent*innen. Mit ihrer Unterschrift erklärten sie sich bereit, weiterhin gleichgeschlechtlich liebende Paare segnen zu wollen.
Und genau das passiert nun: Unter dem Motto #liebegewinnt sind rund um den Hauptaktionstag am 10. Mai herum – eine Woche vor dem Internationalen Tag gegen Homophobie – Gottesdienste überall in Deutschland eingetragen. Gesegnet wird von Aachen bis Zornheim, von München über Würzburg, Frankfurt, Köln und Berlin bis Quakenbrück. Klare Schwerpunkte liegen im Norden und Westen. Nur vier geplante Segnungsmessen gibt es in Bayern – drei in Würzburg, eine in München.
Vielen Priestern sei das alles inzwischen einfach zu viel, sagt Hose. «Diese Kluft zwischen der alltäglichen Arbeit in der Seelsorge und dem, was aus Rom kommt an teilweise doch sehr überkommenen und überholten Vorstellungen, das löst Spannungen aus, die für viele immer unerträglicher werden», meint er. Die Kirche habe zunehmend an Autorität und Glaubwürdigkeit verloren, Sexualität sei zum Thema der Macht und des Machtmissbrauchs geworden. Der Protest, der sich nun regt, sei «ein Ventil, das sich jetzt geöffnet hat». Auch wenn es solche Segnungen im Geheimen lange schon gegeben habe – Segnen sei eine öffentliche Sache. «Und wir wollen raus aus den Hinterzimmern.»
Die Segnungsgottesdienste sind der vorläufige Höhepunkt einer Welle, die der Vatikan unter vielen Katholiken in Deutschland und inzwischen auch unter katholischen Priestern ausgelöst hat mit seinem Nein.
Ob diese Welle nun bricht oder weiter Fahrt aufnimmt, wird auch davon abhängen, wie die deutschen Bischöfe sich positionieren zu den Protestaktionen in ihren Diözesen. Der Chef der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hält die Aktion «nicht für ein hilfreiches Zeichen und einen weiterführenden Weg», wie er sagte. «Segnungsgottesdienste haben ihre eigene theologische Würde und pastorale Bedeutung. Sie sind nicht als Instrument für kirchenpolitische Manifestationen oder Protestaktionen geeignet.» (MANNSCHAFT berichtete)
Konservative Katholiken rufen die Bischöfe beispielsweise in dem erzkonservativen Forum kath.net zu mehr Deutlichkeit auf, zu Konsequenzen. Sie fordern beispielsweise die Exkommunikation derjenigen, die sich nicht an die klare Ansage aus Rom halten.
Maria 1.0 ruft alle Katholik*innen und Menschen guten Willens dazu auf, den Rosenkranz zu beten.
Auch die Bewegung «Maria 1.0», als konservative Gegenbewegung zu den feministischen Aktivistinnen von «Maria 2.0» gegründet, fordert die Bischöfe auf, tätig zu werden. «Die geplanten Segnungsfeiern sind eine gezielte Provokation in Richtung von Papst Franziskus und sollten daher von den Priestern unterlassen werden», sagt Clara Steinbrecher, seit Anfang des Monats Leiterin der Initiative. Die Einheit mit Rom müsse unbedingt gewahrt bleiben. Ausserdem ruft «Maria 1.0» «alle Katholiken und Menschen guten Willens» dazu auf, an diesem 10. Mai den Rosenkranz zu beten.
Die Fülle der Veranstaltungen solle auch den einzelnen Priester, der sich in dieser Sache ausdrücklich gegen Rom stellt, schützen, betont Burkhard Hose, der auf Zurückhaltung der Bischöfe hofft. «Wer darauf mit disziplinarischen Maßnahmen reagiert, enttarnt sich.»
Es gab eine Zeit, in der ein Machtwort aus Rom Debatten beendete. Doch «Roma locuta, causa finita» – das war einmal. Dass es überhaupt so weit gekommen ist, dass Priester sich ganz offen gegen Rom stellen, sieht Martin Kirschner, Professor für Theologie in Transformationsprozessen an der Katholischen Universität Eichstätt, als Beleg für eine Art Zeitenwenden. Denn das entschiedene Nein des Vatikans zur Segnung homosexueller Partnerschaften hat die Diskussion darum nicht etwa erlöschen lassen, sondern in bislang nicht da gewesener Form angefacht.
«Es ist der Versuch, den Raum der Kirche zu besitzen und zu bestimmen, auch um offene Kommunikationsprozesse zu unterbinden», sagt Kirschner. Und dieser Versuch sei ins Gegenteil umgeschlagen: «Jetzt kann man beobachten, wie eine solche Intervention das Gegenteil von dem erreicht, was sie angeblich bewirken will: Statt eine Debatte zu beenden, wird diese Debatte gerade losgetreten, und zwar mit voller Wucht», betont er. «Ein Machtwort, das Teile der Wirklichkeit ausblendet und die Konflikte zu unterbinden sucht, untergräbt die eigene Autorität. Es macht das sichtbar, was aus der eigenen Position ausgeschlossen und verleugnet wird.»
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