LGBTIQ-Organisationen erhalten Geld von queerer Millionenerbin
Reich wurde Marlene Engelhorn nach dem Tod ihrer Oma
Die deutsch-österreichische, queere Millionenerbin Marlene Engelhorn gibt einen Grossteil ihres Vermögens an die Allgemeinheit zurück (MANNSCHAFT berichtete). Nun hat ein Bürgerrat über die Verwendung von 25 Millionen Euro entschieden.
Die 32-jährige BASF-Millionenerbin und Sozial-Aktivistin Marlene Engelhorn gehörte lange Zeit zu den reichsten queeren Personen im deutschsprachigen Raum. Engelhorn studiert derzeit Germanistik in Wien. Über ihr Privatleben möchte sie nicht viel sagen. Es ist allerdings bekannt, dass sich Engelhorn als queer bezeichnet. Sie engagiert sich unter anderem bei queerconnexion, einem in Wien ansässigen Verein für queere Bildungsarbeit. Die queere Aktivist*innen des Vereins besuchen Schulklassen sowie ausserschulische Jugendgruppen und bieten dort interaktive Workshops an. In diesen Workshops geht es um die sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentitäten und Geschlechterrollen.
Reich wurde Engelhorn durch ihre im Herbst 2022 in der Schweiz verstorbene Grossmutter, die ihr viel Geld vererbt hat. Die queere Aktivistin hat sich entschlossen, 90 Prozent ihres Millionenerbes zu spenden. Denn in Österreich gibt es keine Erbschaftssteuer. Engelhorn hält es für ungerecht, dass sie die Millionen ihrer Grossmutter steuerfrei erhält, ohne dafür etwas getan zu haben. In Summe stellt die Aktivistin 25 Millionen Euro zur Verfügung. Über die Verteilung des Geldes soll ein «Guter Rat für Rückverteilung» entscheiden. Dieser Rat besteht aus 50 Personen, die repräsentativ für Österreichs Wohnbevölkerung stehen.
Nach mehreren Treffen hat der Rat nun entschieden, dass die 25 Millionen Euro an 77 Vereine und Organisationen verteilt wird. Am meisten erhalten der Naturschutzbund Österreich und das Neunerhaus, eine Einrichtung für obdachlose Menschen. Aber auch queere Organisationen können sich über eine Geldspende freuen.
So werden die queeren Beratungsstellen Courage von Engelhorn 540’000 Euro erhalten. Courage bietet kostenlos und anonym Beratung vor allem für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans Personen und ihre Angehörigen an. Auf dem Programm von Courage stehen auch Selbsthilfe- und Selbsterfahrungsgruppen sowie Seminare. Courage hat in den vergangenen Jahren stark expandiert. Neben Wien werden mittlerweile auch Beratungen in vielen österreichischen Landeshauptstädten angeboten. Dazu gehören Graz, Salzburg, Innsbruck, Linz, Klagenfurt und St. Pölten.
Zudem hat der «Gute Rat» beschlossen, dass der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern 860’000 Euro bekommen wird. Der Klagsverband setzt sich unter anderem für queere Personen ein. Immer wieder kritisiert der Verband, dass queere Personen in Österreich bis heute nicht vor Diskriminierung im Privatleben, beim Wohnen, in der Bildung oder beim Sozialschutz geschützt sind. Der Klagsverband vertritt auch Personen vor Gericht. So bekam im Vorjahr eine HIV-positive Frau in erster Instanz Schadenersatz zugesprochen, weil sie bei ihrer Zahnärztin diskriminiert wurde. Zu den Gründungsmitgliedern des Klagsverbands gehört unter anderem die Homosexuellen Initiative Wien (Hosi Wien). Mittlerweile sind auch viele andere queeren Vereine dem Klagsverband beigetreten wie die Aids Hilfe Wien, die Austrian Gay Professionals, Famos Regenbogenfamilien, die Hosi Salzburg, Queer Base, die Queer Business Woman, TransX (Verein für TransGender Personen) und VIMÖ (Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreichs).
Von der queeren Aktivistin Engelhorn wird auch der Verein Boja (das bundesweite Netzwerk Offene Jugendarbeit) 421’000 Euro erhalten. Boja engagiert sich unter anderem für queersensible Jugendarbeit. Erst vor Kurzem veranstaltete das Netzwerk eine Fachtagung über die Herausforderungen für junge, queere Menschen und über eine queersensible Haltung in der Offenen Jugendarbeit.
Ein Grossteil meines geerbten Vermögens hat mich in eine Machtposition gehoben, die jedem demokratischen Grundsatz widerspricht.
Engelhorn bedankte sich bei den 50 Personen, die über die Verteilung ihres Vermögens entschieden haben. «Ein Grossteil meines geerbten Vermögens, das mich durch meine Geburt in eine Machtposition gehoben hat, die jedem demokratischen Grundsatz widerspricht, wurde nun im Einklang mit demokratischen Werten rückverteilt», so die Erbin. Engelhorn sagte zum Abschluss, sie sei den 50 Ratsmitglieder*innen «für ihre Arbeit, die sich nicht allein auf die Rückverteilung beschränkt hat, sondern vor allem die Frage der Auswirkungen unserer ungleichen Vermögensverteilung in den Blick genommen hat, unendlich dankbar».
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