«Bunter Quatsch» – Kontroversen um Regenbogenbemalung
In Marburg und Jena sorgen LGBTIQ-Projekte für heftige Diskussionen
In Hessen peppen sechs Frauen der Gruppe «Omas gegen rechts» Sitzbänke auf, in Thüringen wehren sich konservative Bürger*innen gegen einen neuen Zebrastreifen in der Innenstadt.
Die Regenbogenfarben stehen für die Marburger Omas gegen rechts für Hoffnung, Frieden und Vielfalt. Damit sich diese Botschaft im Stadtbild widerspiegelt, haben sie nunmehr fünf Bänke farblich neue gestaltet. (MANNSCHAFT berichtete über Regenbogenstufen am Marburger Landgrafenschloss.)
Die erste hatten die Omas gegen rechts im Dezember 2024 am Kirchhof der Lutherischen Pfarrkirche übergeben. Im Frühjahr kamen noch vier weitere hinzu: Eine Bank steht nun «Am Krekel», einem Radweg mit Blick auf die Lahn.
Eine weitere findest sich am Mühlgraben. Die Nordstadt wiederum hat einen Blickfang unter der Stadtautobahnbrücke erhalten, die vierte Bank, die von den Omas gegen rechts in diesem Frühling ein neues Outfit bekamen, steht laut Bericht der Oberhessischen Presse nun am Kindergarten Eisenacher Weg im Stadtteil Richtsberg.
Demokratie und Vielfalt sichtbar machen
Für die ehrenamtliche Arbeit der Frauen stellte die Marburger Künstlerin Elisabeth Sabo ihr Atelier zur Verfügung. Die Stadt selbst unterstütze das Projekt mit Geld für Material und Farben, heisst es.
Die Idee, die Vielfalt einer Stadt sinnbildlich zum Ausdruck zu bringen, zieht Kreise. So wird zum Beispiel auch die Ludwig-Bickell-Treppe, die von der Oberstadt zum Schloss hinaufführt, von der Stadt in den Farben des Regenbogens umgestaltet werden. «Wir haben mit unserer Initiative, Demokratie und Vielfalt in Marburg sichtbar zu machen, offensichtlich etwas bewegt», sagt Ingrid Peters von den Omas gegen rechts gegenüber der OP.
Keine Bank gleiche der anderen, jede greife auf besondere Weise die Farben des Regenbogens auf. «Das ist so kreativ, ich bin total überrascht von den Unterschieden», sagt Gesine Rothmund, ebenfalls von den Omas gegen rechts, im Interview.
Zebrastreifen vorm kulturträchtigen Volkshaus
Während die Zustimmung der Bevölkerung im hessischen Marburg laut OP gross ist, erhitzt ein ähnliches Projekt in Thüringen die Gemüter. In Jena soll an einer belebten Strasse vor einem Museum und dem kulturträchtigen Volkshaus ein Regenbogen-Überweg ebenfalls ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt setzen. Doch obwohl dort noch kein einziger Farbstrich aufgetragen wurde, gibt es bei den Bürger*innen bereits erhitzte Diskussionen.
«Der Überweg soll zeigen: Wir sind ein sicherer Ort für die queere Community», wird Petra Teufel, Stadträtin in Jena für die FDP, vom Magazin Focus zitiert. Der Regenbogenstreifen sei das erste Projekt dieser Art in ganz Thüringen, heisst es.
Auf der Facebook-Seite der Ostthüringer Zeitung wird darüber kontrovers und öffentlich diskutiert. Viele sprechen da von «buntem Quatsch» und «unnötigem Aktionismus».
Besonders heftig diskutiert wird die Frage nach der Sinnhaftigkeit: «Was bringt es der Community, wenn da ein bunter Zebrastreifen ist? Falscher Ansatz, meiner Meinung nach», schreibt Facebook-Nutzer Sascha Möller. Heiko Ebert äussert sich ebenfalls deutlich: «Diese Regenbogen-Streifen sind einfach nur Aktionismus. Die helfen nicht wirklich, ergeben wenig Sinn, kosten Geld und ob die der Strassenverkehrsordnung entsprechen, ist auch sehr umstritten.»
Auch die Finanzierung aus dem sogenannten «Bürgerbudget» stösst auf Unverständnis. Der jährlich aus dem Gesamthaushalt der Stadt bereitgestellte Topf von 100‘000 Euro ermöglicht es Jenas Einwohner*innen, eigene Ideen zur Stadtgestaltung zu verwirklichen. Das Besondere: Bürger*innen können nicht nur Vorschläge einreichen, sondern auch selbst darüber abstimmen, welche Projekte umgesetzt werden sollen.
Der Vorschlag für den Regenbogenüberweg erhielt 223 Stimmen, heisst es, er wurde damit zur beschlossenen Massnahme. Rund 5000 Euro sollen demnach für die Umsetzung aufgewendet werden, inklusive möglicher Farberneuerung nach fünf Jahren.
Auf die Abstimmung verweist auch Stadträtin Teufel: «Die Idee wurde von den Bürgern getragen», betonte sie in der Osttühringer Zeitung.
Auf Facebook gibt es durchaus auch Applaus für den Regenbogenstreifen: «Cool. Gibt es in Bonn auch. Hat sich niemand drüber aufgeregt», kommentiert eine Userin namens Andrea Bode. Jochen Weeberschreibt: «Das ist das Zeichen dafür, dass Mitbürger, die queer sind, als Menschen willkommen und akzeptiert sind. Sollen sich Männer, die einander lieben, immerzu verstecken? Soll jemand, der für sich gemerkt hat, dass er mit dem falschen Geschlecht geboren ist, ängstlich in seinem Kämmerlein sitzen? Nein.»
Wenn alles nach Plan läuft, soll der Regenbogen-Streifen noch vorm Christopher Street Day am 21. Juni in Jena eingeweiht werden. Man darf gespannt sein, ob es dann zu Vandalismus kommt, wie er zuletzt vermehrt in ostdeutschen Städten zu beobachten war (MANNSCHAFT berichtete).
«Fast alle meine Freunde in der Armee sind bereits tot» – Zehntausende Tote, kaputte Städte, verwüstete Landschaften – 2014 besetzte Russland völkerrechtswidrig die Krim und führt seit 2022 Krieg gegen die gesamte Ukraine. Was sich aktuell als möglicher Frieden abzeichnet, wirkt düster (MANNSCHAFT berichtete).
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