«Portrait» – Lebensroman eines schwulen Wiener Lebemannes
Veit Georg Schmidt von der Buchhandlung Löwenherz in Wien hat das Buch von uns gelesen
Das Leben eines schwulen Mannes erzählt aus den Augen dreier ihm nahestehenden Personen: Veit Georg Schmidt von der Buchhandlung Löwenherz in Wien hat «Portrait» von Jürgen Bauer für uns gelesen.
Der erste Absatz Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Schau mich an, wie alt ich geworden bin, und da soll ich nochmal Erinnerungen hervorholen? Damit es dem feinen Herrn besser geht? Du hast nix mehr mit mir zum tun haben wollen, und jetzt soll ich mich bemühen und mir was zusammendenken, von früher. Ich werd dir schon sagen, wer du bist. An meinen Sohn, an den kann ich mich schon noch erinnern, auch wenn ich auf die Neunzig zugeh, seinen Sohn vergisst man nicht. Und wenn ich was erzähl, dann nur aus einem Grund. Jetzt bist du nämlich dort, wo ich dich einmal haben hab wollen.
Das Genre Ein raffiniert geschriebener schwuler Lebensroman, der aus drei verschiedenen Perspektiven geschrieben ist: Derjenigen der Mutter, des Liebhabers und der Ehefrau.
Die Handlung Im Zentrum des Buches steht Georg, erfolgreicher Jurist in einem Ministerium in Wien. Doch nicht Georg kommt zu Wort, sondern drei Personen, die ihm im Lauf seines Lebens nahestehen. Als erstes spricht Mariedl, seine Mutter, eine steinalte Bäuerin, völlig verfangen in den Ansichten ihrer Generation und des ländlichen Katholizismus. Und so ist es ein harter Bruch, wenn das zweite Kapitel einsetzt und Gabriel, Georgs fast 20 Jahre jüngerer Liebhaber, mit seiner Fassung beginnt. Hatte Mariedl noch ruhig und bestimmt ihre Sicht vorgetragen, plaudert Gabriel jetzt wild drauf los und es entspinnt sich eine rasante Schilderung des schwulen Wiens der Siebziger und Achtziger.
Weiterer Buchtipp: «Selamlik» über Trauma, Homophobie und anderen Erlebnissen eines queeren Flüchtlings.
Und dann bricht der Roman erneut, denn als dritte Stimme erzählt Sara, Georgs Ehefrau. Die gescheiterte Opernsängerin wusste von Anfang an, worauf sie sich einliess. Ein Abkommen sicherte der Tochter aus gutem Hause ihre Freiräume, die sie im Gegenzug auch Georg gewährte.
Das Urteil Es ist nicht nur der Inhalt, der dieses Buch so grossartig macht. Es ist vor allem die sprachlich gekonnte Inszenierung von drei völlig unterschiedlichen Stimmen. Niemand in diesem Roman – einschliesslich Georg – ist ein Sympathieträger. Alle scheinen eigentlich nur Fehler zu machen. Aus diesen Trümmern erblüht aber eine Warmherzigkeit, in der man sich allen unfassbar nahe fühlt – letztlich auch Georg.
Jürgen Bauer: Portrait Roman, 316 Seiten Septime Verlag
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