Queer fürs Drama? Wenn Repräsentation im TV zur Farce wird
Was von homofeindlichen Vorfällen wie bei Jojo Siwa zu halten ist
Queerness als Konzept für Einschaltquoten in Reality TV. Die Fälle von JoJo Siwa und Zeudi di Palma in Big Brother zeigen, wie queere Identitäten in solchen Formaten zum Konfliktstoff instrumentalisiert werden.
Drama ist leider profitabler als Fürsorge, schreibt unsere Autorin in ihrem Kommentar*
Ich bin über Social Media auf Ausschnitte von Big Brother aufmerksam geworden – und was ich dort gesehen habe, hat mich nicht begeistert, sondern irritiert.
Das Reality-Format läuft weltweit in fast 70 Ländern und erreicht damit Millionen von Menschen. Über Wochen hinweg werden die Teilnehmenden rund um die Uhr im Haus beobachtet. Dabei sind Konflikte Teil des Konzepts.
Mit der weiteren Verfolgung der Geschehnisse haben mich zwei Storylines besonders beschäftigt: Zeudi di Palma in der letzten italienischen und die Amerikanerin JoJo Siwa in der aktuellen britischen Ausgabe.
Zeudi di Palma, Miss Italia 2021, wurde in der italienischen Produktion von «Promi Big Brother» das Zentrum der Geschehnisse aufgrund ihrer offen ausgelebten Bisexualitä und dadurch zur Storyline der Sendung. Die 21-Jährige war wiederholt homophoben Kommentaren und Verhaltensweisen im Haus ausgesetzt. Obwohl sie in meinen Augen mehr Reife, Empathie und Reflexion an Tag legte als andere Mitspieler*innen, wurde sie aufgrund ihrer Sexualität sowohl von anderen Teilnehmenden wie auch von der Moderation als verwirrt, unglaubwürdig und unreif dargestellt. Dabei machte Zeudi mehrfach deutlich, dass ihre Sexualität keine Verwirrtheit ist und wehrte sich mit beeindruckender Klarheit.
«Wenn ich länger als vier Tage bleibe, wirst du nicht mehr lesbisch sein.»
Mickey Rourke
Auch in der UK-Version zeigt sich das gleiche Muster. Die Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin Jojo Siwa, international bekannt durch die TV-Serie «Dance Moms», wurde in der aktuellen Staffel konstant zur Zielscheibe homophober Kommentare von Mickey Rourke. Der 72-jährige Schauspieler machte mehrfach herabwürdigende Bemerkungen über die Sexualität der 21-Jährigen. Beispielsweise sagte er: «Wenn ich länger als vier Tage bleibe, wirst du nicht mehr lesbisch sein» und «die Lesbe ganz schnell rauswählen».
Statt Konsequenzen gab es erst nur eine formelle Ermahnung. Die Aussagen liefen trotzdem im Fernsehen und JoJo, die sichtbar mit der Situation kämpfte, wurde zur tragenden Figur der Folge.
Schliesslich teilte der Sender ITV mit, der: «Mickey Rourke hat zugestimmt, das Promi-Big-Brother-Haus zu verlassen, nachdem er mit Big Brother über den weiteren Gebrauch von unangemessener Sprache und inakzeptablem Verhalten diskutiert hat.»
Und gerade verkündete Jojo, sie identizifiere sich nicht mehr als lesbisch, sondern als queer.
Reality-TV funktioniert nach einem simplen Prinzip: Reibung erzeugt Spannung und die bringt Einschaltquoten. Die Haltung, dass Konflikt gleich Unterhaltung ist, egal worauf der dieser beruht, ist problematisch. Diskriminierendes Verhalten gegenüber Teilnehmenden darf nicht zum Mittel werden Drama und Reibungsflächen für das Publikum zu erzeugen.
Was mich besonders stört: Weder bei Grande Fratello, noch bei Big Brother wurde das problematische Verhalten der Kandidat*innen klar benannt. Statt einzugreifen, überlässt man es anderen Mitbewohnerinnen, für queere Personen einzustehen und schafft so neue Konflikte und Gruppendynamiken, die das Drama am Laufen halten. Wer queere Menschen einlädt, sollte klare Regeln formulieren. Briefings geben. Grenzen benennen. Dort zeigt sich, dass Drama profitabler ist als Fürsorge.
Die Repräsentation von queeren Menschen in Mainstream-Fomaten können viel bewirken. Deshalb ist es wichtig, sie in solche Formate einzuladen. Zuschauer*innen fühlen sich gesehen und Teilnehmende wie Zeudi können zu einem wichtigen Rollenmodell im Kampf gegen Homophobie werden. Diese Wirkung kann jedoch nur eintreten, wenn die Darstellung respektvoll und mit Sorgfalt erfolgt.
Werden diese Personen vor allem dann in den Fokus gerückt, weil sie sich verteidigen müssen, diffamiert werden und ihre Grenzen zur Unterhaltung überschritten werden, dann läuft etwas grundlegend falsch. Wer Repräsentation ernst meint, muss auch Verantwortung übernehmen.
Werden diese Personen vor allem dann in den Fokus gerückt, weil sie sich verteidigen müssen, diffamiert werden und ihre Grenzen zur Unterhaltung überschritten werden, dann läuft etwas grundlegend falsch. Wer Repräsentation ernst meint, muss auch Verantwortung übernehmen.
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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