Japans erste Premierministerin ist eine Gegnerin der Ehe für alle

Sanae Takaichi wurde zur ersten Ministerpräsidentin des Landes gewählt.
Sanae Takaichi wurde zur ersten Ministerpräsidentin des Landes gewählt. (Bild: Eugene Hoshiko/AP/dpa)

Sie möchte Japans «Eiserne Lady» sein. Sanae Takaichi steht nicht nur aussen- und sicherheitspolitisch für einen Rechtskurs. Ihre Haltung zu queeren Themen und Frauenrechten sorgt für Kritik – auch in Japan selbst.

Japans stramm nationalkonservative Ex-Innenministerin Sanae Takaichi ist im Parlament zur ersten Regierungschefin ihres Landes gewählt worden. Die 64-Jährige tritt die Nachfolge des vergleichsweise liberalen Shigeru Ishiba an, der nach Wahlniederlagen ihrer Liberaldemokratischen Partei (LDP) kürzlich seinen Rücktritt erklärt hatte. Takaichi verdankt ihre Wahl dem neuen Bündnispartner der LDP, der konservativ-neoliberalen Partei Ishin.

Das Oppositionslager konnte sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Da die LDP als grösste Partei jedoch auch mit der Ishin eine Mehrheit im Parlament knapp verfehlt, wird sie weiterhin eine Minderheitsregierung stellen. Dass die Ishin kein einziges Mitglied in Takaichis neuem Kabinett stellt, zeigt nach Auffassung von Expert*innen die vorsichtige Distanz der Partei zum grossen Regierungspartner. Auch deshalb erscheine das Bündnis noch instabil.

Takaichi gilt als Hardlinerin – politisch rechts, gesellschaftlich konservativ. Ihr politisches Vorbild ist Margaret Thatcher, die ehemalige britische Premierministerin. Wie ihr Idol betont Takaichi Disziplin, Arbeitsethos und traditionelle Werte.

Kurz nach ihrer Wahl versprach sie ein Kabinett mit stärkerer weiblicher Vertretung – ähnlich wie in Island oder Finnland. Tatsächlich ernannte sie aber nur zwei Frauen in ihr 19-köpfiges Team: Satsuki Katayama als Finanzministerin und Kimi Onoda als Ministerin für wirtschaftliche Sicherheit. Das sind zwar Rekorde in der männerdominierten japanischen Politik, doch Kritiker*innen sehen darin keinen Wendepunkt.

Auch gesellschaftspolitisch steht Takaichi für konservative Kontinuität. Zwar sagte sie in einem Interview, es dürfe «keine Vorurteile gegenüber sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität» geben. Gleichzeitig lehnt sie die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare klar ab. In einer Wahlkampfdiskussion erklärte sie, gleichgeschlechtliche Beziehungen seien «in Ordnung», aber die Ehe sei laut Verfassung «eine Verbindung zwischen Mann und Frau».

Für viele queere Menschen in Japan ist das eine Enttäuschung. Zwar gibt es in einigen Städten Partnerschaftszertifikate für gleichgeschlechtliche Paare (MANNSCHAFT berichtete), doch diese verleihen keine gleichen Rechte wie die Ehe. Ein Gericht hatte 2024 entschieden, dass das Verbot der Ehe für alle verfassungswidrig sei – ein symbolischer Schritt, dem aber bislang keine Gesetzesänderung folgte (MANNSCHAFT berichtete).

Takaichi will das auch nicht ändern. Sie argumentiert mit «traditionellen Familienwerten» und spricht sich gegen Reformen aus, die Frauen erlauben würden, ihren Geburtsnamen nach der Heirat zu behalten. Auch weibliche Thronfolgerinnen im japanischen Kaiserhaus lehnt sie ab.

Feministische Stimmen reagieren ernüchtert. Die Soziologin Chizuko Ueno schrieb auf X, sie freue sich nicht über die erste Frau im höchsten Amt: «Das bedeutet nicht, dass die Politik dadurch freundlicher zu Frauen wird.» Andere hoffen dennoch auf Signalwirkung. Naomi Koshi, ehemalige Bürgermeisterin von Ōtsu, sagte, Takaichis Ernennung könne «psychologische Barrieren für Frauen in der Politik senken».

LDP will konservative Wählerschaft zurückgewinnen Mit Takaichi hofft die LDP, konservative Wähler*innen zurückzugewinnen, die sich der rechtsextremen Kleinpartei Sanseito zugewandt haben. Die offen ausländerfeindliche Partei konnte bei der Wahl zum Oberhaus des nationalen Parlaments im Juli deutlich zulegen. Ishin verspricht eine staatlich gelenkte Regulierung von Immigration, um den «ungeordneten Anstieg und regionale Spannungen durch Ausländer» entgegenzuwirken.

«Mit Ishin bekommt Japan eine deutlich weiter rechts stehende Regierung», sagte Axel Klein, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, der dpa in Tokio. Japans Verteidigungsfähigkeit soll deutlich gestärkt werden. Die Revision von Artikel 9 der seit 1947 unveränderten Verfassung, der Japan sicherheitspolitische Schranken auferlegt, wird realistischer. Die Ishin werde der LDP jedoch auch Reformzusagen abverlangen, darunter ein striktes Verbot von Unternehmensspenden an Politiker*innen und Parteien, erklärte Klein.

Populistische Themen treten verstärkt in Erscheinung Neben rechts- vereine die Ishin auch linkspopulistische Themen, sagte die Japanologie-Professorin Gabriele Vogt von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zum Markenkern der Partei gehöre das Schrumpfen der öffentlichen Verwaltung und des Parlaments. Sie vertrete die Interessen der einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen. Vieles, von einer Reform des Sozialsystems bis zur Unterstützung unterschiedlicher Nachnamen für verheiratete Paare, sei für die LDP unter Takaichi aber sicher kaum tragbar.

«Die Ishin ist in der schwierigen Lage, sich einerseits als Koalitionspartner der LDP anzunähern, zugleich aber wählbar zu bleiben für die zunehmend LDP-kritische Wählerschaft in Japan», sagte Vogt. Die Zusammenarbeit zwischen Takaichis LDP und der Ishin erscheine derzeit denn auch noch sehr fragil.

Mehr: «Elska» in Yokohama: Intime Einblicke in das queere Leben in Japan (MANNSCHAFT berichtete)

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