«Die Darstellung von Homosexualität im Kino der 80er war düster»

François Ozon im Interview mit MANNSCHAFT+

Filmemacher François Ozon (Foto: Christoph Soeder/dpa)
Filmemacher François Ozon (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Der Film «Sommer 85» von François Ozon handelt von der Liebe zwischen zwei Jugendlichen. Doch die Homosexualität steht nicht im Vordergrund. Dem französischen Regisseur geht es um etwas anderes, wie er in einem Interview sagt. Von Sabine Glaubitz, dpa

Mit «Sommer 85» über die Liebe zwischen zwei homosexuellen Jugendlichen hat François Ozon (53) einen seiner persönlichsten Filme gedreht. Eigentlich wollte der französische Erfolgsregisseur («Gelobt sei Gott») das Drama schon viel früher realisieren. Denn die Geschichte habe ihn damals fasziniert und stark angesprochen, wie er in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Der Film basiert auf dem Buch «Tanz auf meinem Grab» von Aidan Chambers. Wann haben Sie das Buch entdeckt? Mit 17 Jahren. Das Buch ist 1982 im Original, ein Jahr später auf Französisch erschienen. Ich war begeistert und habe mich mit der Geschichte identifiziert. Ich hatte mir sogar gesagt, dass ich daraus meinen ersten Film machen werde, sollte ich jemals zum Kino kommen.

Heute gehören Sie zu den bekanntesten Regisseuren Frankreichs. Und ihr erster Langfilm war schliesslich «Sitcom» aus dem Jahr 1998. Eine Geschichte über eine gut bürgerliche Familie, deren Sohn eines Tages seine Homosexualität verkündet. Warum haben Sie sich anders entschieden? Es hat sich alles anders ergeben. Dass ich den Film nun über 20 Jahre später drehe, bereue ich nicht. Mein Blick auf die Geschichte hat sich heute im Alter von über 50 Jahren etwas geändert.

In welchem Sinn? Ich hätte mich damals womöglich überwiegend auf die Beziehung der beiden Jungs konzentriert. In dem Film habe ich nun auch die Themen soziale Klassen und Religion angedeutet.

Sie haben in Ihrem Film die 80er Jahre idealisiert. Auch das Thema Aids haben Sie ausgeblendet, warum? In dem Film geht es darum, dass jeder seiner Geschichte entkommen kann. Jeder kann seinen Weg finden. Die Geschichte handelt nicht von Homosexualität oder Homophobie. Auch deshalb habe ich den Film damals drehen wollen. Denn die Darstellung der Homosexualität im Kino der 80er Jahre war düster und beängstigend, auch vor dem Aufkommen von AIDS. Überhaupt war diese Zeit schwierig und undankbar.

Warum? Das waren Jahre der Jugendarbeitslosigkeit, des Hyperliberalismus und der Zukunftsängste. Sexy war vor allem die Musik, vor allem englischer Pop.

Der Film ist in Frankreich im Juli 2020 erschienen, nach dem ersten Lockdown. Wie haben die Zuschauer auf ihren Film reagiert? Der Film hat eine etwas andere Bedeutung bekommen. Auf den Festivals haben die Leute gesagt, dass das Leben zu dieser Zeit eine traumhafte Epoche gewesen sei, ein Paradies.

François Ozon wurde am 15. November 1967 in Paris geboren. Nach seinem Filmstudium drehte er mehrere Kurzfilme. Zu seinen bekanntesten Werken zählen «8 Frauen», «Tropfen auf heisse Steine», «Frantz» und «Gelobt sei Gott», für den er 2019 auf der Berlinale den Grossen Preis der Jury erhielt.

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