«Was ist mit dir passiert?»: Wenn Musikstars die Öffentlichkeit meiden
«Ruhm ist ein zweischneidiges Schwert», schreibt der Psychologe Charles Figley
Seit einem Jahr herrscht auf den sozialen Kanälen von Lena Meyer-Landrut Funkstille. Auch Felix Jaehn, Shawn Mendes und Lewis Capaldi verschwinden für längere Zeit aus der Öffentlichkeit. Warum?
Vor einem Jahr postet Lena Meyer-Landrut auf Instagram mehrere Fotos ihrer Tour. «Ihr könnt euch nicht vorstellen wie froh ich bin wieder für euch da zu sein und mit euch zu feiern», schreibt die Sängerin zu den zehn Fotos und Videos. Seitdem herrscht Funkstille auf ihren sozialen Medien.
Unter dem Post gibt es mittlerweile über 3‘000 Kommentare von besorgten Lena-Fans aus dem In- und Ausland. «Was ist mit dir passiert?», «Lena gib uns bitte ein Zeichen» oder «Lena wir vermissen dich bitte komme zurück».
Doch es gibt kein Zeichen: Kein Foto. Kein Video. Keine neue Musik. Die ESC-Gewinnerin von 2010 («Satellite») hat die öffentliche Lena stummgeschaltet. Sie ist das, was sie zuletzt vor mehr als 15 Jahren war: eine Privatperson. Einen Grund für den Rückzug vom Ruhm nennt ihre langjährige Managerin auf dpa-Anfrage nicht.
Aber Lenas Schritt aus dem Scheinwerferlicht hat eine Vorgeschichte. Im vergangenen Sommer muss sie mehrere Konzerte kurzfristig absagen und cancelt später alle weiteren Shows. Per Sprachnachricht wendet sie sich damals an ihre Fans. Sie sei «zum dritten Mal in den letzten Wochen mit heftigen Schmerzkrämpfen in der Notaufnahme gelandet.» Sie müsse deshalb «die Reissleine ziehen» und eine «kurze Pause» für ihre Gesundheit einlegen.
Felix Jaehn: Erst Rückzug, jetzt Rückkehr ins Rampenlicht Auch beim Star-DJ Felix Jaehn aus Mecklenburg-Vorpommern, der seit dem Hit «Cheerleader» 2014 fast ununterbrochen um die Welt reiste, geht in den vergangenen zwölf Monaten die Gesundheit vor: keine Auftritte, keine Interviews, kaum Social-Media-Posts. «Ich war einfach nicht mehr in der Lage und mir ging es richtig schlecht. Ich musste weg und mir Hilfe holen», so das Bekanntnis gegenüber der Deutschen Presse-Agentur kürzlich beim «Rainbow Festival» in Köln.
Es war einer der ersten Gigs für Jaehn nach der Rückkehr ins Rampenlicht. «Ich bin jetzt wieder an einem Punkt, an dem ich an die Öffentlichkeit gehen kann und das aus einer inneren Ruhe und Stärke. Ich bin voll dankbar dafür, dass es mir jetzt wieder so gut geht.»
Aber der nicht-binäre Star (MANNSCHAFT berichtete über Jaehns Coming-out) wolle seinen Terminkalender nach wie vor luftig gestalten und schauen, wie es ihm nach einem Auftritt mental gehe. Jaehn begleite den Prozess weiter therapeutisch. «Es geht darum, den richtigen Umgang und die richtige Balance zu finden, so dass ich nicht nochmal psychisch so doll abrutsche».
Der Ruhm und seine Schattenseiten «Ruhm ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits zeigt er deinen Wert als Künstler an. Andererseits gefährdet Ruhm deine Privatsphäre, Freiheit und Sicherheit.» Zu diesem Schluss kommt Anfang der 1990er Jahre der US-Psychologe Charles Figley in einer Studie über Prominente. «Sie werden zur Schau gestellt, verzehrt, bewertet und erhalten entweder Ablehnung oder Beifall. Das Feedback kommt per Umfrage, Quote oder Verkaufszahl.»
In der Studie benennen Stars Faktoren, die sie besonders stressen. Darunter: die Klatschpresse, die ständige Beobachtung des Privatlebens, Stalker*innen, neugierige Fans und die Sorge, das Leben der Kinder werde gestört. Das alles resultiere häufig in Depressionen, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Selbsthass und der Unfähigkeit, vertrauen zu können.
«Sobald ich in die Öffentlichkeit gehe, gehöre ich quasi anderen. Es ist legal, mir zu folgen. Es ist legal, mich am Strand zu stalken», erklärt Superstar Lady Gaga 2016 in einem CBS-Interview. Der Kontakt zu anderen Menschen sei dadurch kaum noch möglich. «Ich vermisse es, irgendwo hinzugehen, eine fremde Person zu treffen und mit ihr ein Gespräch über das Leben zu führen.»
Justin Bieber, der schon als Teenager zum Weltstar wird, sagt 2022 seine Welttournee ab, zieht sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück und erklärt auf dem Track «Therapy Session» seines kürzlich erschienenen Albums «Swag»: «Ich habe viel gekämpft mit mir als Mensch, wie alle, aber das halt öffentlich. Die Leute haben immer gefragt, wie es mir geht und das hat mir echt zugesetzt.»
Der 28-Jährige berichtet in einem aktuellen Interview, dass ihn die Angstzustände am Ende seiner Tournee 2023 eingeholt hätten. Damals erreichen seine psychischen Probleme ihren Höhepunkt und er beschliesst, sich von der Musik zurückzuziehen und sich auf seine mentale Gesundheit zu konzentrieren.
Lewis Capaldi zieht sich nach dem Glastonbury Festival zurück 2023 sieht die Musikwelt ebenfalls dabei zu, wie dem schottischen Sänger Lewis Capaldi auf dem Glastonbury Festival teilweise die Stimme versagt und sein Gesicht immer wieder zuckt - Auswirkungen seiner Tourette-Erkrankung. Das Publikum übernimmt und singt den Welthit «Someone You Loved» einfach weiter.
Zwei Jahre später kehrt er als Überraschungs-Act an denselben Ort, dem Glastonbury Festival, zurück und feiert sein Bühnen-Comeback - und beendet sein damals abgebrochenes Set. Auf der aktuellen Single «Survive» verarbeitet er diese Phase.
Auch der kanadische Sänger Shawn Mendes (26, «Treat You Better») bricht seine Tour 2022 ab und nimmt sich eine Auszeit, um sich seiner mentalen Gesundheit zu widmen. Nun ist er mit neuer Musik zurück und gibt im August in Köln sein erstes Deutschland-Konzert nach seinem Comeback. Erst kürzlich thematisierte er öffentlich die queere Seite seiner Persönlichkeit und sang darüber auf seinem neuen Album (MANNSCHAFT berichtete).
Wann Lena Meyer-Landrut ins Scheinwerferlicht zurückkehrt, ist öffentlich nicht bekannt. Ihre rund 5,7 Millionen Follower auf Instagram hoffen jedenfalls auf ein baldiges Lebenszeichen ihres Idols und - wie ein Fan schreibt - «im besten Fall ist es neue Musik».
Von Thomas Bremser, dpa
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