Bereitet Shawn Mendes gerade sein Coming-out vor?
Der kanadische Popstar macht mit neuen Äusserungen zu seiner Sexualität Schlagzeilen
Der Singer-Songwriter Shawn Mendes ist derzeit auf Tour, um sein neues Album «Shawn» zu bewerben. Und sorgt dabei mit Bemerkungen zu seiner sexuellen Orientierung für Aufmerksamkeit.
Zur Erinnerung: In sozialen Medien zirkulieren seit Ewigkeiten Gerüchte darüber, ob der heute 26-Jährige «schwul» sein könnte. Oft nach dem Motto: Wer so gut aussieht, müsse es doch schliesslich sein. Und wer sich so lasziv und halbnackt vorm Publikum präsentiert, sowieso.
Der Musiker – der zweitweise seine Kollegin Camilla Cabello zur offiziellen Freundin hatte – sprach bereits 2020 mit der britischen Zeitung The Guardian über diese endlosen Gerüchte und sagte damals: «Es gab fast den verzweifelten Wunsch, dass ich mich als schwul outen sollte, was so lächerlich ist.» Der Sänger von Hits wie «Señorita» (mit Cabello) und «Why, Why, Why» ergänzte: «Das hat mich wirklich verstört, denn ich kenne Leute die schwul sind und sich noch nicht geoutet haben, und ich weiss, wie sehr sie darunter zu leiden haben.» Es sei «komplett ignorant» und zeuge «von wenig Einfühlungsvermögen», wenn Leute immer wieder auf diesem Punkt («on that shit») rumreiten würden (MANNSCHAFT berichtete ber ähnliche Fälle).
«Es ist so frustierend»
2022 sprach Mendes das Thema abermals an und sagte im Podcast Armchair Expert: «Es ist so, so frustrierend für mich, denn ich meinem Leben gibt es Leute, die mir sehr nahe stehen, die schwul und nicht geoutet sind.» Er fügte damals hinzu, er selbst sei nicht schwul, aber «falls es so wäre», hätte er kein Problem damit, denn «es ist nichts falsch daran, schwul zu sein». Er wisse nicht, wie er mit dieser Situation umgehen solle, hiess es damals.
2022 war Mendes mit seinem letzten Album «Wonder» auf grosser Welttournee, brach diese jedoch mittendrin und quasi auf dem Höhepunkt seines Erfolgs überraschend ab. Wegen psychischer Probleme, wie es hiess. «Die Tournee abzusagen war bei weitem die schwierigste Entscheidung meines Lebens und bei weitem die beste Entscheidung meines Lebens», sagte er im Podcast On Purpose with Jay Shetty. «Sie hat mir ein Leben geschenkt, weisst du? Sie gab mir Zeit, so viel über mich selbst zu entdecken.»
Mendes erzählte, dass sein gesamtes Leben seit seiner Kindheit nur aus Auftritten bestanden hätte. «Ich hatte keine anderen Aspekte des Lebens, mit denen ich mich verbunden fühlte, auf die ich mich hätte stützen können, um eine kleine Pause vom Touren zu machen», erklärte er. Er habe gewusst, dass er sich für mehr Gleichgewicht erst «ein Leben erschaffen» müsste.
«For Friends and Family Only»
Seinen Fans hatte er damals geschrieben, nicht vollständig «bereit» zu sein, wieder auf Tournee zu gehen. Er nahm stattdessen eine Auszeit. Komplett weg von der öffentlichen Bildfläche. Erst jetzt meldet er sich, zwei Jahre später zurück, mit einem neuen Album. Es trägt den autobiografischen Titel «Shawn» und wird von Mendes in einer vergleichsweise kleindimensionierten Tour unter dem Titel «For Friends and Family Only» an verschiedenen Orten der Welt vorgestellt. In Europa wird er am 13. November einen einzigen Auftritt im Berliner Tempodrom haben, also keiner XXL-Halle, sondern einer fast intimen Venue.
Vor Veröffentlichung des kompletten Albums am 15. November sind über Instagram und die «Friends and Family»-Konzerte schon einzelne neue Lieder bekannt geworden. Auch der Song «The Mountain», den Mendes zuerst im August in Woodstock präsentierte. Darin singt er: «You can say I’m too young. You can say I’m too old. You can say I like girls or boys, whatеver fits your mould.» Eine vage gehaltene Anspielung darauf, dass er vielleicht Jungs als auch Mädchen mögen könnte.
Während eines Konzerts in Colorado diese Woche wurde er expliziter. In einer Moderation zu Gitarrenbegleitung sagte er zum Publikum: «Seit ich ganz jung war hat es dieses Ding um meine Sexualität gegeben.» Seit er 15 war, sei er im Musikgeschäft, und deswegen hätte er viele Dinge, die andere 15-Jährige so tun und ausprobieren, nicht tun können, um Aspekte über sich selbst herauszufinden («discover parts of myself»).
«Eine wunderbar komplexe Sache»
Dass so viel Aufheben um seine Sexualität gemacht werde, empfindet er immer noch als «blöd» («silly»). Denn: «Ich finde Sexualität ist so eine wunderbar komplexe Sache, und es ist schwierig, sie in Schubladen zu stecken.»
Wer das dennoch tue, würde sich übergriffig verhalten in Bezug auf etwas, das für ihn sehr «persönlich» sei. Es sei etwas, das er selbst noch für sich herausfinden würde, etwas, das er noch entdecken müsse.
Dass er nun so offen spreche, begründete er damit, dass er sich «allen» gegenüber nun näher fühlen und in seiner «Wahrheit» leben wolle. Und diese Wahrheit über sein Leben und seine Sexualität sei: «I’m just figuring it out like everyone», also «Ich versuche so wie alle andere auch mir klar zu werden, was ich will.» Manchmal wisse er nicht, was er wolle – und manchmal wisse er es doch («I don’t really know sometimes and I know other times»).
Das fühle sich «total beängstigend» an, denn «wir leben in einer Gesellschaft, die dazu viel zu sagen hat». Er versuche aber «wirklich mutig» zu sein und das als Mensch, «der Dinge fühlt», zuzulassen.
Natürlich ist solch ein Statement – als scheinbar spontaner Teil der Ansprache ans Publikum – alles andere als spontan und sicherlich genauestens kalkuliert. Ob zum Zweck der PR für sein Album «Shawn» oder um ihm bis zur Veröffentlichung weitere Coming-out-Schritte zu ermöglichen, sei dahingestellt (MANNSCHAFT berichtete über den Fall Harry Styles).
«Song for No One»
Auf seinem letzten Album «Wonder» hatte Mendes viele Lieder wie «Dream» und «Teach Me How to Love» in Bezug auf den*die Adressat*in offen gehalten, das gilt auch für den melancholischen, fast depressiv gestimmten «Song for No One», in dem er seine Sehnsucht nach Liebe ausdrückt.
Wie die Heerscharen von jungen, vor allem weiblichen Mendes-Fans auf ein mögliches Coming-out als nicht-heterosexuell reagieren würden, bleibt ein Fragezeichen, das für Mendes auch mit finanziellen Überlegungen zusammenhängen dürfte.
Es bleibt also spannend, wie es weitergeht. Auf alle Fälle scheint es, dass aktuell etwas bei ihm in Bewegung ist. Die neuesten Äusserungen zu seiner Sexualität machten sofort in sämtlichen LGBTIQ-Nachrichtenportalen der Welt Schlagzeilen.
Abzuwarten bleibt, ob auf dem kompletten Album am 15. November ein Knaller enthalten ist, der diese vorangegangenen Diskussionen und Äusserungen noch in den Schatten stellen wird. Auf alle Fälle klingen viele der bereits bekanntgewordenen neuen Lieder wunderbar eingängig, relaxed und optimistisch. Lebensfroh, könnte man sagen. Und damit deutlich anders als die Song-Selection auf «Wonder».
Mit der neuen Offenheit zu Sexualitätsfragen geht eine Foto- und Interviewkampagne einher, in der sich Mendes sehr «nackt» zeigt - emotional und körperlich. Besonders markant zu erleben ist das in der aktuellen Ausgabe des Magazins Interview, einst von Queer-Ikone Andy Warhol gegründet.
Der New York Times erzählte er derweil, dass Camilla Cabello für ihn nach wie vor eine seiner «engsten besten Freunde» sei («one of my closest best friends»). Es mache ihn zwar nervös das zuzugeben, weil er sich frage, was «Menschen» wohl dazu sagen könnten, aber Cabello sei für ihn die Person, die er anrufen würde, wenn in seiner Familie oder falls ihm etwas passieren sollte: «Unsere Beziehung zeigt mir, auf grossartige Weise, was Liebe bedeutet.»
Nachdem Jacob Elordi zuletzt in «Saltburn» der von Barry Keoghan gespielten Figur den Kopf verdrehte und diese sogar dazu brachte, sein vollgewichstes Badewasser zu trinken, spielt er in «On Swift Horses» in einer schwulen Liebesgeschichte mit (MANNSCHAFT berichtete).
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