Lieben ohne Filter: Elska zeigt Männer aus der ganzen Welt
«Ich wollte etwas machen, das sich von traditionellen schwulen Medien unterscheidet.»
Seit sechs Jahren reist der Fotograf Liam Campbell um die ganze Welt, um für Elska Männer aus queeren Communitys zu porträtieren. Für den Nordiren ist das Projekt eine Lebensgrundlage, doch die Pandemie erschwert sowohl die Produktion wie auch den Vertrieb des Magazins. Liam will trotzdem weitermachen und fotografiert als nächstes in der Schweiz.
Queere Männer sind überall. Sie leben in Berlin, Kapstadt, Seoul, Toronto oder São Paulo. Oder in eher kleineren Ortschaften wie dem ukrainischen Lwiw oder dem israelischen Haifa. Das Fotografiemagazin Elska zelebriert schwule, bisexuelle und trans Männer und ihre Geschichten. Der Gründer Liam Campbell fotografiert sie in einer ihren vertrauten Umgebung und überlässt ihnen die Wahl, wie viele Kleidungsstücke sie dabei anhaben möchten. Neben ihrem Porträt druckt er einen Text über sie ab, den sie mit eigenen Worten verfassen dürfen. Der 37-Jährige ist ein absoluter Islandfan: Das Wort «Elska» ist isländisch und bedeutet lieben. Die nordische Insel war das erste fremde Land, das er besuchte, und der Ort, der seine Liebe zum Reisen entfachte.
Reisen, Fotografie, Männer: Für Liam ist Elska die ideale Kombination seiner Leidenschaften, seit er das Projekt 2015 startete. «Ich wollte etwas machen, das sich von traditionellen schwulen Medien unterscheidet. Sie bevorzugen meist Models, Prominente und Pornostars und zeigen damit nur eine bestimmte, eng gefasste Art von Schönheit», sagt er im Interview mit MANNSCHAFT. «Ich dachte über unsere Ehemänner und Partner nach, sie haben Unvollkommenheiten und wir finden sie trotzdem schön, weil wir sie bis ins Innerste kennen. Diese besondere Verbindung zieht uns an.»
Seit der ersten Nummer des Magazins sind 6 Jahre vergangen und 33 Ausgaben erschienen. Für den Nordiren wurde das Magazin zum Vollzeitjob, von dem er mittlerweile leben kann. Seit einigen Jahren wohnt Liam zusammen mit seinem Ehemann im US-Bundesstaat Rhode Island, wo die Lebenshaltungskosten tiefer sind als in ihrem früheren Wohnort London. Alle zwei Monate erscheint ein neues Magazin, die Zeit dazwischen verbringt Liam mit der Produktion einer Ausgabe, der Planung seiner nächsten Destination und mit der Suche nach Männern, die sich gerne fotografieren lassen.
Reisestopp wegen Corona Eigentlich sollte Elska jeden zweiten Monat erscheinen, doch dann kam Corona. Als die Pandemie ihren Lauf nahm, hatte Liam zwar noch drei Ausgaben in der Schublade. Allmählich wurde ihm aber klar, dass die Krise viel länger dauern würde als zuerst angenommen. Das Reisen legte er vorerst auf Eis, viele Buchhandlungen und LGBTIQ-Geschäfte, die Elska vertrieben, mussten schliessen – einige von ihnen für immer. Der Versand der Magazine war von Lieferverzögerungen betroffen, die Kundschaft nicht immer verständnisvoll. Als die Kurve im Sommer 2020 etwas abflachte, fotografierte Liam in seiner Heimat Nordirland. Nachdem in mehreren Ländern die ersten Impfstoffe verabreicht worden waren, konnte Liam wieder ins Flugzeug steigen. Um die Einnahmequellen etwas breiter aufzustellen, verkauft er neben den Magazinen E-Mags, Postkartensets und grossformatige Abzüge, auf Patreon bietet er exklusive Inhalte im Abo.
Abgesehen von Corona verzeichnet Liam keinen Rückgang im Verkauf des gedruckten Magazins als Folge der Digitalisierung. Im Gegenteil, die Nachfrage nimmt leicht zu. «Zum einen wird Elska bekannter, vor allem durch Mundpropaganda», sagt er. «Zum anderen greifen Menschen vermehrt auf diejenigen Printprodukte zurück, die mit Liebe zusammengestellt wurden und aufgrund ihres Designs und ihrer Qualität hervorstechen.»
Schönheitsideale halten sich hartnäckig 33 Ausgaben, 33 Städte: Beim Vertrieb der Magazine kriegt Liam durchaus die wirtschaftlichen Ungleichheiten der verschiedenen Destinationen zu spüren. «Die Städte, die sich am besten verkaufen, sind meist in Ländern, in denen die Menschen sich den Kauf eines Magazins leisten können», sagt er. «Ich hatte viele irische Bestellungen meiner Dublin-Ausgabe, jedoch nur zwei Bestellungen aus Brasilien für die São-Paulo-Ausgabe.»
Auch die Hautfarbe der Person auf dem Cover spielt eine Rolle. Die Elska-Nummer einer Stadt mit mehrheitlich hellhäutigen Männern verkauft sich besser. «Bei einer grossen Bestellung muss ich leider oft feststellen, dass sich ein Käufer mit Städten wie Reykjavik, Amsterdam oder Berlin eindeckt, nicht aber mit Manila, Dhaka oder Kapstadt», sagt er. Er nehme ihnen das nicht übel, schliesslich sei das unter anderem auf Mainstream-Medien zurückzuführen, die bei der Darstellung von Schönheitsidealen fast ausschliesslich hellhäutige Personen zeigten. «Solche Muster bemerke ich oft. Daher ist es mir wichtig, die Wahl der Städte so vielfältig wie möglich zu gestalten.»
«Mir ist es wichtig, die Wahl der Städte so vielfältig wie möglich zu gestalten.»
Liam würde gerne vermehrt in Ländern fotografieren, in denen homosexuelle Handlungen illegal sind. Die Planung eines solchen Shootings ist aufwendiger, die Bereitschaft von Männern, sich für Elska fotografieren zu lassen, geringer, und auch die Sicherheit aller Beteiligten muss gewährleistet sein. «In Bangladesch waren es ausschliesslich Aktivisten, die vor der Kamera standen», sagt er. «Es würde mich reizen, in der Subsahara zu fotografieren. Dabei müsste ich wahrscheinlich die Gesichter unkenntlich machen und einen Schwerpunkt auf die Geschichten setzen. Wichtig ist mir, dass die Menschen dort sich in einer Ausgabe repräsentiert sehen.»
Von Afrika in die Schweiz Als nächstes steht eine Stadt in Afrika auf dem Programm – wo genau, wollte Liam kurz vor Redaktionsschluss noch nicht sagen –, danach folgt Bern. Liam wird vom 20. bis 25. Oktober in der Bundesstadt verweilen und Berner fotografieren. Er schwärmt von den alpinen Landschaften und hofft, das eine oder andere Foto im Freien schiessen zu können. «Da ich zuvor in Afrika bin, werde ich in der Schweiz sicherlich weniger angespannt sein. Zudem bin ich neugierig auf Bern und die verschiedenen Menschen – unter anderem auch, weil sich die Stadt sehr nahe an der französischen Sprachgrenze befindet.»
Elska zeigt schwule, bisexuelle und trans Männer so, wie sie sind, und er zeigt, dass sie überall auf der Welt existieren. Liam gibt zu, dass dies jedoch nicht von Anfang an der Plan war. Den Ausschlag dazu gaben Onlinekommentare nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe. «Darin beschwerten sich einige Männer, dass die Typen nicht attraktiv genug seien. Als würden sie es nicht verdienen, abgedruckt zu werden», erinnert er sich. «Das regte mich auf und ich sagte mir, dass ich gerade deshalb weitermachen muss. Ich will die Vielfalt der Männer sichtbar machen, damit sie nicht aus der Reihe tanzen, nur weil sie nicht den Schönheitsidealen entsprechen.»
Elska ist ein Magazin mit Männern, und so soll es bis auf Weiteres auch bleiben. «Zu Beginn meiner Karriere versuchte ich mich mit der Modefotografie und arbeitete meistens mit Frauen», sagt er. «Ich stellte fest, dass ich mich besser entfalten konnte, wenn ich ein Shooting mit Männern hatte. Ich verstand ihren Körper und konnte ihre Unsicherheiten nachvollziehen. Zudem sagte man mir, dass meine Arbeiten mit Männern besser seien.»
Von Buchläden hat Liam schon den Vorschlag bekommen, eine weibliche Version von Elska mit queeren Frauen zu machen, da diese grosse Unterstützerinnen der Fotografie und von unabhängigen Verlagen seien. «Vielleicht wird es so etwas wie ein Schwesterprojekt geben», sinniert Liam. «Dafür würde ich jedoch die Zügel einer queeren Fotografin überlassen wollen. Es soll an ihr liegen, diese Geschichten zu erzählen.»
Mehr queere Fotografie gibt es im Bildband «New Queer Photography» zu entdecken.
Elska kommt nach Bern Vom 20. bis 25. Oktober fotografiert Liam Campbell Männer in Bern für eine neue Ausgabe von Elska. Möchtest du mitmachen? Melde dich unter diesem Link an.
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