«Mögen Sie Miranda noch, Cynthia Nixon?»
Die Schauspielerin über Feminismus, Queerness und die politische Kraft von «And Just Like That»
Cynthia Nixon spricht im Interview über Mirandas queere Reise in der 3. Staffel von «And Just Like That», ihre politische Verantwortung – und warum es revolutionär ist, Frauen um die 60 ins Zentrum zu rücken.
Bereits als Kind stand Cynthia Nixon, die 1966 in New York geboren wurde, für Fernsehproduktionen vor der Kamera und war am Broadway auf der Bühne zu sehen. Nach zahlreichen Theatererfolgen gelang ihr der grosse Durchbruch, als sie 1998 die Rolle der Miranda in «Sex and the City» übernahm. Insgesamt sechs Staffeln lang spielte sie die Figur, für die sie auch mit dem Emmy ausgezeichnet wurde, später dann auch in zwei Kinofilmen und seit 2021 in der Nachfolgeserie «And Just Like That» (MANNSCHAFT berichtete).
Deren dritte Staffel ist gerade bei Sky & Wow angelaufen, weswegen uns die dreifache Mutter, die seit 2012 mit der Bildungsaktivistin Christine Marinoni verheiratet ist, im Videointerview Rede und Antwort stand.
Frau Nixon, in den fast 20 Jahren, die zwischen «Sex and the City» und der Fortsetzungsserie «And Just Like That» liegen, hat sich die Gesellschaft in der westlichen Welt ziemlich verändert. Ist das feministische Anliegen der Geschichten um Carrie, Miranda, Charlotte und Co. heute entsprechend ein anderes als früher? Im Grossen und Ganzen eigentlich nicht, würde ich sagen. Der Feminismus von «Sex and the City» bestand immer in erster Linie darin, erstens die Erfahrungen von Frauen in Sachen Dating, Freundschaft und Arbeit in den Mittelpunkt zu rücken und zweitens sie dabei nie als Heilige oder perfekte Wesen zu zeigen. Es ging immer darum, uns mit all unseren Fehlern und Makeln, in aller Komplexität und Abgründigkeit zu zeigen. All das ist nun in «And Just Like That» immer noch der Fall. Der einzige Unterschied ist, dass es nicht mehr um Frauen Anfang 30, sondern mit Ende 50 geht. Was ja fast noch ein wenig revolutionärer ist.
«Die Idee begeisterte mich, dass wir in ‹And Just Like That› ein paar Dinge anders machen als früher»
Cynthia Nixon
Bis heute gibt es allerdings auch immer wieder Stimmen, die beide Serien als Belanglosigkeiten abtun, in denen es nur um Mode und die Suche nach dem idealen Partner geht. Da habe ich immer schon widersprochen. Auf den ersten Eindruck kann dieser Eindruck natürlich entstehen. Und vermutlich war das vor allem früher auch bis zu einem gewissen Grad beabsichtigt, quasi als Verkleidung, die sich besser verkaufen lässt. Aber im Kern des Ganzen ging es nie darum, dass diese Frauen jemand anderen finden, sondern sich selbst. So unterschiedlich sie sind, hatten sie immer gemeinsam, dass sie nie versucht haben, den gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen oder sich der Masse anzupassen. Das Wichtigste war immer, dass sie ihre ganz eigenen Entscheidungen treffen, sei es bei ihrer Kleidung, beim Sex oder im Beruf.
Die von Ihnen gespielte Miranda ist in «And Just Like That» noch mehr bei sich selbst angekommen, hat ihre heterosexuelle Ehe hinter sich gelassen und lebt nun ihre Queerness aus. Stimmt es, dass das auf Ihr Betreiben hin passiert ist? Nein, da muss ich Sie enttäuschen. Als Michael Patrick King vor ein paar Jahren mit der Arbeit an der neuen Serie begann, war er es, der mich in einem kurzen Gespräch mal en passant fragte, was ich davon halten würde, wenn Miranda nun queer sei. Damit rannte er bei mir natürlich offene Türen ein. Gar nicht so sehr aufgrund meiner eigenen Erfahrungen, sondern vielmehr, weil mich von Anfang an die Idee begeisterte, dass wir in «And Just Like That» ein paar Dinge anders machen wollten als früher, wo wir fast ausschliesslich von weissen, heterosexuellen cis Frauen erzählt haben.
Aber sind Sie und Ihre Kolleginnen nach all den Jahren, die Sie diese Rollen nun verkörpern, enger in die Gestaltung der Figuren eingebunden? Nicht wirklich. Aber das ist auch nichts, was wir einfordern. Wir schätzen uns glücklich, mit Michael und seinem Autorinnen-Team sehr viele kreative Köpfe zu haben, die dafür sorgen, dass sich die Figuren immer wieder verändern und weiterentwickeln. Denn nichts wäre langweiliger, als stets das Gleiche zu spielen. Spannend ist aber natürlich der Prozess, den Miranda und Co. seit der ersten Folge von «Sex and the City» 1998 durchlaufen haben.
Was meinen Sie? Damals waren alle Figuren zwar schon ausgesprochen witzig und einnehmend, aber natürlich mit eher breitem Pinselstrich gezeichnet. Eher Archetypen als dreidimensionale Frauen. Über die Jahre kamen dann immer mehr Nuancen, immer neue Ecken und Kanten hinzu. Und weil Michael und das Autorenteam uns Schauspielerinnen dabei besser und besser kennenlernten, liessen sie dieses Wissen über unsere Vorlieben, Temperamente und Charaktereigenschaften auch nach und nach subtil in die Rollen einfliessen.
Mögen Sie Miranda noch? Oh ja, ich liebe sie. Und ich hatte nun bei der dritten Staffel von «And Just Like That» besondere Freude daran zu sehen, wo sie inzwischen in ihrem Leben angekommen ist. Als die Serie vor ein paar Jahren begann, war Miranda ja ziemlich unglücklich in mehreren Aspekten ihres Lebens. So standen die Zeichen dann auf Drama und Veränderung, was mit viel Chaos, Überforderung und auch Verletzungen einherging. Da fegte ein Sturm durch ihr Leben, doch der hat sich nun, nach einem reinigenden Gewitter, gelegt. Sie hat ihren Frieden gemacht – mit Steve genauso wie mit Che. Jetzt ist mehr Ruhe angesagt, aber natürlich auch neue Herausforderungen, denn nun ist sie wieder Single. Dating-Apps sind Neuland für sie, Dates mit Frauen ebenfalls. Und wie wir alle wissen, war die Partnersuche noch nie Mirandas grosse Stärke.
Dass «Sex and the City» nie eine unpolitische Serie war, haben Sie eingangs schon unterstrichen… Lassen Sie mich da aber gerne noch einmal nachlegen. Denken Sie nur an den Handlungsstrang damals, als Miranda ungeplant schwanger wurde und über eine Abtreibung nachdachte. Dass das eine echte Option war und ihre Freundinnen darauf nicht geschockt reagierten, war vor 25 Jahren im Fernsehen alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Und heute sieht die Situation kein bisschen anders aus. Sicherlich ist die politische Dimension von «And Just Like That» nicht das Erste, was einem ins Auge springt. Doch in Zeiten, in denen die Regierung von Donald Trump Frauen am liebsten als Mütter am Herd, aber zum Beispiel nicht beim Militär sehen möchte, ist es ohne Frage ein politischer Akt zu zeigen, dass Frauen alles sein und machen können und nicht in eine Schublade gesteckt gehören.
Wo sehen Sie in Zeiten wie diesen die politische Verantwortung von Kreativen und Kunstschaffenden? Wir Künstler*innen haben die gleiche Verantwortung wie jeder andere, der nicht mit Trump und seinen Ansichten übereinstimmt. Wir müssen aufstehen und lautstark Einspruch erheben. Das Erste, was man tun muss, wenn man den Anfängen von Tyrannei gegenübersteht: vorauseilenden Gehorsam vermeiden! Viel zu viele Menschen und Organisationen begehren gerade nicht auf, sondern laufen mit, gucken zu und geben klein bei. Das ist nicht nur moralisch falsch, sondern wird sich für die meisten auch rächen. Denken Sie an die Columbia University in New York, die anders als Harvard derzeit der Regierung nicht Paroli bietet. Die Führung dort unterwirft sich Trumps Marschroute – und trägt so aktiv zu dessen Aushöhlung und Abschaffung wissenschaftlicher Einrichtungen bei.
Langer Rede kurzer Sinn: Wir alle sind zum Widerstand angehalten. Individuen, Firmen, auch andere Nationen. Bei den unrechtmässigen Deportationen genauso wie bei allen Versuchen, Diversitäts-, Gleichberechtigungs- und Inklusions-Bestrebungen zu unterbinden. Und bei allem anderen auf der erschreckend langen Liste von Dingen, wo Trump gerade Unheil anrichtet.
«Ich habe nicht vor, noch einmal ein politisches Amt anzustreben»
Cynthia Nixon
2018 strebten Sie selbst eine politische Karriere an und bewarben sich als Kandidatin für die Gouverneurswahl in New York. Würden Sie so etwas noch einmal tun? Nein, ich habe nicht vor, noch einmal ein politisches Amt anzustreben. Aber ich tue aktuell mein Möglichstes, den hervorragenden jungen Politiker Zohran Mamdani bei der Wahl zum New Yorker Bürgermeister zu unterstützen. Er ist einer der Herausforderer von Andrew Cuomo, dem ich damals bei meiner Wahl unterlegen bin.
Cynthia Nixon kann mehr als «Sex and the City». Hier geht's lang zu unseren Film- und Serientipps mit der queeren Schauspielerin.
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