Stolz beim CSD: «Wir sind da und lassen uns nicht klein machen!»

Stimmen aus der Oldenburger Community

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Wanes, Bernhard und Daniel beim CSD Oldenburg

Am Samstag fand der CSD in Oldenburg statt – in einer Zeit, da die Bedrohungen gegen LGBTIQ zunehmen (MANNSCHAFT berichtete). Wir haben mit einigen Queers gesprochen: Habt Ihr Angst?

Die Pride Season 2025 ist definitiv eine Besondere. Zunehmende, reale Bedrohungen, wie etwa in Wernigerode, Gelsenkirchen oder Regensburg, queer-feindliche Attacken wie in Emden oder beim Strassenfest des Bündnisses «Bad Freienwalde ist bunt», sorgten für mediale Aufmerksamkeit (MANNSCHAFT berichtete). Dazu Unternehmen, die ihr bisheriges Engagement zur Pride streichen und auch staatliche Strukturen, die Pride-Veranstaltungen teilweise sogar aktiv behindern wie in Schönebeck, wo der CSD vorzeitig vom Ordnungsamt beendet wurde.

Dass die Situation weder ganz neu, noch komplett überraschend ist, machte die Amadeu Antonio Stiftung (CSDs schützen! - Amadeu Antonio Stiftung ) deutlich, die bereits für das Jahr 2024 auf 55 Angriffe auf CSDs hinwies.

Veranstalterin Lara ist 25, seit der «Wähl Liebe» Demo beim CSD Nordwest aktiv und betreut derzeit vor allem die Social Media Aktivitäten und ist dazu mit im Demo-Team organisatorisch aktiv. Ausserdem moderierte sie den Live-Stream vom Oldenburger CSD.

Auf die Frage, ob der CSD 2025 für die Veranstalter eine besondere Herausforderung darstellte oder eher business as usual, antwortet sie: «Für mich persönlich ist es schon ein besonderer CSD. Aufgrund der politischen Lage habe ich mich entschieden mich ganz konkret zu engagieren. Ich glaube aber, wir empfinden die Situation alle ganz besonders in diesem Jahr. Es gab viel zu regeln, es gab mehr Befürchtungen, das Sicherheitskonzept musste erweitert werden. Wir merken wirklich an jeder Ecke, dass sich die Lage einfach verschlechtert.»

Auf die Nachfrage, ob in Absprache mit der Polizei ein besonderes Augenmerk auf das Sicherheitskonzept gelegt werden musste, sagt Lara: «Auf jeden Fall, so mussten wir beispielsweise die Strassen weiträumiger absperren. Auch haben wir mit mehr Sicherheitspersonal geplant. Zum Glück ist ein AfD Stand, der für die Innenstadt angemeldet worden war, nicht genehmigt.»

Angesprochen auf die Unterstützung durch Wirtschaftsunternehmen kann Lara von einer zweigeteilten Situation berichten: «Wir merken das besonders bei grösseren, internationalen Konzernen, die auch im Hinblick auf die Situation in den USA ihre Diversity Programme zurückfahren. Es war schon ein grösserer Kampf, Unternehmen zur Unterstützung zu gewinnen, auch beispielsweise in der Öffentlichkeitsarbeit, wenn es etwa darum ging, ein Plakat für den CSD aufzuhängen. Gleichzeitig haben wir aber auch noch etliche, ganz tolle Unternehmen, gerade aus der Region, die uns weiter unterstützen!»

Auf dem Kulturfest mit einem Stand vertreten war auch die Polizeidirektion Oldenburg. Wir konnten mit Julian Stricker, Ansprechperson für LGBTIQ bei der Polizei Oldenburg sprechen, der gemeinsam mit seiner Kollegin Lena Strüver als Ansprechpartner*innen beim CSD vor Ort war. Befragt zu seiner Position verdeutlicht Julian Stricker: «Jede Polizeidirektion in Niedersachsen hat eine Ansprechperson für LGBTIQ und darüber hinaus gibt es in Niedersachsen noch eine Hauptamtliche Person als Landeskoordinator.»

In die Aufstellung des Sicherheitskonzeptes sei er als Ansprechperson nicht involviert, da er und seine Kollegin bewusst als Informationsquelle für die Community vor Ort aufgestellt. «Natürlich sind wir in die Vorbereitungen mit Involviert, wenn es etwa darum geht was gibt es aus der Community heraus für Befürchtungen. Auf welche Entwicklungen soll verstärkt geachtet werden, soweit sind wir natürlich schon einbezogen, um eben einen Informationsfluss zwischen Community und Planungsstellen zu gewährleisten.»

Für den Oldenburger CSD musste Julian Stricker keine konkreten Sicherheitshinweise an die Community weitergeben. «Es sind dann eher die klassischen Sicheheitshinweise wie sie Jahr für Jahr erteilt werden, etwa nicht alleine zum oder vom CSD durch die Stadt zu laufen, aufmerksam sein, also alles Überlegungen die allgemein vor jedem CSD thematisiert werden. Aber speziell für diesen CSD hier, in Oldenburg, gab es darüber hinaus keine spezifischen Sicheheitshinweise.»

Was machen diese Umstände und Hintergründe mit den Teilnehmer*innen des CSD Oldenburg? Viele von ihnen kommen eben aus der umliegenden Region und nicht aus einem urbanen Kontext. Was ist ihre Motivation trotzdem – oder gerade jetzt, an der Demo zum CSD teilzunehmen?

Daniel, Bernhard und Wanes kommen aus der Region. Gefragt, ob sie sich in diesem Jahr mehr Gedanken hinsichtlich der Sicherheit gemacht haben sagt Daniel: «Auf jeden Fall, weil die Sicherheitslage ja angespannter ist. Das ist ja überall bei allen CSDs so. Ich schaue da schon bewusster, wo ist es sicher, wo kann ich mich aufhalten. Ich gehe nicht alleine irgendwo hin und bin schon etwas wachsamer. Leider!»

Bernhard stellt klar: «Mich hat die Situation bestärkt, trotzdem hier Flagge zu zeigen. Um den Kräften, die LGBTIQ attackieren die Stirn zu bieten und um zu zeigen, dass wir da sind und uns nicht klein machen lassen.»

Brave, Mika und Lenia sind gemeinsam zum CSD Oldenburg gekommen. Gefragt nach ihrer Intention erklärt Brave: «Bei meinem ersten CSD in Oldenburg habe ich mich zum ersten Mal überhaupt in meinem Körper richtig frei gefühlt. Seitdem bin ich jedes Jahr auf dem CSD Oldenburg. Ich bin da um zu feiern und die Menge zu erleben. Um zu sehen, wie viele andere, geile Leute mit ähnlichen Problemen wie ich, hier zusammenkommen. Hier kann ich frei sein.»

Mika berichtet von ihrer ersten Beziehung mit einer Freundin, die sie ursprünglich zum CSD führte: «Ich wollte meine Beziehung feiern und leben, das war hier in dieser unglaublich schönen LGBTIQ-Community einfach möglich. Seitdem, seit 2021 bin ich jedes Jahr hier und finde es einfach grossartig, dass wir uns hier gegen Hass und Hetze stellen und dafür Liebe und Vielfalt einen Raum geben.»

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Lenia, Mika und Brave beim CSD Oldenburg 2025 (Bild: Stephan Bischoff)

Lenia erlebte in diesem Jahr ihre CSD Premiere in Oldenburg: «Das ist hier bei meinem ersten CSD alles noch etwas neu für mich. Ich hoffe hier vor allem mich mit anderen Leuten aus der Community connecten zu können. Dazu habe ich Zuhause oftmals nicht so wirklich gute Möglichkeiten. Ich finde es sehr schön die ganze Vielfalt an Menschen zu sehen. Das sieht man ja ansonsten nie so geballt. Auch weil viele der Leute sich im Alltagsleben dann doch immer noch verstecken müssen. Ich finde das einfach schön, dass man hier einfach sichtbar sein kann.»

Auf die Sicherheitsfrage zum CSD angesprochen sagt Brave, sie habe keine konkreten Bedenken hinsichtlich des Oldenburger CSDs empfunden. «Ich war aber in diesem Jahr bereits deutlich häufiger auf Demonstrationen die sich gegen Einschränkungen von LGBTIQ und Freiheitsrechte insgesamt gewendet haben. Ich habe mich also insgesamt politisch mehr engagiert.»

Während auf einigen CSDs im Bundesgebiet über Teilnahme und Sichtbarkeit von Fetisch- und Puppy-Gruppen kontrovers diskutiert wurde, zeigte sich der CSD Oldenburg gänzlich inklusiv. So berichtet uns «Enzo»: «Wir haben hier keinerlei Ausgrenzung erfahren oder Ablehnung mitbekommen. Im Gegenteil, wir hatten sehr viel Spass bei der Demo.»

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Team IKEA beim CSD: Martin (2. von rechts) ist Betriebsrat und Diversity Experte (Bild: Stephan Bischoff)

Die veränderte Haltung vieler, besonders grosser, internationaler Firmen hinsichtlich der Unterstützung von LGBTIQ ist in aller Munde, auch auf dem CSD Oldenburg. Da fiel eine Gruppe von Demonstrant*innen auf, die alle übereinstimmend in einem erkennbaren Outfit eines grossen, international tätigen Schwedischen Möbelkonzerns als Gruppe im Demonstrationszug mitgelaufen sind. Von Martin, Betriebsrat, Teamleiter und Diversity Experte im Unternehmen, wollten wir wissen, ob es ein Problem war, mit der deutlich erkennbaren Verbindung zum Konzern an dem Demonstrationszug teilzunehmen.

«Nein, überhaupt nicht. Die T-Shirts, die wir hier heute alle tragen, die haben wir vom Konzern, von IKEA, sogar gesponsort bekommen. Es war ganz klar, dass wir nach außen die Haltung tragen, die wir innerhalb der Firma IKEA auch leben. An dieser Grundhaltung hat sich auch in den letzten Monaten nichts verändert, überhaupt nichts.“

Eine Grundhaltung, von der die Mitglieder des queeren Regenbogennetzwerk der Parlamentsverwaltung, aktuell nur noch träumen können.

Bei 36 Grad Hitze: Tausende demonstrieren bei Pride-Parade in Rom. Es wurden auch Pro-Palästina- und Anti-Putin-Plakate gezeigt (MANNSCHAFT berichtete).

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