CSD Berlin: So viele Teilnehmende wie seit Jahren nicht mehr
Es war eine riesige Demo und eine fröhliche Party mit Musik und politischen Botschaften. Die Hauptveranstaltung blieb überwiegend friedlich – bei Parallel-Demos kam es jedoch zu Ausschreitungen.
Mehrere Hunderttausend Menschen haben am Samstag beim Christopher Street Day (CSD) in Berlin demonstriert und ausgelassen gefeiert – so viele wie seit Jahren nicht mehr, wie der Veranstalter mitteilte. Unter dem Motto «Nie wieder still» setzte die bunte Menge ein deutliches Zeichen gegen Hass, Ausgrenzung und rechte Tendenzen. Der Berliner CSD-Verein sprach in einem Statement von einem «kraftvollen, friedlichen und bunten Tag der Sichtbarkeit, Vielfalt und Solidarität».
Zahlreiche Teilnehmende waren bunt kostümiert und tanzten zu Musik. Musikalischer Höhepunkt war der Auftritt der Band Monrose am späten Abend. Im Fokus standen am Samstag aber auch politische Debatten, viele hatten Plakate mit Botschaften dabei.
Ein zentrales Thema war die Kontroverse um die Regenbogenflagge auf dem Bundestag. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hatte das Hissen der Flagge untersagt, was Bundeskanzler Friedrich Merz (beide CDU) mit den Worten «Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt» verteidigte (MANNSCHAFT berichtete).
«Zirkuszelt»-Aussage häufig aufgegriffen Diese Aussage wurde auf vielen Plakaten satirisch aufgegriffen – etwa mit Sprüchen wie «Genau mein Zirkus» oder «Willkommen im Zirkuszelt von Liebe, Recht und Freiheit, Herr Merz».
Die Regenbogenflagge fehlte zwar am Bundestag, war jedoch an vielen anderen Orten sichtbar. Vor dem Reichstagsgebäude rollten Aktivisten am Freitag aus Protest eine riesige Flagge aus, am Willy-Brandt-Haus wurde die sogenannte Progressive-Pride-Flagge gehisst und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hängte die Fahne am Samstag vor ihrem Ministerium (BMAS) auf.
Bas ist Klöckners Vorgängerin als Bundestagspräsidentin. «Die Regenbogenflagge ist weltweit ein Symbol für Toleranz, Gleichberechtigung und Solidarität. Dafür steht auch das BMAS, und dafür stehe ich ganz persönlich», teilte sie in einem X-Beitrag des BMAS mit.
57 Festnahmen und 54 Strafanzeigen auf Queer Pride Anders als auf der Hauptveranstaltung verlief die parallel stattfindende Demonstration «Internationalist Queer Pride for Liberation» nicht friedlich. Rund 10'000 Menschen waren hier unterwegs – gegen 20 Uhr wurde der Zug wegen wiederholter Angriffe auf die Polizei und antisemitischer Parolen vorzeitig aufgelöst.
Laut Polizei wurden 17 Beamt*innen verletzt. Eine Einsatzkraft habe aufgrund ihrer Verletzung den Dienst beendet. Es kam zu Flaschenwürfen und Schlägen mit Fahnenstangen. Die Polizei wendete körperlichen Zwang an. Es gab 57 Festnahmen und 54 Strafanzeigen, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Verwenden von Kennzeichen terroristischer Organisationen.
Auch beim offiziellen CSD kam es zu Zwischenfällen: 64 Menschen wurden laut Polizei vorläufig festgenommen, unter anderem wegen Körperverletzung, Beleidigung und der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Drei Polizisten wurden verletzt.
Nach Angaben des CSD sind Teilnehmende des LSU Berlin – einem Verband von Lesben und Schwule innerhalb der Berliner CDU – auf ihrem Fahrzeug angegriffen worden. Einige seien gezielt angefeindet worden, teilweise auch körperlich, hiess es. Der CSD verurteilte das. Der Polizei lagen dazu vorerst keine Informationen vor.
Rechtsextreme Gegendemo abgeschirmt – mehrere Festnahmen Am Rande der CSD-Route gab es eine rechtsextreme Demo mit rund 40 Personen (MANNSCHAFT berichtete). Die Polizei trennte sie strikt von der Hauptveranstaltung und nahm mehrere Teilnehmer fest, unter anderem wegen verbotener Symbole und des Verstoßes gegen das Waffengesetz. Es seien 14 Strafermittlungsverfahren eingeleitet worden. Einige der Teilnehmer wurden bereits auf dem Weg zur Demo festgenommen, darunter laut Polizei auch die Anmelderin.
Eine zweite geplante Kundgebung der Gruppe zu einem späteren Zeitpunkt verbot die Polizei wegen der zuvor begangenen Straftaten. Allerdings versammelten sich 19 ehemalige Teilnehmer am Abend spontan erneut, im Bereich des S-Bahnhofes Friedrichstraße. Einem Platzverweise der Polizei seien die Teilnehmer nicht nachgekommen, die Polizei habe daraufhin Zwang angewendet.
Drei Menschen leisteten Widerstand und wurden festgenommen, darunter die 46 Jahre alte Anmelderin, die inzwischen aus der Gewahrsam entlassen worden war. Eine Einsatzkraft wurde laut Polizei verletzt. Eine erst 13 Jahre alte Teilnehmerin sei von einem Angehörigen abgeholt worden.
Mehr: Die Demo für lesbische Sichtbarkeit findet jährlich am Tag vorm CSD in Berlin statt. Diesmal war alles ein bisschen anders. Aber die Stimmung war – im Gegensatz zu 2024 – weitgehend friedlich und ausgelassen (MANNSCHAFT berichtete).
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