Bischof Gohl: Für selbstkritische Kirche und Segnungsgottesdienste
Ernst-Wilhelm Gohl ist neuer Landesbischof in Württemberg
Es dauerte lange, bis die Synode einen Kompromisskandidaten fand. Nun bekommen die fast zwei Millionen Protestanten in Württemberg einen neuen Oberhirten. Nach der Wahl spricht Gohl von «echten Strukturproblemen» – die will er offensiv angehen.
Die Vertreter*innen der württembergischen evangelischen Landeskirche haben den Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl zum neuen Landesbischof gewählt. Der 58-Jährige erhielt am Samstag nach mehrtägigen Beratungen eine Zweidrittel-Mehrheit von 57 der 84 Stimmen. Gohl bekam Gratulationen unter anderem von der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus.
Gohl sagte nach der Wahl in Stuttgart, er wünsche sich eine vielfältige Landeskirche und strebe Veränderungen an. «Wir haben echte Strukturprobleme», sagte der Theologe. Ein Ziel sei es, Pfarrerinnen und Pfarrer von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Es gebe zudem Veränderungsdruck, da das Geld knapper werde.
Gohl soll offiziell am 24. Juli bei einem Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche eingesetzt werden. Die Amtszeit beträgt zehn Jahre. Gohl folgt auf Landesbischof Frank Otfried July, der in den Ruhestand wechselt. «Ich finde, es ist ein starkes Zeichen, dass wir über alle Unterschiede hinweg uns einigen konnten», erklärte Gohl. «Die Zwei-Drittel-Mehrheit war knapp», räumte er vor Medienvertreter*innen ein. Die Synodalen vertreten die Interessen von rund 1,9 Millionen Kirchenmitgliedern.
Der gebürtige Stuttgarter Gohl gehörte als Kandidat dem Gesprächskreis «Evangelium und Kirche» an. Er ist seit 2006 Dekan des Kirchenbezirks Ulm und gleichzeitig Seelsorger am Ulmer Münster. Als Dekan führte er bisher rund 45 Pfarrer im Kirchenbezirk. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern ist seit 15 Jahren Mitglied der württembergischen Landessynode als direkt gewählter Theologe des Wahlkreises Blaubeuren-Ulm.
Der ausgebildete Rettungssanitäter studierte Theologie in Tübingen, Bern und Rom. Nach dem Vikariat blieb Gohl im Pfarramt in Böblingen, es folgte bis 2006 eine Pfarrstelle an der Stadtkirche Plochingen.
In seiner Bewerbungsrede vor der Synode hatte sich Gohl vor allem für eine selbstkritische und mutigere Kirche stark gemacht, die auch bereit sein müsse, Fehler zu machen. «Der Kirche bläst grad gewaltig der Wind ins Gesicht», hatte er gesagt. Die Zeit, in der es zum guten Ton gehört habe, Mitglied der Kirche zu sein, sei vorbei. Es gehe vor allem darum Vertrauen zurückzugewinnen. Ein Gradmesser sei unter anderem, wie die Kirche mit dem Thema Missbrauch umgehe. «Die Aufarbeitung und die Prävention haben für mich oberste Priorität», versprach Gohl.
Sein Gesprächskreis setzt sich unter anderem zudem für Offenheit in der Kirche und die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ein. Gerade die Landeskirche Württemberg scheute es lange, Traugottesdienste für homosexuelle Paare zu feiern (MANNSCHAFT berichtete). Erst seit 2020 sind sie möglich.
Vorgänger July erreicht im Juli die Altersgrenze von 68 Jahren. Er war 2005 gewählt worden. Bei seinem Amtsantritt zählte die Landeskirche in Württemberg als eine der grössten protestantischen Kirchen in Deutschland noch 2,4 Millionen Mitglieder. Weniger Mitglieder bedeuten weniger Einnahmen aus der Kirchensteuer.
Letztes Jahr bat die Evangelische Kirche in Berlin LGBTIQ um Vergebung. Zum ersten Mal ging eine Kirchenleitung diesen Weg (MANNSCHAFT berichtete).
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