Lieber Ritter als Burgfräulein: Die Transition von Lio
«Ich bin mega happy»
Seit November lässt sich der Eintrag des eigenen Geschlechts deutlich leichter ändern (MANNSCHAFT berichtete). Hunderte Menschen haben allein im Südwesten davon Gebrauch gemacht - darunter auch Lio Titos aus Laichingen.
Lio Titos fühlte schon als Kind, dass irgendwas nicht passt. «Das waren halt so Kleinigkeiten», erzählt der heute 18-Jährige aus Laichingen (Alb-Donau-Kreis).
Damals hiess er noch Leonie. Bei einem Ausflug auf eine Burg mit anderen Kindern hätten alle wählen dürfen, ob sie lieber Burgfräulein oder Ritter sein wollten. Alle Mädchen hätten Burgfräulein sein wollen. «Und ich habe halt gar nicht darüber nachgedacht. Ich war gleich automatisch ein Ritter.» Mädchenkleider mochte Titos nie, die Haare trug er schon früher stets kurz.
Seit 5. November heisst Leonie nun offiziell Lio. Er hat sein eingetragenes Geschlecht von weiblich zu männlich ändern lassen - und dabei von dem neuen Selbstbestimmungsgesetz Gebrauch gemacht. Seit 1. November können Menschen in Deutschland ihr eingetragenes Geschlecht deutlich einfacher ändern lassen.
Sprunghafter Anstieg der Zahlen zum November Allein in Baden-Württemberg haben nach Angaben des Statistischen Landesamtes im November 641 Menschen ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, im Dezember waren es 305. Das ist ein sprunghafter Anstieg zum Jahresende hin: Denn in den Monaten Januar bis Oktober waren laut einem Sprecher nur 51 Fälle gemeldet worden. Im Jahr 2023 seien es zwölf Fälle gewesen.
«Ich konnte kaum noch atmen, aber das war es mir total wert - man durfte halt einfach nichts sehen.»
Lio Titos
Als Titos in die Pubertät kommt, wird das Gefühl, dass etwas nicht passt, immer stärker. Er klebt sich die wachsenden Brüste ab. «Ich konnte kaum noch atmen, aber das war es mir total wert - man durfte halt einfach nichts sehen.» Er hört auf, sich richtig zu ernähren und wird immer dünner. Seine Periode bleibt aus.
Seit ein paar Monaten nimmt Titos auch männliche Hormone, seine Stimme klingt tiefer. «Ich merke schon erste Veränderungen und bin damit mega happy.» Im April will er sich in einer Klinik für eine Brustentfernung vorstellen. Danach will er erst einmal schauen, wie er weitermacht.
Titos hat auf das neue Gesetz gewartet Er habe gewartet, bis das neue Gesetz in Kraft getreten sei, erzählt er. Ein Bekannter habe zuvor aufwendig versucht, seinen Geschlechtseintrag zu ändern, habe dabei auch mit Gerichtskosten zu kämpfen gehabt. Der Vorgang habe ihn sehr belastet.
Vor dem Selbstbestimmungsgesetz galt das Transsexuellengesetz, das 1981 in Kraft getreten war. Betroffene mussten eine langwierige und kostspielige Prozedur mit Gutachten und Gerichtsbeschluss über sich ergehen lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag samt Vornamen ändern lassen wollten.
Ministerium begrüsst neue Regelung Das Sozialministerium in Stuttgart begrüsst die neue Regelung, wie ein Sprecher sagt. Es sei davon auszugehen, dass die Anträge auf Änderung des Geschlechtseintrages nach einem ersten deutlichen Anstieg wieder zurückgehen würden. Vermutlich hätten viele Betroffene auf die neue Möglichkeit gewartet.
Auch die Zahlen im Südwesten sind wieder etwas zurückgegangen: Im Januar wurden nach vorläufigen Zahlen 217 Geschlechtseinträge geändert, im Februar 195.
Titos sagt heute, es gehe ihm gut, er habe auch wieder zugenommen. «Ich bin einfach ich selbst, und ich merke halt, dass das richtig ist.»
Brix Schaumburg gilt als erster offen trans Schauspieler Deutschlands. Seit er sich geoutet hat, verspürt er nicht Privilegien, sondern auch die Verantwortung etwas zu verändern (MANNSCHAFT-Story).
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