Anna Rosenwasser schafft es in den Nationalrat
Insgesamt rückt die Schweiz nach rechts, die Grünen erleben ein Debakel
Die äusserst rechte SVP ist in der Schweiz schon lange stärkste Partei. Bei der Wahl hat sie noch zugelegt. Das Erfolgsmodell des AfD-Vorbilds ist ein Paradox: Sie ist Regierungs- und Protestpartei.
Von: Christiane Oelrich, dpa
Anna Rosenwasser, die auf Listenplatz 20 für die SP antrat, hat bei der Parlamentswahl am Sonntag den Sprung in den Nationalrat geschafft. «Ich glaube, es war möglich, weil junge Menschen, Frauen und queere Menschen wählen gingen», erklärte Rosenwasser gegenüber Watson. «Ich wurde von so vielen Menschen gewählt, die eine junge, geoutete, linke Frau im Parlament sehen wollen.»
Im Jahr 2021 zeigte der SRF zeigt die Reportage «Anna Rosenwassers queere Welt». Eine Reporterin hatte die queere Aktivistin bei der Arbeit und auf dem Weg in die Selbständigkeit begleitet (MANNSCHAFT berichtete). Bis zum Beginn ihres Wahlkampfes war Rosenwasser als MANNSCHAFT-Kolumnistin tätig.
Auch Michael Töngi (Grüne) ist erneut in den Nationalrat gewäht worden. Gegenüber MANNSCHAFT erklärt er vor der Wahl: «Leider hat es der Bundesrat verpasst, zum dritten Geschlecht vorwärts zu machen. Hier müssen wir in der nächsten Legislatur im Parlament eine Lösung erarbeiten.» Gleichzeitig müsse man die offene und diverse Gesellschaft stärken und gegen vermehrte Angriffe zusammenstehen.
Insgesamt hat die Schweiz hat einen deutlichen Rechtsruck erlebt. Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) dürfte nach der Hochrechnung des Umfrageinstituts gfs.bern auf 29 Prozent kommen. Das wäre ein Plus von 3,4 Prozentpunkten und damit mehr als in Umfragen erwartet.
Die SVP ist schon seit mehr als 20 Jahren die wählerstärkste Partei. Ein Debakel zeichnete sich für das grüne Lager ab. Die Grünen dürften noch auf 9,2 Prozent kommen, minus 4 Prozentpunkte, die Grünliberalen auf 7,1 Prozent, minus 0,7 Punkte (zu den Wahlergebnissen).
«Das Bittere ist: Das Klima hat verloren», sagte Aline Trede aus der Grünen-Fraktionsspitze im Fernsehen SRF. Für die SVP war das Thema Zuwanderung der Erfolgsbringer, wie Vizepräsident Marcel Dettling sagte: «Das Volk hat gesprochen, da ist eine Kurskorrektur dringend notwendig.»
Die SVP verlangt Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden. Allerdings ändern die Wahlen an der Regierung nichts. Seit Jahrzehnten regieren die langfristig wählerstärksten Parteien zusammen, dabei ist auch die SVP.
Der Politikwissenschaftler Michael Hermann hatte die neue Stärke der SVP unter anderem wegen der internationalen Spannungen vorausgesehen. «In Krisenzeiten steigt immer das Bedürfnis nach Stabilität und es gibt weniger Bedarf an Experimenten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
In Krisenzeiten steigt immer das Bedürfnis nach Stabilität und es gibt weniger Bedarf an Experimenten
Gestiegene Preise spielen dabei eine weniger grosse Rolle als in Nachbarländern. Die Inflationsrate lag in den vergangenen 18 Monaten nie höher als 3,4 Prozent. Das liegt unter anderem an protektionistischen Massnahmen, die die Preise generell hochhalten, in Krisenzeiten aber angepasst werden und damit Preisschocks auffangen können.
Die SVP setzte im Wahlkampf wie immer auf Angst und Verlustsorgen: Sie hetzt gegen Ausländer*innen, warnt vor einer Annäherung an die EU und manche*r Vertreter*in sieht sich in einem Krieg um die Bewahrung der schweizerischen Kultur. Sie ist für die Kürzung von Sozialausgaben und Entwicklungshilfe und ein starkes Militär. Seit 1999 hat sie die meisten Sitze im Nationalrat. Die AfD sieht die SVP als Vorbild.
«Die SVP hat vieles, was rechtspopulistische Parteien wie die AfD oder die skandinavischen Vertreter heute machen, schon damals vorweggenommen: Den Stil, sich als Stimme des Volkes, der ‹kleinen Leute› auszugeben, Themen wie Migration und Asyl zu besetzen, und provozierende Plakate etwa», sagte Damir Skenderovic, Geschichtsprofessor an der Universität Freiburg/Fribourg.
Paradoxerweise ist die SVP sowohl Regierungs- als auch Protestpartei. Sie stellt zwei der sieben Mitglieder der Regierung, des Bundesrats. Neben der SVP sind darin die Sozialdemokratische Partei (SP) und die liberale FDP mit je zwei Sitzen und die christliche Mitte-Partei mit einem Sitz vertreten. Im Bundesrat gibt die SVP sich rechtskonservativ und trägt Kompromisse mit, im Wahlkampf ist sie rechtspopulistisch, etwa mit Initiativen wie zurzeit gegen die Einwanderung und für eine striktere Neutralität, die etwa Sanktionen gegen Russland verbieten würde. So fällt sie der Regierung immer wieder in den Rücken. «Das Doppelspiel ist sehr etabliert und akzeptiert», sagte Hermann.
Die SVP dürfte nach Hochrechnungen 8 Sitze im Nationalrat, der grösseren Parlamentskammer mit 200 Sitzen, dazugewinnen. Die Grünen dürften 6, die Grünliberalen 5 Sitze verlieren. Zwischen den Polen SVP und Grüne dürften die Sozialdemokrat*innen erstmals seit 2003 wieder leicht zulegen auf 17,4 Prozent und einen Sitz dazugewinnen. Die liberale FDP und die christliche Partei «Mitte» dürften weniger verändert bei knapp 15 Prozent landen, wobei die Mitte 2 Sitze dazugewinnt. Auch die zweite Kammer, der Ständerat mit 46 Sitzen, wurde neu besetzt.
Zur Wahl aufgerufen waren gut 5,5 Millionen Schweizer*innen. Die Wahlbeteiligung lag nach Hochrechnungen aber nur bei rund 46 Prozent. Das liegt unter anderem daran, dass die Schweizer*innen viermal im Jahr per Volksabstimmung über zahlreiche Vorlagen entscheiden. Deshalb nutzen sie Parlamentswahlen kaum als Ventil, um Regierenden einen Denkzettel zu verpassen.
Die Gesetzeslage in den USA hat sich für trans Personen in der jüngsten Vergangenheit immer weiter verschärft. Ein neuer Bericht zeigt nun, wie sehr Jugendliche betroffen sind (MANNSCHAFT berichtete).
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