«Meine Liebe zählt» – Wie queere und authentische Hochzeitsfotos entstehen
Bilder von Brautpaaren sollen sie so zeigen, wie sie sind: vielfältig, frei und vor allem – echt. Ein Plädoyer von Hochzeitsfotografin Jana Sauer.
Wer heiratet, sucht nicht einfach nach schönen Bildern – sondern nach einer Person, die versteht, was dieser Tag bedeutet und dies in Bildern festhält. In empathischen und authentischen Hochzeitsreportagen geht es nicht nur darum, Erinnerungen festzuhalten, sondern Gefühle sichtbar zu machen. Eure Nähe. Eure Geschichte. Eure Art zu lieben – ohne Schablone, ohne Erwartungen von aussen.
Diversität zu feiern, bedeutet für mich, dass ihr euch in meinen Bildern wiederfindet, bevor ich überhaupt Bilder von euch gemacht habe. Ob queer, neurodivergent, nicht-binär, dick, alt, tätowiert oder einfach anders als das klassische Pinterest-Traumpaar – ihr sollt euch nicht verbiegen müssen. Ihr sollt einfach ihr selbst sein dürfen. Und genau das halte ich für euch fest.
Liebe kennt keine Schablone Wer fotografiert, erzählt Geschichten – nicht über irgendwen, sondern über euch. Und diese Geschichten sollten so bunt, vielfältig und echt sein wie ihr. Jedes Paar bringt seine eigene Dynamik mit: leise oder laut, zärtlich oder wild, traditionell oder frei von Konventionen. Genau das macht eure Geschichte besonders – und genau das darf sichtbar werden.
Vielfalt ist kein mutiger Sonderfall, sondern ein selbstverständlicher Teil dessen, was Liebe heute ist. Deshalb ist es mir wichtig, dass ihr euch nicht nur am Hochzeitstag, sondern schon beim Blick ins Portfolio gesehen fühlt. Dass ihr denkt: Da sind Menschen wie wir. Und gleichzeitig: So möchten wir uns auch sehen – ehrlich, berührend, ganz bei uns.
Repräsentation schafft Zugehörigkeit Wer sich mit den Menschen in einem Hochzeitsportfolio identifizieren kann, fühlt sich abgeholt. Sichtbarkeit ist wichtig für Identifikation. Für queere Menschen, trans und nicht-binäre Personen ist das keine Selbstverständlichkeit. Viele gängige Bildwelten zeigen ein enges Normbild von Paaren – dabei gibt es so viele Formen von Liebe.
Fotograf*innen können aktiv dazu beitragen, Zugehörigkeit zu schaffen. Diversität muss bewusst mitgedacht werden – in Repräsentation, Ansprache und Kommunikation. Nur so entsteht eine zeitgemässe Hochzeitsfotografie, die nicht ausschliesst, sondern einlädt.
Diversität ist mehr als Hautfarbe und Gender Zwei cis Frauen im weissen Kleid – aber bitte nur im Pride Month? Das ist kein Fortschritt, sondern Symbolpolitik. Echte Vielfalt beginnt dort, wo Stereotype hinterfragt werden. Warum sollen queere Paare immer gleich inszeniert werden? Warum gelten bestimmte Outfits, Gesten oder Rollenbilder immer noch als Norm?
Wer ehrlich dokumentiert, lässt Raum für Individualität: Eine nicht-binäre Person in genderfluidem Outfit. Menschen, die sich ausserhalb klassischer Gender-Kategorien bewegen. Hochzeitsfotografie sollte zeigen, wie das Hochzeitspaar ist – nicht das, was gesellschaftlich von ihnen erwartet wird.
Vielfalt ist facettenreich. Sie zeigt sich auch in Alter, Körperform, Religion, Behinderung, Beziehungsform oder kulturellem Hintergrund. Ein Paar über 70. Zwei Frauen mit Kind. Eine neurodivergente Person – alle Geschichten verdienen den gleichen Raum.
Was authentische Hochzeitsfotografie heute leisten sollte Fotograf*innen begleiten Menschen an einem der emotionalsten Tage ihres Lebens – und tragen Verantwortung dafür, was sichtbar wird. Es geht um mehr als schöne Bilder. Es geht darum, als Paar wirklich gesehen zu werden. Dazu gehört:
- Vielfalt aktiv einfangen
- Sensibel kommunizieren
- Stereotype Posen vermeiden
- Intersektionale Perspektiven mitdenken
- Bildsprache reflektieren: Wer wird wie gezeigt – und wer fehlt?
Fotografie schafft Realität mit – deshalb braucht es Umdenken und das nicht nur von queeren Paaren, sondern auch von Allies.
Was das in der Praxis bedeutet Vielfaltsbewusste Hochzeitsfotografie beginnt nicht erst am Hochzeitstag, sondern bereits in der Kommunikation vorab. Im Kontaktformular wird neben organisatorischen Angaben auch nach den gewünschten Pronomen gefragt. Begriffe wie «Hochzeitspaar» werden bewusst verwendet, um eine inklusive Sprache zu fördern.
Beim Fotografieren selbst wird auf stereotype Posen verzichtet. Stattdessen erhalten die Paare kleine, alltagsnahe Anleitungen, etwa: «Ihr könnt euch an den Händen halten oder einhaken – ganz so, wie ihr es sonst auch machen würdet.» Ziel ist es, Raum für authentisches Verhalten zu schaffen. Die Anleitung erfolgt geschlechtsneutral, mit verschiedenen Möglichkeiten, um den individuellen Ausdruck der Paare sichtbar zu machen – unabhängig von Geschlecht oder Rollenbild.
Sichtbar geliebt: Warum diese Bilder zählen Vielfalt sichtbar zu machen, bedeutet (leider immer noch) Mut, Zugehörigkeit schaffen und Selbstverständlichkeit. Hochzeitsfotos, die echte Geschichten zeigen, berühren nicht nur das Paar – sie inspirieren auch andere.
Für viele queere, trans oder nicht-binäre Menschen sind diese Bilder ein Zeichen: Meine Liebe zählt. Ich bin nicht allein. Ich darf sichtbar sein – nicht nur am Hochzeitstag, sondern in der Gesellschaft.
Vielfalt auf Hochzeitsfotos ist kein nettes Extra – sie ist Ausdruck von Respekt, Echtheit und Zeitgeist. Wer liebt, verdient es, gesehen zu werden – so, wie man ist. Hochzeitsfotografie sollte diesen Raum schaffen: für Erinnerung, Repräsentation und Veränderung. Denn sichtbar geliebt zu sein, bedeutet mehr als ein schönes Bild – es bedeutet Anerkennung.
Mehr lesen: Bill Kaulitz und Marc Eggers – War die Beziehung nur für Netflix? (MANNSCHAFT berichtete)
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