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«Den Männern fällt jetzt die Decke auf den Kopf»

Welche Sorgen treiben schwule, bi und trans Männer in diesen Zeiten um?

Corona Beratung
Symbolbild: Berkeley Communications/Unsplash

Plötzlich viel Zeit zu Hause verbringen, ob allein oder mit dem Partner – damit umzugehen ist für viele nicht leicht. Wir wollten vom SUB in München wissen: Welche Sorgen haben ihre Klienten in Zeiten der Corona-Pandemie?

Momentan sei das Beratungsaufkommen noch nicht deutlich gestiegen – möglicherweise weil viele annehmen, da das SUB derzeit geschlossen ist, fänden auch keine Beratungen statt. Doch die Einschränkungen gelten derzeit nur für Veranstaltungen und das Café. Im SUB sitzt die einzige psychosoziale Fachstelle in Bayern, die sich um schwule, bisexuelle und trans Männer kümmert, sowie um deren Freunde und Angehörige.

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Es gebe durchaus neue Problemstellungen, die sich durch die Ausgangsbeschränkungen in der Pandemie ergeben. So sprach der Diplom-Psychologe Christopher Knoll, der auch die fachliche Leitung der Beratungsstelle hat, mit einem jungen Mann, der sich erst kürzlich geoutet hatte und es nun zusammen mit seinem gewalttätigen Vater, der noch dazu Alkoholiker ist, in einer Wohnung aushalten muss.

Auch LGBTIQ-Geflüchtete trifft die Situation, die in den Unterkünften geradezu kasierniert sind, hart. Dort sind sie mit ihren homophoben Peinigern zusammen und haben nun weniger Möglichkeiten, der Situation zu entfliehen. «Ihr Spielraum ist aktuell total eingeschränkt», sagt der Münchner Berater. In der Unterkünften werden sie körperlich angeriffen – das mache Christopher gerarde grosse Sorgen. Zwei Männer habe man sicherheitshalber in die Psychiatrie überwisen einfach, damit sie aus der Unterkunft herauskommen.


Noch beschäftigt seine Klienten das Thema Einsamkeit weniger, aber Christopher erwartet, dass das in den nächsten Wochen zunimmt, da die soziale Ansprache fehlt. Immerhin sollen die Einschränkungen ja mindestens bis zum 20. April anhalten. Gerade schwule Männer hätten oft keine unterstützende Familie im Hintergrund, daher fehlten ihnen die sozialen Kontakte. Wenn sie vor dem Ausbruch der Pandemie wenigstens noch Sozialkontakte bei der Arbeit hatten, müssen viele von ihnen nun auch noch alleine zu Hause sitzen.

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Es komme auch immer wieder vor, dass Christopher mit Fällen von häuslicher Gewalt zu tun hat. In einem Fall geht es um zwei Männer, die Crystal Meth konsumieren. Sie hatten sich vorgenommen, keine Drogen zu nehmen, doch nun haben sie es doch getan. «Denen fällt jetzt die Decke auf den Kopf.» Die Männer hätten eine «gegenseitig missbräuchliche Beziehung» und waren schon kurz vor dem Shutdown in der Beratung. Aktuell werden die Termine telefonisch weitergeführt – oder auch per Videocall, wenn Klienten das möchten.


Für die Beratung selber ist es von Vorteil, wenn man einander sieht, erklärt Christopher. Schlieslich ist ein grosser Teil von Kommunikation visuell. Und es erhöhe die Verbindlichkeit, wenn man einander in die Augen sehen kann.


Helfen in der Krise? Marco Uhlig ist während der Corona-Krise als Pfleger auf der Intensivstation tätig. Der Geschäftsführer des Zürcher Clubs «Heaven» sagt im Interview mit MANNSCHAFT, wie die Lage an der COVID-19-Front ist und ob sein Club den Lockdown überleben wird.


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