Zwei Richter des Supreme Courts wollen Ehe für alle aufheben
Die Richter kommunizieren ihre Haltung am ersten Sitzungstag ohne Ruth Bader-Ginsburg
Vor fünf Jahren öffnete das oberste Gericht der USA die Ehe für alle. Zwei Richter sagen nun, das dieser Entscheid rückgängig gemacht werden soll.
In einem historischen Urteil öffnete der Supreme Court 2015 die Ehe für alle in allen fünfzig US-Bundesstaaten (MANNSCHAFT berichtete). Mit fünf zu vier Stimmen war es ein knapper Entscheid. Jetzt, fünf Jahre später, wollen zwei Richter das Rad der Geschichte zurückdrehen und die Entscheidung revidieren. Es handelt sich dabei um Clarence Thomas und Samuel Alito, die bereits 2015 gegen die Ehe für alle gestimmt hatten.
Am 5. Oktober veröffentlichte Thomas ein Gutachten, in dem er den damaligen Gerichtsentscheid in der Klage Obergefell v. Hodges als verfassungswidrig bezeichnet. Der Supreme Court habe den «demokratischen Prozess umgangen». Dadurch falle es Menschen mit «aufrichtigen religiösen Überzeugungen in Bezug auf die Ehe zunehmend schwer, an der Gesellschaft teilzuhaben.»
Thomas verfasste das Gutachten in Zusammenhang mit der Klage Davis v. Ermold. Klägerin ist Kim Davis – die Standesbeamtin aus dem Bundesstaat Kentucky, die nach der Öffnung der Ehe in den USA in die weltweiten Schlagzeilen geriet, weil sie sich weigerte, gleichgeschlechtliche Paare zu vermählen (MANNSCHAFT berichtete). Davis zog ein Urteil aus tieferer Instanz an den Supreme Court, das sie bei der Verletzung von Rechten schuldig sprach. Der Supreme Court lehnt die Anhörung ihres Falls jedoch ab, da dieser gemäss Thomas und Alito «keine saubere Grundlage» liefere, um Obergefell v. Hodges zu revidieren.
«Indem der Gerichtshof ein neuartiges Verfassungsrecht gegenüber der im ersten Zusatzartikel der Verfassung geschützten Religionsfreiheit den Vorzug gibt – und das undemokratisch tut –, hat er ein Problem geschaffen, das nur er beheben kann», schreibt Thomas in seinem Gutachten, das von Alito unterstützt wird. «Bis dahin wird Obergefell weiter verheerende Folgen für die Religionsfreiheit haben.»
«Man darf als schwules Paar heiraten, wird aber auf der Strasse verprügelt»
Thomas‘ Worte sorgen in den USA für scharfe Kritik. Einerseits, weil es für ein Mitglied des Gerichtshofes unüblich ist, sich in der Öffentlichkeit derart vehement gegen ein Urteil auszusprechen, das bereits fünf Jahre zurückliegt. Andererseits, weil Thomas sein Gutachten am ersten Tag nach der Sitzungspause veröffentlichte, der zugleich auch der erste Tag ohne Ruth Bader-Ginsburg ist. Die Richterin stimmte 2015 für die Ehe für alle und behielt ihr Amt bis zu ihrem Tod im September (MANNSCHAFT berichtete).
Der ehemalige demokratische Präsidentschaftskandidat Pete Buttigieg, der mit einem Mann verheiratet ist, twitterte: «Soviel zu Präzedenzfällen und richterliche Selbstbeschränkung. Zwei Richter fordern offen ein Ende der Ehegleichstellung der Ehe – im Wissen, dass eine Verstärkung auf dem Weg ist.»
Buttigieg bezieht sich damit auf Amy Coney Barrett. US-Präsident Donald Trump hatte die strenggläubige Katholikin Ende September als Nachfolgerin von Bader-Ginsburg nominiert (MANNSCHAFT berichtete). Sollte Barrett bestätigt werden, gäbe es in dem aus neun Richter*innen bestehenden Supreme Court eine klare konservative Mehrheit von 6:3, was gravierende Auswirkungen für die Zukunft von LGBTIQ-Rechten in den USA hätte, für die sich Ginsburg 25 Jahre lang stark gemacht hatte.
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