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«Zwei Mütter hat nicht jeder» – Langzeitdoku über Regenbogenfamilie

Demnächst im Kino: «Mutter Mutter Kind – Let’s do this differently»

Mutter Mutter Kind
Foto: JIP FIlm und Verleih GbR

Wie kommen Familien zurecht, die nicht dem traditionellen Modell Mutter-Vater-Kind(er) folgen? Eine Frankfurter Regisseurin hat zwölf Jahre lang eine besonders ungewöhnliche Konstellation begleitet.

Von Sandra Trauner, dpa

Zwei Frauen wollen nicht nur ein Paar, sondern auch eine Familie sein. Per Zeitungsanzeige finden sie einen Mann, der ihnen dabei hilft. Drei Söhne kommen so auf die Welt. Die Frankfurter Filmemacherin Annette Ernst hat die Familie zwölf Jahre lang mit der Kamera begleitet. Daraus entstand ein knapp 100 Minuten langer Dokumentarfilm, der im Oktober in die Kinos kommt: «Mutter Mutter Kind – Let’s do this differently».

Die Regisseurin erlebte, wie die Kinder zu jungen Erwachsenen heranwuchsen, wie das Umfeld sich wandelte – und wie die Patchworkfamilie anwuchs: Der Samenspender bekam noch weitere fünf Kinder mit vier anderen lesbischen Paaren. «Was in den zwölf Jahren passiert ist, hätte ich mir nie ausdenken können», sagt Ernst im Interview. «Hätte ich das als Drehbuch geschrieben: Das hätte mir jede Redaktion um die Ohren gehauen.»


Die Frankfurter Regisseurin wurde bereits für ihren ersten Kinofilm 2002 «Kiss and Run» mit dem Grimme Preis ausgezeichnet. 2018 führte sie Regie in der deutsch-französischen Komödienserie «Deutsch Les Landes» mit Christoph Maria Herbst. Ungewöhnliche Familienkonstellationen interessieren sie, seit sie einen ähnlichen Fall im Bekanntenkreis miterlebte.


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2009 fand die Regisseurin über ein Internetforum Pedi und Anny, das Kern-Frauenpaar des Films, das auch in Frankfurt lebt. Als Zwischenprodukt auf dem Weg zur Langzeit-Doku entstand zunächst ein TV-Film, der 2014 in der ARD zu sehen war («Zwei Mütter hat nicht jeder»). Nach zwölf Jahren hatte Ernst 80 Stunden Filmmaterial im Kasten, das gesichtet, geschnitten und geordnet, vor allem aber aussortiert werden musste.


Ernst war bei vielen entscheidenden Momenten der Familien dabei, auch bei einer der Geburten. In Interviews kommen nicht nur die Frauen, ihre Kinder und der Samenspender zu Wort, sondern auch ihr Umfeld: der skeptische Bruder einer der Frauen, die anfangs kritischen Eltern der anderen, der unterstützende Pastor, Mitschüler und – besonders erhellend – die unverstellte Sicht von Kindergartenkindern.

«Ich wollte wissen, wie diese Familie zurecht kommt in einer Gesellschaft, die für sie keine Vorbilder kennt», beschreibt Ernst ihre ursprüngliche Motivation. Dabei sei es ihr aber auch wichtig gewesen, den Beispielfall «in der Welt einzuordnen». Daher transportiert der Film auch eingeblendete Daten und Fakten zur Ehe für alle, künstlicher Befruchtung oder homophoben Angriffen.


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Wichtig war ihr, auch «Volkes Stimme» abzubilden. Viele Menschen hätten ein «diffuses Unbehagen», glaubt Ernst, wollten oder könnten es aber nicht artikulieren. Gerade die vehementesten Gegner wollten sich nicht vor der Kamera äussern. Daher liess sie die Argumente der Hardcore-Fraktion von Schauspielern vortragen, die in Schwarz-Weiss als solche kenntlich gemacht werden. So setzt sich bei aller Sympathie für die Protagonisten ein differenziertes Bild zusammen.

Der schmächtige Heilpraktiker stellte den fünf Frauenpaaren sein Sperma für eine Befruchtung mit der Bechermethode zur Verfügung

Bei Testvorführungen des Films rief Eike, der Samenspender, die kontroversesten Reaktionen hervor. Der schmächtige, schüchterne Heilpraktiker stellte den fünf Frauenpaaren sein Sperma für eine Befruchtung mit der Bechermethode zur Verfügung und zeugte so acht Kinder. Erst spät erfuhren die Frauen von den anderen Paaren und die Kinder von ihren Halbgeschwistern. Wer von anderen Toleranz einfordere, müsse sie auch selbst haben, sagten sich diese und nahmen Kontakt zueinander auf. Seitdem erleben sie sich als eine große Patchworkfamilie.

Die lange Produktionszeit sei «eine extreme Herausforderung» gewesen, berichtet Ernst. «In keiner deutschen Förderung ist so ein Langzeitprojekt vorgesehen.» Eine Crowdfunding Kampagne und der Fernsehfilm halfen ihr, das Projekt zu verwirklichen. Sie würde sich wünschen, dass die Richtlinien für Filmförderung so gelockert werden, dass es leichter wird, solche Formate zu realisieren.


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