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Zum Missbrauch «ab­gerichtet» – Skandal in katho­lischer Kirche

Die Ermittlungen gehen bis in die Schweiz

Missbrauch
Symbolfoto: Pixabay

Ein neuer Missbrauchsskandal erschüttert die römisch-katholische Kirche: Der heute 39-jährige Josef H., bei Pflegeeltern katholisch konservativ aufgewachsen, kam über mehrere Zwischenstationen ins Bischöfliche Seminar Zwettl zu den «Dienern Jesu und Mariens» – er sollte Priester werden.

Über den Fall berichtet die in Wien ansässige Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt, nach eigenen Angaben «die erste und einzige unabhängige Anlaufstelle von Betroffenen für Betroffene kirchlicher Gewalt», sowie verschiedene Medien. Insgesamt werden vier Geistliche des Missbrauchs beschuldigt. Die Diözese St. Pölten prüfe alle Vorwürfe, wie aus einer Erklärung von Bischof Alois Schwarz gegenüber den Salzburger Nachrichten hervorgeht.


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Im Seminar Zwettl im nordwestlichen Niederösterreich soll H. als Missbrauchsopfer «abgerichtet worden», wie die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt in einer Pressemitteilung schreibt. Als 13-Jähriger war er im Jahr 1997 dorthin hingekommen.


Ab 1998 sei es zu nahezu täglichen sexuellen Übergriffen durch seine engste Bezugsperson gekommen, den Pater H.: «Abends, im abgedunkelten Schlafzimmer, erfolgten erzwungene Küsse und Berühren der Genitalien.» Im Seminar sei allgemein bekannt gewesen, dass sich der Pater in besonderer Weise um den Jungen «kümmerte». Da dieser kaum familiäre Bezüge hatte, sei er den Übergriffen schutzlos ausgeliefert gewesen: «das perfekte Opfer», wie es in der Mitteilung heisst. Als das Seminar geschlossen wurde, zog H. nach Wien, wo er sich mit Gelegenheitsjobs durchschlug und zeitweilig keinen festen Wohnsitz hatte.

Es folgte der nächste Übergriff: Pfarrer J., der Josef aus Zwettl kannte, habe angeboten, nach Schloss Rosenau zu ziehen und für ihn zu arbeiten. Ab 2011 sei es dort zu regelmässigen sexuellen Übergriffen gekommen, die der Pfarrer offenbar als Gegenleistung für diverse Geschenke und Geldsummen in Anspruch nahm. Josef H. habe all dies über sich ergehen lassen, er fühlte sich finanziell abhängig und war dazu erzogen worden, sich Priestern gegenüber stets gefügig zu zeigen, heisst es in der Schilderung des Falles durch den Verein.

2012 habe Pfarrer G. ihm angeboten, zu ihm in die Schweiz zu ziehen – sie kannten einander ebenfalls von Zwettl. Auch dort kam es wiederholt zu sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungsversuchen. Der nächste Missbrauchstäter sei dann der vormalige Bischof von Eichstätt und Augsburg gewesen. Dieser habe ihn gedrängt, bei ihm zu beichten und bei der Messfeier zu ministrieren. Im Anschluss an diese Messfeier habe der Bischof den jungen Mann geküsst.


Nach diesem Vorfall verfiel Josef H. in eine schwere Depression, die 10 Jahre andauert und eine vollständige Lethargie zur Folge hatte. Bis heute sei sein Alltag gravierend beeinträchtigt. Er wäre damals psychisch völlig am Ende gewesen, sagt er heute: «Ich wurde offenbar für eine Vielzahl kirchlicher Würdenträger gefügig gemacht. Nach dieser schlimmen Zeit habe ich mich irgendwie schlafen gelegt. Ohne Kiffen und der Erinnerung an meine Jugendliebe hätte ich mir wohl das Leben genommen.»

Bereits 2013 habe er Pfarrer S. vom Bistum Eichstätt über die mutmasslichen Straftaten in Kenntnis gesetzt. Statt diese zur Anzeige zu bringen – sie dürften damals allesamt noch nicht verjährt gewesen sein – peinigte Pfarrer den Betroffenen jedoch mit «Befreiungs-» und «Heilungsgebeten» und vermittelte ihm das Gefühl, eine gewisse Mitschuld an dem ihm zugefügten Leid zu tragen und seinen Tätern vergeben zu müssen.

Erst in diesem Jahr habe sich Josef H. schliesslich an einen ehemaligen Bischof gewandt. Dieser, so heisst es, schien Josef H. zwar zu glauben, er soll ihm aber keinerlei Hilfe angeboten haben. Josef H. gewann den Eindruck, der Bischof wolle ihm ein einvernehmliches sexuelles Verhältnis mit Pfarrer J. unterstellen. Für den Fall, dass Josef seine Vorwürfe nicht beweisen könne, drohte Küng ihm mit rechtlichen Konsequenzen. Die vorgeschriebene Meldung habe der Ex-Bischof offenbar ebenfalls unterlassen, heisst es in der Pressemitteilung.

Doch keine kirchliche Institution reagierte oder meldete sich bei ihm, um die Straftaten aufzuklären und die Missbrauchstäter zur Rechenschaft zu ziehen. Danach wandte sich Josef an den Pfarrer Wolfgang F. Rothe, der ihm volle Unterstützung zusagte. Inzwischen wurde für Josef bei den Staatsanwaltschaften Krems (Österreich), Graubünden und St. Gallen (Schweiz), Strafanzeige wegen «schweren sexuellen Missbrauchs» erstattet. Während die Staatsanwaltschaft Krems das Verfahren wegen Verjährung einstellte, wurden laut in der Schweiz Ermittlungen aufgenommen.

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greta gerwig

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