Zürich, pass bitte gut auf deine neue queere Bar auf!
Kommt ein Mann in ein Lokal …
Unser Autor aus Berlin hat die neue «Kweer»-Bar in Zürich besucht und erklärt in seinem Kommentar*, warum er so begeistert und sogar ein wenig neidisch ist.
Vor vielen Jahren hatte ich beruflich öfters in der Schweiz zu tun – und als ich einmal in Zürich Station machte, fragte ich schwule Freunde, ob man nicht mal in ein Homolokal gehen könne. Die Freunde zierten sich nicht, aber es gäbe nicht so richtig und überhaupt, ich als Bewohner einer Metropole wie Berlin sei doch bestimmt schnell unzufrieden zu machen. Was für ein Irrtum, wie sich jetzt herausstellte. Denn damals, lese ich im Internet, habe es ja diese eine Bar auch schon gegeben, nur unter anderem Namen. Das fehlende Verständnis für die Wünsche mag auch an mir gelegen haben, womöglich äusserte ich nicht genau, was ich kennenzulernen hoffte.
Neulich in Zürich, wieder in dieser vielleicht schönsten Stadt Mitteleuropas zwischen Basel und Luzern: ein hübscher See, lauschige Gassen, eine Bahnhofstrasse, in der Oprah Winfrey mal für eine minderfinanzkräftige Dienstbotin gehalten wurde, ein leider baugerüstumhangener Bahnhof – und auf alles scheint ein Preisschild zu kleben, auf dem zu lesen steht: «Auch dies – juwelenteuer». Aber so ist die Schweiz, so ist Zürich, und zwar besonders.
Es war ein feiner Spätsommertag Ende Oktober, wir hatten die Reise angetreten, um in Oerlikon, auch sehr schön insgesamt, eine «Italienische Schlagernacht» zu besuchen (mit Drupi, der ging so; Al Bano & Romina Power, er wie immer, sie wie immer, ihrer Rosenkriege wegen etwas steif wirkend; der Höhepunkt Ricchi & Poveri, in Trauerarbeit performend, ihr Freund und Bandkollege Franco Gatti war vier Tage zuvor gestorben). Die kommen ja nicht nach Berlin, aber wenn der Brunnen nicht zum Krug kommt, dann eben wir Krüge zum oerlikonschen Brunnen, warum nicht. Danach: Regen, echte Herbstkühle. Wollen wir noch in eine Homobar gehen?
In der MANNSCHAFT las ich vor einigen Nummer von einer Kweer-Bar. Das war die Idee, ein Leitstern der Orientierung. Und was soll ich sagen? Es war die Entdeckung dieser Reise, nicht nur der wirklich eindrücklichen neuen Schreibweise des Wortes queer wegen: kweer. Ein gar nicht mal kleines Lädchen in der Spitalgasse im Altstadtviertel der Stadt, keineswegs in einer Nische, sondern in einem Strässchen, das von der Niederdorfstrasse, der Fussgängerzone, öffnend abgeht.
Zum Lokal selbst: 23 Uhr, vor dem Eingang stehen drei bis vier Grüppchen, rauchend, unter grossen Regenschirmen stehend, drinnen ist es rappelvoll. Aber was auffällt ist nicht die grosse Freundlichkeit, die die ganze Szene offenbar verströmt, sondern das ist die buchstäbliche Diversität der Bar Crowd schlechthin. Hier eine Frauengruppe, offenbar, weil viel lachend, sich vorglühend für weitere Nachtschwärmereien, Witze erzählend. Dort ein Männergrüppchen, dann wieder sehr junge Menschen, nicht-binär, so unsere Annahme. Alle Kleingruppen stehen aber nicht, so scheint es, feindlich zueinander getrennt. Vielmehr wirkt es wie zufällig, charmant und lebendig. Und es hat, so unser Augenschein, nicht diese gewisse Atmosphäre der überkrassen Wohlhabenheit wie das meiste in Zürich.
So einen Laden, einen queeren Laden, wünsche ich mir für jede Stadt.
Ja, so einen Laden, einen queeren Laden, wünsche ich mir für jede Stadt. Kein Sexlokal, nix mit Darkroom, sondern eine Art Bierschwemme für Treffen absolut unzwangsläufiger Art. Hier musst Du nichts müssen!, das ist die Message, scheint uns. Eine Kneipe, eine Bar, ein Treffpunkt, wie eine*r jede*r von uns sie braucht: Man will zwar nicht nur in queeren Kontexten leben, nicht überall «queer» (oder schwul, oder lesbisch, oder trans oder sonstwie zu einem Buchstaben der queeren Kette zugehörig) markiert sein. Aber man braucht, finde ich, in einer Stadt einen queeren Leuchtturm, so dass unsereins spürt, dass man nicht überall, wenigstens dort nicht, in der Minderheit ist. Hier ist kein Separatismus, hier sind sogar heterosexuell orientierte Menschen erlaubt, sie haben es ja auch nicht immer leicht.
So einen Laden wie die Kweer-Bar gibt es weder in Hamburg, meiner Heimatstadt, noch in Berlin. Leider. Zürich möge gut auf diese Bar aufpassen; sie steht schon jetzt, früher einst ja die Barfüsser-Bar, unter sensibelstem Artenschutz. Was für ein schöner Abend das war!
* Die Meinung der Autor*innen von Kommentaren spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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