Diese Airlines zensieren Filme mit LGBTIQ-Inhalten
Die US-amerikanische Fluggesellschaft Delta eliminiert zum wiederholten Mal schwule und lesbische Szenen aus dem In-Flight-Entertainmentprogramm. Kann man Reisenden solche nicht zumuten? Und was passiert bei europäischen Gesellschaften wie Lufthansa?
Wer kennt das nicht? Man steigt ins Flugzeug, hat einen langen Flug vor sich und schaut als Erstes erwartungsvoll auf den Screen vor sich, um zu checken, wie das Bordprogramm wohl aussieht, mit dem man sich die nächsten Stunden vertreiben kann.
Aktuell ist bei vielen Airlines «Rocketman» im Angebot, aber auch sonst gab’s selten so viele LGBTIQ-Titel wie jetzt, wozu auch Erfolgsserien wie «Modern Family» zählen. Kickt man einen Titel an, erscheint im Vorspann meist der Hinweis: «Der Film wurde leicht modifiziert und für den Flug angepasst.»
Um genau solche Anpassungen gab es zuletzt immer wieder Aufregung in der LGBTIQ-Community. Anfang der Jahres machte Emirate Airlines aus den Vereinigten Arabischen Emiraten als viertgrösste Fluggesellschaft der Welt von sich reden, weil sie den Oscar-nominierten Film «Ladybird» und die BBC-Produktion «Killing Eve» in Fassungen zeigten, bei denen die schwulen bzw. lesbischen Kussszenen eliminiert wurden (MANNSCHAFT berichtete).
Jetzt machte die US-amerikanische Fluggesellschaft Delta Schlagzeilen, weil sie das Elton-John-Biopic ebenfalls um die Kussszenen bereinigte. Das fiel der Mitarbeiterin der Zeitschrift Entertainment Weekly auf. Shana Naomi Krochmal war Fluggast. Auf Twitter schrieb sie anschliessend: «Was sagt uns das, dass bei den Anpassungen eine Szene drin blieb, in der John Reid Elton angreift, aber alle Momente rausgeschnitten wurden, in denen es zu Intimitäten zwischen den beiden kommt bzw. zwischen Elton und einem beliebigen anderen Mann?»
Emirates Airlines zensiert LGBTIQ-Inhalte im Bordprogramm
Delta hat auch verschiedene Teile aus der Teenager-Komödie «Booksmart» gestrichen, konkret eine lesbische Szene, von der Regisseurin Olivia Wilde sagt, sie sei «elementar» fürs Verständnis der Handlung. Die US-Fluggesellschaft eliminierte auch Worte wie «Vagina» und «Lesbe», während Beschimpfungen wie «Fuck» drin blieben.
«Man kann völlig verrückte Gewalt [in anderen Filmen] sehen, wo Körper zerquetscht und halbiert werden, aber eine Liebessszene zwischen zwei Frauen wird zensiert,» empörte sich Wilde. «Ich verstehe das nicht.»
Die Schauspielerin Beanie Feldstein, die in «Booksmart» mitspielt, wurde letzte Woche zu der Zensur befragt und antwortete: «Wir sind dran, das richtigzustellen. Unser Film ist eine wunderschöne Darstellung der queeren Lebenserfahrung von jungen Menschen. Ich bin eine queere Person. Deshalb gehen wir dem Fall nach, keine Sorge. Wenn man sehen kann wie ich und Skyler [Gisondo] uns küssen, dann hält man auch aus zu sehen, wie Diana [Silvers] und Kaitlyn das tun.»
Freiheit der Kunst verfassungsrechtlich garantiert Gerade in den USA, mit ihrer im «1. Zusatzartikel zur Verfassung» (First Amendement) garantierten Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst, reagieren viele auf solche Zensurmassnahmen heftiger als beispielsweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder in Russland, wo «Rocketman» gleichfalls nur in zensierter Fassung gezeigt werden konnte (MANNSCHAFT berichtete), von Samoa ganz zu schweigen, wo gleich der gesamte Film verboten wurde (MANNSCHAFT berichtete auch darüber).
Auch Erfolge wie «Love, Simon» hatten in Ländern wie Indien Probleme mit der Zensur und bekamen keinen Starttermin (MANNSCHAFT berichtete), während Oscar-Gewinner «Call Me By Your Name» in China aus einem Filmfestivalprogramm gestrichen werden musste wegen der Intimszenen zwischen Armie Hammer und Timothée Chalamet, wobei man auch den Pfirsich-Moment von Chalamet nicht vergessen sollte (MANNSCHAFT berichtete).
Und um nicht nur in weiter Ferne zu schweifen: Auch der Film «Weekend» wurde in Italien von der katholischen Kirche zensiert und durfte nicht in den 1100 Kinos in Italien gezeigt werden, die dem Vatikan gehören (MANNSCHAFT berichtete). Inwieweit diese Zensurmassnahmen das In-Flight-Entertainmentprogramm von Fluggesellschaften beeinträchtigten, die zu diesen Ländern gehören, ist nicht bekannt.
Im Kreuzfeuer der Medien Delta Airlines hingegen ist schon mehrfach ins Kreuzfeuer der Medien geraten wegen der Zensur von LGBTIQ-Inhalten. 2016 hatten sie in ihrem Bordprogramm den lesbischen Kuss aus dem Film «Carol» entfernt, 2017 geschah das Gleiche mit dem Kuss von zwei Frauen in «Bad Moms», während im selben Film alle heterosexuellen Küssen drin blieben.
In einem Statement wies Delta darauf hin, dass ihre «inhaltlichen Richtlinien in keiner Weise das Entfernen von homosexuellen Filminhalten vorsehen». Laut einem Bericht der Zeitschrift Variety hat Delta eine Drittfirma mit der Betreuung des Bord-Programms beauftragt. Diese Firma liefert eine ungekürzte und eine gekürzte Fassung, wobei Delta sich immer für die edierte Version entscheidet, wenn es in der Originalfassung Szenen gibt, die gegen ihre Standards verstossen – auch wenn davon ebenfalls Szenen betroffen werden, die eigentlich kein Problem darstellen.
Trotzdem könnte Delta als Grosskunde der Firma darauf bestehen, dass eine dritte Fassung erstellt wird, die in Bezug auf LGBTIQ sensibler vorgeht. Denn wie verschiedene queere Medien betonten: «Wenn man queere Szenen aus Filmen zensiert, während vergleichbare heterosexuellen Szenen drinbleiben, suggeriert man, dass gleichgeschlechtliche Liebe irgendwie schmutzig und mit Scham behaftet ist.»
Man suggeriert, dass gleichgeschlechtliche Liebe irgendwie schmutzig und mit Scham behaftet ist
Schauspielerin Beanie Feldstein hatte über «Booksmart» gesagt, dass die queere Liebessszene im Film «radikal» sei: «Dadurch fordern wir, dass das zur Norm wird. Indem wir queere Sexualität zeigen – in einer Art, mit der sich heterosexuelle Zuschauer identifizieren können – tun wir etwas, das zutiefst bedeutsam ist.»
Elton John selbst hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen jegliche Zensur des Films über sein Leben ausgesprochen (MANNSCHAFT berichtete).
Die glitzendern Garnelen Bei der Lufthansa – wo «Rockeman» aktuell ebenfalls im Bordprogramm läuft (unzensiert übrigens) – können Reisende darüber staunen, dass auch der Film «Die glitzendern Garnelen» im Angebot ist, obwohl die französische Komödie von Cédric Le Gallo und Maxime Govare erst am 5. Dezember in die deutschen Kinos kommt. Der Film analysiert auf einprägsame Weise die Doppelmoral rund ums Thema Homophobie und den politisch (un)korrekten Umgang zwischen Schwulen und Lesben untereinander sowie zwischen Heteros und Homos; der Film enthält auch etliche explizite Sexszenen zwischen den Mitgliedern einer schwulen Wasserballmannschaft auf dem Weg zu den Gay Games.
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Als ich den Film vor einer Woche auf dem Rückflug von New York nach Frankfurt sah, sass ich zwischen einer grösseren Gruppe orthodoxer Juden (in entsprechendem Outfit), die auf dem Weg zu einem Kongress in Wien waren und ihre Gebetsbücher den ganzen Flug über in Händen hielten. Das war, zugegebenermassen, eine einprägsame Erfahrung, weil natürlich direkte Sitznachbarn mitbekommen, was auf den Bildschirmen links und rechts läuft.
Aber das kann man aushalten. Und das sollten Delta-Reisende auch aushalten können!
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