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Vom Geflüchteten zum ESC-Star: Leslie Mandoki wird 70

Der gebürtige Ungar spricht sich für LGBTIQ-Rechte aus

Leslie Mandoki
Leslie Mandoki an der East Side Gallery in Berlin (Foto: Christian Ender/TNN/dpa)

Als illegal Geflüchteter kam Leslie Mandoki nach Deutschland. Heute produziert er Musik für Weltstars und Konzerne, trifft Polit-Grössen. Freund*innen nennen ihn die europäische Version des «American Dream».

Von Meyel Löning, dpa

Drei Tage lang liegen Leslie Mandoki und zwei Freunde im August 1975 bei ihrer Flucht aus Ungarn vor dem Karawankentunnel auf der Lauer. Als Anhänger der studentischen Opposition werden sie von der kommunistischen Diktatur verfolgt. Als die Wächter eine Runde Karten spielen, rennen die Musiker los. «Wir hatten Todesangst», sagt der heutige Erfolgsproduzent, damals 22 Jahre alt, im Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Wir hätten erschossen oder von der Eisenbahn überrollt werden können, aber die Sehnsucht nach Freiheit war stärker.» Die Flucht gelingt. Mit dem Nötigsten in der Tasche – zudem Notenhefte und die alte Kamera seines verstorbenen Vaters – erreicht Mandoki über Österreich als Flüchtling das Zentrallager für Asylbewerber im bayerischen Zirndorf.

Im Dezember 2022 bereitet Mandoki seinen 70. Geburtstag an diesem Samstag vor, neben einer Feier gibt es ein Festtagsbuch mit Bildern seiner Karriere. Es sind Bilder seiner Arbeit mit Weltstars wie Lionel Richie und Phil Collins, mit Konzernen wie Disney und Volkswagen oder mit dem FC Bayern. Auf anderen Bildern ist er etwa mit Angela Merkel, Michail Gorbatschow oder Hans-Dietrich Genscher zu sehen. Der gebürtige Budapester gilt als exzellenter Netzwerker: Regelmäßig tauscht er sich mit Grössen aus Politik und Gesellschaft aus. Sein Red Rock Studio feiert 2023 40-jähriges Bestehen, liegt malerisch in Tutzing am Starnberger See. Freunde nennen Mandoki die europäische Version des «American Dream». Wie hat er das geschafft?



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«Ich hatte mich sofort in Deutschland verliebt – in die Mentalität, in die Kultur und in die Menschen. Ich wollte unbedingt ein Teil davon werden», sagt Mandoki. «Damals gab es noch keine Integrationskurse oder eine bestimmte Willkommenskultur – aber das war gut so. Ich bekam etwas anderes, was viel wertvoller war: eine Chance, mein Leben zu gestalten. Es hiess: Wenn du dich einbringst, kannst du hier deinen eigenen Weg gehen.»

Zehn Tage nach seinem Asylantrag fängt er als Schlagzeuger im schwäbischen Landestheater an. Morgens setzt er sich täglich mit zwei Zeitungen und einem dicken Wörterbuch an einen Tisch. «Das war mein Sprachkurs», sagt Mandoki lachend. Schnell versucht er, mit Hilfe seines ersten Mentors Klaus Doldinger und von Udo Lindenberg, mit dem er sich anfreundet, als Musiker Fuss zu fassen und Progressive Rock zu machen. Doch es kommt (zunächst) anders.


Denn nach der Anfrage des Labels von Musikproduzent Ralph Siegel singt und tanzt er plötzlich in der Disco-Show-Band «Dschinghis Khan» vor einem Millionenpublikum den gleichnamigen Hit. «Eigentlich wollte ich da gar nicht mitmachen, weil ich nicht tanzen und noch nicht so gut Deutsch konnte», sagt Mandoki. «Dschinghis Khan» belegt 1979 Platz 4 beim Grand Prix. Die 2. Single «Moskau» wurde ein Welthit, 6 Wochen stand der Song auf Platz 1 der australischen Charts.

Schon damals sein Markenzeichen auf der Bühne: die langen Haare und der Schnauzbart. Mandoki nutzt den unverhofften Erfolg als Sprungbrett, um danach im eigenen Studio seine Karriere als Musikproduzent gestalten – mit grossem Erfolg.

Seine Flucht- und Integrationsgeschichte prägt ihn als Musiker und Netzwerker bis heute. Er begreift sich als «renitenter Rebell», der auf Missstände hinweisen und mit Liedern Brücken bauen will. «Der Mauerfall ist der grösste Glücksfall der Geschichte», sagt er im Interview am Mauer-Denkmal East Side Gallery in Berlin. Danach habe seine Generation versagt. «Wir waren wie berauscht davon, dass uns die friedliche Revolution gelungen war. Anschliessend haben wir viele Fehler gemacht», sagt Mandoki.

Angesprochen auf das Menschenrechte in seiner alten Heimat Ungarn erklärte er vor eineinhalb Jahren in einem Interview mit Krone.at: «Als Christ sage ich voller Stolz, dass in meiner Geburtsstadt Budapest vor jüdischen Einrichtungen keine Polizeiwägen stehen müssen, weil das Miteinander zwischen den Religionen frei ist.»

«In meiner Wahrnehmung ist es so, dass heterosexuelle Männer wie ich für die uneingeschränkte Freiheit der Homosexuellen eintreten müssen.

Zum Thema LGBTIQ-Rechte erklärte er, er habe viele Freund*innen, die der Community angehören; er stehe immer für Offenheit und Toleranz. «In meiner Wahrnehmung ist es so, dass heterosexuelle Männer wie ich für die uneingeschränkte Freiheit der Homosexuellen eintreten müssen. Wir sind alle sehr unterschiedlich und trotzdem gleich. Die sexuelle Orientierung oder die Religionszugehörigkeit müssen unantastbare, persönliche Entscheidungen sein», so Mandoki.

Oft diskutiert er mit seinen Kindern Lara, Julia und Gabor über die heutigen globalen Herausforderungen. Klimawandel, Finanz- und Wirtschaftskrisen, Migration, Integration – «und jetzt auch noch dieser brutale, verdammte Krieg», sagt Mandoki. «Wir werden diese Herausforderungen nur bewältigen, wenn Achtsamkeit wieder zu unserem Leitmotiv wird.»

Er selbst könne dafür «Lieder schreiben, singen und Charity-Konzerte geben». Am liebsten mit seinem Herzensprojekt, den Mandoki Soulmates. Los ging es vor ziemlich genau 30 Jahren – das Jubiläum ist Mandoki viel wichtiger als sein eigenes – mit dem 2014 gestorbenen Cream-Bassisten Jack Bruce, dem Gitarrenvirtuosen Al Di Meola und Jethro-Tull-Chef Ian Anderson. Mittlerweile sind neben internationalen Grammy-Preisträgern auch Trompeter Till Brönner und Mandokis Nachbar Peter Maffay dabei.

Die Soulmates eint die Vision einer generationsgerechten und achtsamen Gesellschaft, zuletzt greifen es die sogenannten «Old Rebels» im Album «Utopia for Realists» auf. «Es ist, als hätte Leslie einen grossen Regenschirm, unter dem er uns alle vereint – und da ist es schön», sagt Soulmate John Helliwell von Supertramp über das Projekt, aus dem schon 15 Alben entstanden sind. Brönner ergänzt: «Leslie infiziert alle um sich herum auf die beste Weise. Ich möchte in seinem Alter so sein wie er.»

Es ist ganz schön bescheuert, 70 zu werden, aber die Alternative, nicht 70 zu werden, ist viel schlimmer.

Er habe volle Energie und viele Pläne, sagt Mandoki. Seinen runden Geburtstag nimmt er sportlich – auch nach den weisen Worten seines Weggefährten. «Als Udo Lindenberg seinen 70. Geburtstag feierte, sagte er zu mir: Es ist ganz schön bescheuert, 70 zu werden, aber die Alternative, nicht 70 zu werden, ist viel schlimmer.»

Lindenberg hinterlässt übrigens im Festtagsbuch auch einen Gruss: «Leslie, geil, dass wir dich haben! Keine Panik», heisst es dort. «Und gut, dass du damals durch den Tunnel da durchgekommen bist.»

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