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«Und einfach so ist es vorbei»: Das Ende von «Modern Family»

In den USA wurde die 250. und letzte Folge der preisgekrönten Serie ausgestrahlt, die die Wahrnehmung von Regenbogenfamilien verändert hat

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Die Hochzeit von Mitch und Cam in der Serie «Modern Family». (Bild: ABC)

Am Mittwochabend verabschiedete sich eine der berühmtesten TV-Familien der Jetztzeit mit einem Farewell-Finale: «Modern Family» beendete am 8. April 2020 ihre 11. und letzte Staffel, dazu gehörte auch ein einstündiges Rückblick-Special.

Ausgestrahlt hat das Ganze der US-Sender ABC, der 2009 diese bahnbrechende Show erstmals in die Welt schickte, bevor sie über etliche Umwege schliesslich bei Netflix landete. Bei Netflix-Deutschland sind allerdings bislang nur neun Staffeln verfügbar. Fans müssen hierzulande also noch auf dieses jetzt in den Vereinigten Staaten gezeigte Finale warten.

Modern Family Finale
Am 8. April verabschiedete sich das vollständige «Modern Family»-Ensemble (Foto: ABC)

Beim Debüt der Serie 2009 war es eine Art Erdrutsch, dass das schwule Paar Cam und Mitch mit ihrem Adoptivkind eine von drei absolut gleichberechtigt dargestellten Familien sind. Der Erfinder der Serie, Steve Levitian, sagte, dass die Inklusion von Cam und Mitch immer Teil des Plans gewesen sei: «Als mein Kreativpartner Chris Lloyd und ich diese Sendung entwarfen, fragten wir uns, was genau die verschiedenen Paare sein sollten. Wir wussten sofort, dass wir ein schwules Paar dabei haben wollten, die ein Baby adoptieren. Wir kannten mehrere Leute wie sie, und sie waren unser Vorbild.»

Die beiden Schöpfer waren allerdings anfangs besorgt, dass ihre Entscheidung bestimmte Teile der Zuschauerschaft befremden könnte – um nicht zu sagen entfremden. Levitian erinnert sich: «Als wir diesen Entschluss fassten, sagte ich zu Chris, okay, damit haben wir Middle America verloren.»


Null negative Rückmeldungen
Es kam jedoch anders. Denn auch die Zuschauer im amerikanischen Hinterland – heute vielfach Donald Trumps berüchtigte Kernwählerschaft – schlossen Cam und Mitchell ins Herz. «Wir bekamen null negative Rückmeldung zu diesem Paar, das ihr Baby zu ihrer Nummer 1 Priorität macht und versucht, es gross zu ziehen, so gut es geht, mit viel Liebe. Wer soll dagegen etwas sagen?»

Jesse Tyler Ferguson, der den eher schüchternen Mitch spielt, sagt: «Ich glaube, ein schwules Paar so in den Vordergrund zu stellen und es als Zuschauer genau in dem Moment kennenzulernen, als die beiden erstmals Eltern werden, ist etwas, womit sich unglaublich viele Menschen identifizieren können: homosexuelle, heterosexuelle, nicht-binäre. Ich glaube, es war damals revolutionär, heute ist es das nicht mehr, und das ist grossartig!»

Eric Stonestreet, der den flamboyanten Cameron als «bossy, fussy bottom» spielt und auch erstmals ein anderes schwules Körperideal ins Mainstream-Fernsehen brachte, ergänzt: «Wir haben gezeigt, dass wir die gleichen Fehler machen bei der Kindererziehung wie alle anderen, und wir haben die gleichen Beziehungsprobleme, wie alle anderen. Das liess uns so vertraut erscheinen – und so echt.»


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Wobei es für die Glaubwürdigkeit der Serie egal war, dass Darsteller Stonestreet heterosexuell ist, obwohl sich etliche Verfechter von «Identitätspolitik» darüber empört haben im Laufe der Jahre.

Reichweite und Einfluss
Die Serie wurde vielfach dafür gelobt, dass sie die Wahrnehmung von homosexuellen Menschen in der westlichen Gesellschaft verändert hat mit den Mitteln der Popkultur. Ein Weg, den auch Ryan Murphy mit grossem Erfolg eingeschlagen hat und auf andere Weise mit Teenager-Serien wie «Glee», Horror-Serien wie «American Horror Story» und «Scream Queens» oder einer eigenen Familien-Serien wie «The New Normal» fortgeführt hat. (MANNSCHAFT berichtete über Murphys neue Netflix-Serien «The Polititian» und «Pose».)

Wobei «Modern Family» in Bezug auf Reichweite und damit Einfluss in einer anderen Breitenwirkungsliga spielt(e).

«Glee»-Schöpfer Ryan Murphy mit Stern auf «Walk of Fame» geehrt

In einem Interview erzählte Eric Stonestreet: «Leute auf der Strasse sprechen mich an und erzählen mir, was ihnen unsere Charaktere bedeutet haben. Mir hat eine Frau aus Australien berichtet, dass unsere Serie Sichtbarkeit geschaffen habe für gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern, und das habe ihrer Tochter geholfen, mit Bullys umzugehen. Sie sagte, ihre Tochter würde in der Schule permanent gehänselt, weil sie zwei Mütter habe. Die Mutter riet ihr, sich die Serie anschauen und zu beobachten, wie sehr Mitch und Cam ihre Tochter lieben. Das sei genau das gleiche.»

Besorgte Eltern
Im Laufe von 11 langen Jahren haben Stonestreet und seine Kollegen aus «Modern Family» viele solcher Geschichten zu hören bekommen, von Menschen aus aller Welt. Zur Erinnerung: 2009 war US-Präsident Barack Obama noch neu im Amt – und die Ehe-für-alle wurde in den Vereinigten Staaten erst 2015 durchgesetzt. Die grossen Veränderungen hat «Modern Family» begleitet, viele sagen auch: Die Serie hat dafür den Weg bereitet, was die Zustimmung breiter Bevölkerungskreise zu solch einem sozialen Wandel betrifft.

Zum Finale am Mittwoch hat die Human Rights Campaign einen kurzen Abschieds-Clip ins Netz gestellt, mit Statements der verschiedenen Darsteller. Da sagt Jesse Tyler Ferguson: «Die Tatsache, dass Cameron und Mitchell von Zuschauern ins Herz geschlossen wurden, als eine gleichberechtigte Ergänzung neben all den anderen typischen besorgten Eltern, ist wirklich schön. Ich weiss nicht, wie irgendwer noch glauben kann, dass unsere Familie weniger wert sei, als die von irgendjemand anderem.»

Ty Burrell, der den verschrobenen heterosexuellen Familienvater Phil spielt, sagt: «Ich bin Teil einer Show, die einen echten Unterschied gemacht hat, wie Menschen gleichgeschlechtliche Partnerschaften sehen.»

Stonestreet ergänzt: «In einer Serie mitzuspielen, die auch gesellschaftlich wichtig ist, ist eine wirkliche Ehre. Die Preise von LGBT-Gruppen [wie Human Rights Campaign, Anm.] bedeuten uns viel, weil sie uns bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und euch auf eine fundierte Weise und in einem positiven Licht im Fernsehen repräsentieren.»

Zur letzten Folge heisst es von Burrell: «Das Finale hat wirklich mit dem Gefühl zu tun, dass dieses Kapitel dieser Familie vorbei ist. Dieser magische Abschnitt in ihrem Leben wird nicht mehr derselbe sein.»

Ferguson startet eigene Familie
Zum Abschied tweetete Jesse Tyler Ferguson: «Und einfach so – ist es vorbei. Diese Familie hat mich für immer verändert. Bis zum nächsten Mal …»

Jenseits der Kameras startet Ferguson übrigens selbst eine «moderne Familie» mit seinem Ehemann Justin Mikita: die beiden erwarten im Juli ihr erstes Kind. (MANNSCHAFT berichtete darüber.)

Es gibt auch Gerüchte, dass es ein Spin-off der Serie geben könnte mit Mitch und Cams Regenbogenfamilie als Protagonisten. Im Medienfachblatt Deadline erklärten Serienschöpfer Steve Levitan und Christopher Lloyd, Mitch und Cam würden sich für ein Spinoff eignen, auch wenn es dazu noch keine konkrete Planungen gebe.

Jesse Tyler Ferguson und Gatte werden Eltern

In Deutschland kann man die 10. Staffel von «Modern Family» bei Comedy Central im Free-TV sehen, auf die 11. Staffel und dieses Finale werden Zuschauer allerdings noch warten müssen, falls sie nicht auf illegale Streaming-Möglichkeiten zurückgreifen, um die Zeit abzukürzen.

Zeitkapsel und Homonormativität
In einem Interview sagte der 44-jährige Fergusson am Montag dieser Woche: «Ich hoffe, dass die Serie nicht in einer Zeitkapsel lebt. Ich hoffe, dass Mitch und Cam auch in Zukunft ein Paar bleiben, mit dem sich alle Menschen identifizieren können.»

Natürlich gibt es heute viele innerhalb der LGBTIQ-Community, die das Lebensmodell von Cam und Mitch als «homonormativ» ablehnen und zu «angepasst» einstufen, um wirklich «queer» zu sein.

Man darf also gespannt sein, in wie fern «Modern Family» vielleicht doch eine «Zeitkapsel» ist, die das Leben von zwei «weissen privilegierten Cis-Männern» zeigt, und mit welchen neuen LGBTIQ-Identifikationsmodellen die Popkultur und/oder Queer-Aktivisti*innen in den nächsten Jahren aufwarten werden, um das Repräsentationsspektrum deutlich zu erweitern.


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