Ukraine und Moldau sind EU-Kandidaten – und die LGBTIQ-Rechte?
Insgesamt kandidieren sieben Länder für die Mitgliedschaft, darunter die Türkei
Es ist eine historische Entscheidung – für die EU und die Ukraine: Das kriegserschütterte Land kandidiert nun offiziell für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Doch es dürfte ein langer Weg werden.
Die von Russland angegriffene Ukraine und das kleinere Nachbarland Moldau sind nun also offiziell EU-Beitrittskandidaten. Das beschlossen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die anderen 26 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel. Bosnien-Herzegowina und Georgien könnten demnächst folgen, sobald sie bestimmte Reformen erfüllen.
Aber welche Reformen sind das? Und gehören LGBTIQ-Menschenrechte dazu? Wir fragten nach im Büro von Terry Reintke (Grüne), der Co-Präsidentin der LGBT Intergroup in Brüssel. Dort teilte man uns mit, die Kandidaten müssten die Gesamtheit des gültigen EU-Rechts («EU Acquis») in ihren Ländern umsetzen, d.h. alle Verordnungen, Richtlinien und sonstige Rechtsakte der EU ins eigene Gesetz übertragen. Dazu gehörten auch die, die sich mit LGBTIQ-Menschenrechten befassen. Und da ist noch einiges zu tun.
Homosexualität ist in der Ukraine zwar seit 1991 nicht mehr strafbar. «Dennoch bestehen, auch aufgrund der eindeutigen Positionierung der Kirchen, in der Gesellschaft weiterhin deutliche Vorbehalte gegen LGBTIQ-Personen.» So ist es auf der Homepage des Auswärtigen Amtes in Berlin nachzulesen. Gelegentlich komme es im Zusammenhang mit LGBTIQ-Veranstaltungen zu Besetzungen von Veranstaltungsorten und Angriffe auf Teilnehmer*innen (MANNSCHAFT berichtete). Die Polizei sei beim Schutz der Veranstaltungen in der Regel kooperativ, doch es mangele häufig an anschliessender Strafverfolgung.
In den von Russland kontrollierten Gebieten einschliesslich der Krim hätten sich die Bedingungen für LGBTIQ sogar noch drastisch verschlechtert, u.a. aufgrund der dortigen strafrechtlichen Verfolgung von «Homo-Propaganda» (MANNSCHAFT berichtete). Trans Personen würden dort als psychisch krank stigmatisiert und diskriminiert. «Seien Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit in der Öffentlichkeit zurückhaltend und vermeiden Sie den sichtbaren Austausch von Zärtlichkeiten», empfiehlt das Auswärtige Amt.
Erst vergangene Woche hatte sich Oljeksіj Arjestowitsch, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, offen homofeindlich geäussert. LGBTIQ seien «abartig» und «behindert». Der Verein Kiew Pride forderte daraufhin die Entlassung von Arjestowitsch: Eine solche Rhetorik sei «inakzeptabel, wenn wir in die EU wollen.»
Und Moldau? Das Parlament hatte im Juli 2013 ein Gesetz gegen «Homo-Propaganda» nach russischem Vorbild verabschiedet. Aber weil die Regierung damals schon ein EU-Assoziationsabkommen anstrebte, wurde das Gesetz im Oktober desselben Jahres wieder aufgehoben. Trotzdem: Im Jahr 2022 gibt es in Moldau weder eine gesetzlich anerkannte Ehe für gleichgeschlechtliche Paare noch eine Eingetragene Partnerschaft. Auch hier besteht also noch eine Menge Handlungsbedarf.
Natürlich würden man sich wünschen, dass die EU-Gesetzgebung noch mehr Einfluss auf die Gleichstellung in den Mitgliedstaaten hätte, hiess es aus dem Büro von Terry Reintke. Aber die Kommission habe mit ihrer «Gleichstellungsstrategie 2020-25» wichtige Schritte angekündigt, etwa die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partner*innen als Eltern. Voraussichtlich im September solle dazu ein Gesetzesvorschlag vorgelegt werden, über den dann EU-Parlament und Mitgliedstaaten beraten.
Insgesamt kandidieren nun sieben Länder für die EU-Mitgliedschaft. Neben der Ukraine und Moldau sind das Montenegro, Nordmazedonien, Albanien, Serbien und die Türkei. Im Fall Türkei liegen die Verhandlungen allerdings auf Eis. Potenzieller Beitrittskandidat ist neben Bosnien und Georgien auch noch das Kosovo. Den Balkanländern wurde der EU-Beitritt schon vor 19 Jahren in Aussicht gestellt. Die Türkei ist am längsten Beitrittskandidat: knapp 23 Jahre. (mit dpa)
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