«Tabubruch»: Queer in der konservativen deutschen Jazzszene
Der MDR stellt den jungen Jazzsänger Erik Leuthäuser in einem Kurzfeature vor
Der Mitteldeutsche Rundfunk widmet in der TV-Reihe «3 Blocks» dem queeren Jazzsänger Erik Leuthäuser ein Porträt, in dem es um dessen Mobbingerfahrungen in einer ostdeutschen Kleinstadt geht. Und darum, wie Musik ihn rettete.
Der Viertelstundenbeitrag des MDR beschäftigt sich damit, wie es ist, «out» in der «konservativen deutschen Jazzszene» zu sein. Das sei «nicht so normal, wie man denkt», erklärt Moderatorin Clarissa Corrêa da Silva. Sie spricht sogar von einem «Tabubruch».
Einer, der dieses Tabu gebrochen hat und sich in den letzten Jahren als bewusst queerer Jazzsänger profiliert hat, ist Erik Leuthäuser aus Freital bei Dresden. Dort sei er «ein zarter, sensibler Junge» gewesen, «der nichts mehr liebte als Singen». Der aber von seinen Mitschüler*innen täglich als «Schwuchtel» beschimpft und drangsaliert wurde. «Das macht etwas mit einem», erklärt Leuthäuser. Er musste weg aus diesem Umfeld, wobei ihm sein Vater half, der selbst Musiker ist.
In drei Teilen begleitet das MDR-Feature Leuthäuser zu drei Stationen seines bisherigen Lebens: Wir sehen ihn in Freital vor seiner alten Schule, in Dresden, wo er als Teenager Jazz studierte, und dann in Berlin, wo er jetzt seit fünf Jahren lebt. (MANNSCHAFT berichtete über die Diskriminierungserfahrungen von Lil Nas X in der Musikbranche.)
«Promote Homosexuality» Durchweg trägt Leuthäuser ein T-Shirt mit der Aufschrift «Promote Homosexuality». Er betont im Gespräch, dass er «anders» sein wolle, als «die langweiligen Heteros». Er berichtet auch, dass das Rumlaufen im Kleid und Betonen von Nicht-Binarität in Berlin weniger Aufmerksamkeit errege, als wenn er sich in volle Leder- bzw. Fetischmontur schmeisse. Was er in letzter Zeit zunehmend tue.
Leuthäuser spricht im MDR darüber, dass er mit elf gewusst habe, dass er schwul ist und danach «zwei bis drei Jahre» brauchte, um das «zu akzeptieren». Seine «sexuellen Bedürfnisse» habe er dann nicht mit Gleichaltrigen befriedigen können, erzählt er. Moderatorin Corrêa da Silva fragt nicht nach, was das bedeutet(e).
Nach dem Wechsel nach Dresden hatte Leuthäuser mit 16 erste Auftritte in Jazzkellern. Das habe ihm «Selbstbewusstsein» gegeben, auch für sein Leben als Schwuler.
In Berlin habe er dann den Darkroom von Tom’s Bar und das Sexkino nebenan entdeckt sowie überhaupt die LGBTIQ-Ausgehszene rund um den Nollendorfplatz. Dort fühle sich wohl, weil frei.
Der MDR berichtet ausführlich darüber, dass Leuthäuser versuche, den «Jazz in Deutschland diverser zu machen», indem er sich bemühe «so authentisch wie möglich» zu sein und darüber in seinen Liedern zu singen.
OnlyFans und Chemsex Worüber der MDR interessanterweise nicht berichtet, ist die OnlyFans-Tätigkeit von Leuthäuser, der sich in den letzten Wochen bewusst als «Lustobjekt» inszeniert in sozialen Medien und damit ein vermutlich noch viel grösses Tabu in der Jazzszene bricht. (MANNSCHAFT berichtete über den Berliner Chris Heart, der seine OnlyFans-Tätigkeit zwischen Online-Prostitution und Selbstverwirklichung einstuft.)
Auch auf seine Chemsex-Erfahrungen – von denen er bei seinem letzten Konzert in der Bar jeder Vernunft kurz sprach, bei der Ankündigung eines Liedes zum Thema – geht der MDR nicht ein. Zu provokant für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Jazzszene? (MANNSCHAFT berichtete über Chemsex als besondere Form der Sexualität.)
MANNSCHAFT hatte kürzlich mit Leuthäuser zu diesen Themen gesprochen, weil er momentan an einem Album arbeitet, das seine Erfahrungen mit Meth und Sexpartys behandelt, auch die Auswirkungen davon auf sein Beziehungsleben.
Das Album soll 2022 erscheinen und wird voraussichtlich bei einem der nächsten Konzertauftritte in der Bar jeder Vernunft vorgestellt. Dort ist Leuthäuser ein regelmässiger Gast.
Zur MDR-Sendung geht’s hier. Der nächste Auftritt in der Bar jeder Vernunft ist am 21. März und 9. Mai 2022.
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