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Kritik an CDU-Chefin nach Witzen über trans und inter Menschen

FDP, Linke und Grüne kritisieren den Auftritt von Annegret Kramp-Karrenbauer beim «Stockacher Narrengericht»

Foto: CDU

Der queerpolitische Grünen-Sprecher Sven Lehmann hat in einem offenen Brief CDU-Chefin Annegret Kramp Karrenbauer für ihre Aussagen über inter Menschen beim Stockacher Narrengericht im Rahmen der schwäbisch-alemannischen Fastnacht kritisiert und fordert eine Entschuldigung.

Die CDU-Chefin – und amtierende Miss Homophobia – kalauerte bei ihrem Auftritt am Donnerstag in Stockach am Bodensee: «Guckt Euch doch mal die Männer von heute an: Wer war denn von Euch vor kurzem mal in Berlin, da seht Ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion; die, die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen. Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür, dazwischen ist diese Toilette.»

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Der FDP-Sprecher für Queerpolitik Jens Brandenburg sprach bei Twitter von einem «Tag zum Fremdschämen» und fragte: «Ist es so schwierig, eine humorvolle Narrenrede zu halten, ohne platt auf Minderheiten einzudreschen?» Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) meinte: «Es ist wirklich ein Trauerspiel. Die Vorsitzende der größten Bundestagspartei findet es lustig, auf Stammtischniveau am Karneval Menschen zu denunzieren, die nicht der geltenden Machonorm entsprechen. Ein Jammer.»

Sven Lehmann von den Grünen schrieb einen offenen Brief an die CDU-Chefin, den wir hier dokumentieren:


«Sehr geehrte Frau Kramp-Karrenbauer, […] Zugegeben: Überraschend ist das nicht. Von einer Politikerin, die in der Vergangenheit immer wieder die Ehe zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts in die Nähe von ‚Geschwisterliebe‘ und damit Inzest gerückt hat, erwartet man keine emanzipatorischen Vorstösse.

Es tut mir auch leid, dass Sie als Vorsitzende der CDU es offenbar für nötig erachten, nach einer Phase der Modernisierung durch Angela Merkel nun wieder eine Stimmung bedienen zu müssen, die nicht ohne billige Kalauer auf Kosten gesellschaftlicher Minderheiten auskommt.

Dass gerade Fasching bzw. Karneval ist, macht es übrigens nicht besser. Im Gegenteil: Denn Fasching und Karneval sind Feste der Toleranz und Lebensfreude; Feste, bei denen alle Menschen zusammen kommen können, um friedlich und unter Gleichen miteinander zu feiern.
Da Sie aber – wie man am unwidersprochenen Applaus nach Ihrer Redepassage sehen kann – möglicherweise für eine grössere gesellschaftliche Gruppe sprechen, erlaube ich mir, Sie auf zwei Dinge hinzuweisen.


Unkenntnis in der Sache
Erstens: Ihre Äusserungen zeugen von Unkenntnis in der Sache. Es gibt kein ‚drittes Geschlecht‘. Es gibt geschlechtliche Vielfalt. Die Spezies Mensch besteht aus mehr als aus Mann und Frau. Sie besteht aus geschlechtlicher Vielfalt – wie übrigens das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich in einem wegweisenden Urteil festgehalten hat.» Toiletten, die nicht klar als ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ gekennzeichnet sind, hätten den Sinn, eine Option anzubieten für alle, die sich dem binären Geschlechtersystem entziehen wollten oder müssten, so Lehmann.

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«Entscheidender als die Toiletten-Frage ist aber, dass erst kürzlich, nach Jahrzehnte der Unsichtbarmachung durch Politik und Gesellschaft, Inter- und Transsexuelle sich ein großes Stück ihrer Sichtbarkeit und Anerkennung erkämpft haben. Mit dem Inkrafttreten der ‚Dritten Option‘ beim Geschlechtseintrag (dem Ihre Partei im Bundestag zugestimmt hat) ist im deutschen Personenstandsrecht endlich sichtbar, dass es mehr gibt als Mann und Frau.

Äusserungen von AKK sind diskriminierend und verächtlich machend.

Zweitens: Ihre Äusserungen sind diskriminierend und verächtlich machend. Gerade Intersexuelle erleben täglich Diskriminierung und Ausgrenzung. Bereits im Kindesalter werden bei völlig gesunden Säuglingen und Kleinkindern ‚geschlechtszuweisende Operationen‘ vorgenommen, die sich später oft als traumatisierend herausstellen. Intersexuelle, Transsexuelle und nicht-binäre Menschen erleben täglich Anfeindungen und Gewalt, Ihre Suizidrate ist mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Bevölkerung.

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Sie als Vorsitzende der CDU Deutschlands hätten die Möglichkeit und die Verpflichtung, für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft einzutreten. Eine Gesellschaft, in der jeder Mensch sicher und frei leben kann. Sie haben sich für einen anderen Weg entschieden. Ihre Äusserungen empfinden nicht nur ich, sondern sehr viele Menschen als herablassend, diskriminierend und verächtlich machend.

Sie sollten sich für Ihre Äusserungen entschuldigen», fordert der Grünen-Politiker schliesslich.


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