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«Shwule Grüsse vom Balkan» (9) – Des Fussballgotts shwuler Jugo-Bruder

Zu viele Kopfbälle und Vorwürfe

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Symbolbild: AdobeStock

Nach der Mutter von Aleksandar ist nun sein Bruder dran. Die volle Packung aus Vorwürfen lässt der Nachwuchsstar auf Aleks ab.

Was bisher passiert ist …  Zwischen Aleks und seiner Mutter herrscht wochenlang Funkstille. Kein Wunder – hat sie doch einem dalmatinischen Pater seine Boxershorts zugeschickt, damit ihm dieser per Tele-Exorzismus seinen shwulen Dämon austreibt. Und dann noch der Vorschlag zur Kur in einer kroatischen Psychiatrie, die «sexuell Fehlgeleitete» wieder auf den richtigen Weg zurücktherapiert, was bei Aleks letztlich alle Gurken aus dem Glas gesprengt hat.

Als wäre das nicht genug, rückt ihm nun sein Bruder Alen auf den Pelz: «Stimmt das?», schnaubt er ihn an, als er ihn gerade beim Verlassen des Agenturbüros abfängt. «Guten Tag erst mal … Was in aller Welt überfällst du mich so?», schüttelt Aleks irritiert und etwas abgespannt den Kopf, nachdem ihm schon seine Werbekunden den letzten Nerv geraubt haben. «Na, das mit deinem …», Alen schluckt – oder würgt – Aleks kann dessen plötzlichen Kehlkopfkollaps nicht ganz deuten: «Was stimmt womit? Ist dir schlecht?» «Eben das mit deinem sh-sh-shwulen Outing bei Mama», bröckelt Alen weiter vor sich hin. «Und deswegen kotzt du mir fast vor die Füsse?», raunzt ihn Aleks nun regelrecht an. «Moment mal, wer zerstört hier gerade eine Familie und Fussballkarriere!», schubst Alen seinen Bruder aggressiv zurück.

Es folgt eine Tirade an Beschimpfungen – zu Aleks’ Shwulsein, zu Alens Jugo-Kumpeln, die ihn wegen seines shwulen Bruders meiden werden, und zum Shitstorm, den er als künftiger Profifussballer von Medien, Fans und Mitspielern zu erwarten hat. «Oh, entschuldige lieber Fussballgott, dass dein dicker shwuler Jugo-Bruder deine heitere Heterowelt zerstört! War es das?»


Aleks will die Diskussion beenden. Alen lässt aber nicht locker: «Nein, du wirst dich bei Mutter entschuldigen und danach behandeln lassen, bis du wieder normal bist. Ich will keine Shwuchtel als Bruder. Und bloss kein Wort zu Papa – der bringt dich sonst um!»

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Geschockt ringt Aleks nach Luft. Er hätte nie gedacht, dass Alen mit seinem Shwulsein so viel Mühe haben wird, zumal Alen als Jugendlicher mitten in Zürich gross geworden ist und nicht zwischen ein paar Hirten und Schafen in der kargen und steinigen Herzegowina, aus der ihre Schafhirten-Vorfahren stammen. Allerdings erinnert sein archaisches Verhalten stark an das Männlichkeitsbild längst vergangener Krieger und Stammeshelden vom Balkan.

Aleks nimmt nun seinen ganzen Mut zusammen, bäumt sich mit seinem wuchtigen Bärenkörper gegenüber Alen auf und erhebt seine Stimme, die nun wie ein Tsunami über Alen hereinbricht: «Jetzt hörst du mir mal zu, Bruder: Erstens seid ihr Fussballgötter die shwulsten aller Shwuchteln, weil ihr euch ständig betatscht oder optisch zurechtmacht, als wärt ihr die Gisele in Heidi Klums Casting samt Heulattacke nach jedem Foul. Zweitens bin ich nicht krank – was soll das mit der Behandlung? Vielleicht solltest du dir mal selbst deine graue Masse durchkneten lassen – könnte ja sein, dass dir die Kopfbälle geschadet haben. Und drittens: Weisst du, wie viele verkappte shwule Jugos, Albaner und Türken mich in den Shwulen-Chats schon anonym angeschrieben haben, um ein Sex-Date klarzumachen?»


Sie sagen dann immer Sätze wie ‹Ich bin zwar hetero, aber neugierig auf eine Bi-Erfahrung› oder ‹Ich habe Frau und Kinder zu Hause, niemand darf davon wissen›.

Aleks holt erneut tief Luft, um Alen den Rest zu geben: «Und weisst du, warum das so ist? Genau wegen solcher Stammhirn-Aposteln wie dir und deinen Kumpels, die sich ihrer Männlichkeit nicht so sicher sind oder gar Angst davor haben, selbst shwul zu sein, weshalb sie dann wie Inquisitoren auf die Shwulen losgehen. Und die armen Typen, die sich nicht trauen, so zu sein, wie sie nun mal sind, spielen das ganze Leben lang ein Versteckspiel – wie dein bester Kumpel Dalibor …»

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«Dalibor?», staunt Alen nun Bauklötze. «Ja, Dalibor – DEIN Dalibor, der dich seit Kindestagen anhimmelt und immer mit dir unterwegs ist. Der ist shwul und steht auf dich, du aber nicht auf ihn, sonst hätte er neulich an der Balkan Gay Night im Heaven nicht stockbesoffen gleich mit mehreren Typen rumgemacht.»

Während aus Alens Bauklötzen gerade ein ganzes Lego-Land entsteht, läuft ihm sein Bruder davon. Wie konnte er sich bei Dalibor so täuschen? Er ist doch sein bester Kumpel und sicher nicht shwul oder gar verliebt in ihn. Doch er wird eines Besseren belehrt – bei der nächsten Balkanparty.

*Wir schreiben in dieser Kolumne «shwul» statt «schwul», um den Balkan-­Slang wiederzugeben. Weitere Hintergründe zur Kolumne «Shwule Grüsse aus dem Balkan» erfährst du im Interview mit dem Autor Predag Jurisic


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