Seyran Ateş: Wir sind mit unserer Kraft am Ende

Die Gemeinde ihrer Moschee steht für einen liberalen, progressiven Islam

Seyran Ateş (rechts) und Helene Braun haben ihre Religion zum Beruf gemacht (Bild: Sven Serkis)
Seyran Ateş (rechts) und Helene Braun haben ihre Religion zum Beruf gemacht (Bild: Sven Serkis)

Die Menschenrechtlerin und Gründerin der LGBTIQ-freundlichen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, Seyran Ateş, fühlt sich an der Belastungsgrenze.

«Wir sind mit unserer Kraft in diesem Moment am Ende», sagte sie dem Nachrichtenportal t-online (Dienstag) zu der Entscheidung, die Moschee vorerst geschlossen zu halten. Die Gemeinde der 2017 gegründeten Moschee, die für einen liberalen, progressiven Islam steht, habe sich daran gewöhnt, mit Sicherheitsvorkehrungen zu leben, sagte Ateş.

Die Anlaufstelle Islamdiversity in der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee hatte in der vergangenen Woche auf Instagram mitgeteilt, dass die Moschee bis auf Weiteres geschlossen bleibt (MANNSCHAFT berichtete). Sie begründete dies mit Informationen über mögliche Anschlagsrisiken im Zusammenhang mit IS-Terroristen aus Tadschikistan. Die Terroristen seien zwar inzwischen in Haft. Dennoch könne die Moscheegemeinde nicht weitermachen, als sei nichts passiert.

«Bis Ende nächsten Jahres wollen wir auf jeden Fall noch existieren. Wir müssen uns allerdings ein neues Konzept überlegen», sagte Ates im Interview. «Die Gefährdungslage war immer sehr hoch. Deshalb habe ich seit Jahren Personenschutz. Den haben aber Mitarbeiter*innen und Gemeinde nicht», so die Anwältin. «Wir haben nun eine besondere Situation: Weil wir uns solidarisch mit Israel erklärt haben, sind wir wieder verstärkt Anfeindungen ausgesetzt.»

Ateş spricht in der aktuellen MANNSCHAFT-Ausgabe mit Vertreter*innen von Judentum und Christentum über Fortschritte in den Religionen und darüber, wieviel Queerness erlaubt ist (zum Shop).

Die Rechtsanwältin, Autorin und Frauen- und Menschenrechtlerin wurde in der Türkei geboren. Aus islamistischen Kreisen gab es immer wieder Drohungen gegen sie. Sie lebt deshalb seit Jahren unter Polizeischutz. «Ich bin sehr häuslich geworden, das ist notwendig, und trotzdem lebe ich damit in einem sehr harmonischen Frieden», sagte Ates zu ihrer Situation. «Der Personenschutz gewährt mir den Luxus, frei zu denken und zu sprechen. Das ist so viel mehr wert als meine physische Freiheit.»

Die Gesetzeslage in den USA hat sich für trans Personen in der jüngsten Vergangenheit immer weiter verschärft. Ein neuer Bericht zeigt nun, wie sehr Jugendliche betroffen sind (MANNSCHAFT berichtete).

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